Erinnerungen und Anspielungen

Krimis aus den 40ern und 50ern sind eigentlich nicht mein Fall. Sie sind mir irgendwie … hm, zu ernsthaft. Jedenfalls die, die ich kenne. Wenn ein Cary Grant die Hauptrolle spielt, lasse ich mich schon mal breitschlagen, ansonsten …

Rüdiger Schäfers und Michael Buchholz‘ »Die Wellensittichmorde«, die als Band 8 des gemeinsam mit Kai Beisswenger zu verantwortenden Imprints »Zwischen den Stühlen« erschienen sind, spielt in den 50er Jahren – genauer ab 1954 –, aber auch wenn das Handlungsgerüst alle Elemente aufweist, die zu einem guten alten Schwarz-Weiß-Krimi passen würde, gibt es einen großen Unterschied: Humor, Satire, Sachen, die einen lachen machen. Und dazu gehören nicht nur die beiden Privatschnüffler – die wie Thomas Magnum lieber als Privatdetektive bezeichnet werden wollen –, deren Namen noch leicht zu handhaben sind, sondern auch die Namen mancher Hauptfiguren, wie der beiden Damen Lady Eleonore Greensborough-Winthersleigh und Kathlin-Joanne McToothbone-Afterbrook, die einen unweigerlich an Evelyn Hamann und ihre englische Serien-Ansage erinnern. Der Roman, der quasi zweigleisig abläuft, strotzt vor Verballhornungen und Anspielungen auf alles Mögliche, nicht nur auf Schnüfflerkollegen, sondern sprichwörtlich auf alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Gleichzeitig sind aber alle Elemente vorhanden, die für so eine Geschichte wichtig sind: hübsche Sekretärinnen, ansehnliche amerikanische Schlachtschiffe … ähm, Straßenkreuzer, es fehlt wirklich nichts.

Am Ende hat man jedenfalls nicht nur erfahren, was und vor allem wer hinter den Wellensittichmorden steckt, sondern man erfährt auch noch die Entstehungsgeschichte des Romans und natürlich auch etwas über Rüdiger Schäfer, den leider schon verstorbenen Michael Buchholz und den genialen Zeichner Gerd Domin, der mit seinen Zeichnungen der so schon gut gewürzten Story noch den letzten Kick verpasst.

Schäfer, Rüdiger & Buchholz, Michael H., DIE WELLENSITTICHMORDE

Knapp verpasst, trotzdem toll

Eigentlich hätte das aktuelle Buch mit Texten und Fragmenten des Hubert Katzmarz pünktlich zu seinem 70. Geburtstag am 03. November 2022 erscheinen sollen, doch wie so oft kam Diverses dazwischen. Nun haben wir — Ellen Norten als Herausgeberin und ich als Verleger — eine rund einmonatige Verspätung hingelegt, aber dem Werk an sich tut das keinen Abbruch. »Im Garten der Ewigkeit« ist eine Sammlung bereits bei uns — und freilich anderswo — veröffentlichter Geschichten und zusätzlich diverser Fragmente, so die Erstveröffentlichungen »Im Garten der Ewigkeit« und »Hinter verschlossenen Türen«. Das Buch ist gegliedert in fünf Themenbereiche, man könnte auch von Genres sprechen. Den detaillierten Inhalt kann man vorab unter dem unten abgebildeten Link nachlesen.

Neben diesem Buch wird es noch zwei weitere Bücher anlässlich Hubert Katzmarz‘ 70. Geburtstag geben, zum einen ein auf Basis eines Katzmarzschen Fragments fertig geschriebener Roman, zum anderen eine Anthologie verschiedener Autoren, die das »Abschied von Bleiwenheim«-Motiv (erstmals als AndroSF 36 veröffentlicht) erneut aufgenommen haben. Aber diese beiden Titel dauern noch ein wenig … Zuerst darf sich der geneigte Leser dem »Garten der Ewigkeit« widmen, den es direkt beim Verlag oder im Buchladen auf Booklooker als hochwertige Hardcoverversion mit Fadenbindung und Schutzumschlag gibt.

Norten, Ellen (Hrsg.), IM GARTEN DER EWIGKEIT

Geplant war das nicht

Jedenfalls nicht von Anfang an.

Im Februar 2018 erschien mit »99NOTES« die erste Sammlung verstreut veröffentlichter Texte des Autors Dirk C. Fleck, wobei schon damals in erster Linie Texte aus dem Internet zwischen die Buchdeckel gesteckt wurden. Damals war zwar klar, dass der preisgekrönte Schreiber nicht aufhören würde, zu schreiben — aber über eine weitere Sammlung solcher Texte haben wir damals noch nicht nachgedacht.

Die neue Sammlung »THE NOTES 66« kam ein wenig chaotisch zustande. Dirk Fleck hat mehrfach Texte ausgetauscht, Reihenfolgen neu festgelegt, auch mal einen Text komplett verworfen. Ein ganz normaler Ablauf, wenn man es genau nimmt — aber für jemanden wie mich, der das Buch dann zusammenbauen darf, schon spannend. Kann man sagen. — Und eigentlich hatte ich ein ganz anderes Titelbild im Auge. Ich hatte überlegt, das Logo der US-amerikanischen »Route 66« herzunehmen und abzuwandeln, aber das scheiterte letztlich schon daran, dass sich in den einschlägigen Fotopools im Internet kein vernünftiges Ausgangsmotiv fand. — Und Dirk Fleck hatte sich für den Nachfolger ein Bild gewünscht, wo das Meer nicht wie auf dem Titel von »99NOTES« hübsch ruhig und flach aussieht, sondern wild und aufgewühlt. Et voilà:

Fleck, Dirk C., THE NOTES 66

Der fünfte Stuhl

Will man vier Abstände »zwischen den Stühlen« haben, braucht man fünf Stühle. Und mit dem fünften Stuhl ist das vierte Buch des Imprints »Zwischen den Stühlen« meiner p.machinery erschienen, des Imprints, das ich gemeinsam mit Kai Beisswenger verlege. Diesmal handelt es sich um einen satirischen Krimi, und die Autorin Katja Kleiber schrieb in ihrem Newsletter dazu:

Einige Jahre meines Lebens war ich gezwungen, in einem Unternehmen zu arbeiten, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei habe ich allerhand seltsame menschliche Verhaltensweisen kennengelernt, die ich in einem satirischen Krimi beschrieben habe. Das Ergebnis siehst Du oben: „Ein Controller weniger“, frisch erschienen im Verlag „Zwischen den Stühlen“. Der Verlag publiziert Bücher, die keinem Genre so richtig zuzuordnen sind, hier also einen Roman, der zwar ein Krimi ist, aber auch Satire.
Wenn Du jemand in dem Buch wiedererkennst: Nein, ich war nicht bei Deinem Arbeitgeber tätig, aber Bürojobs ähneln sich in mancher Hinsicht nun mal.
Psst! Nicht verraten! Ich habe das Manuskript zu großen Teilen während meiner Bürotätigkeit verfasst. Immer in Häppchen. Wenn mir eine Szene einfiel, habe ich sie in das Mailprogramm geschrieben und an meine private Mailadresse versandt. Ich wirkte immer eifrig beschäftigt. Nach und nach ist so das ganze Manuskript entstanden, Dir kann ich es ja sagen, zumal die Tat verjährt ist.
Der Text lagerte in einer Schublade, wurde entstaubt und frisch überarbeitet. Wenn Dich Dein Bürojob mal wieder frustriert, ist der richtige Zeitpunkt für diese Lektüre gekommen.

Kleiber, Katja, Ein Controller weniger

Spottlichter im Lokalradio

Radio Lora 92.4 ist ein Münchner Lokalsender auf der Frequenz 92,4 MHz und im Internet (lora924.de). Auf 92,4 MHz tummeln sich noch andere Lokalsender, und so ist die Sendung vom 20. Juni, in der Wolfram Hirche aus seinem Buch »Spottlichter« gelesen hat, für die Nachwelt durchaus erhaltenswert:

 

Wolfram Hirche und seine Gesprächspartnerin lesen im Wechsel einzelne Glossen aus dem Buch und unterhalten sich über das Werk. Wer den Literaturbetrieb nicht nur in München gerne mit dem satirischen und sarkastischen Auge in den Blick nehmen möchte, sollte sich nicht nur diese Sendung anhören, sondern sich auch das Buch gönnen.

Hirche, Wolfram, SPOTTLICHTER

Noch eins nachgelegt

Wolfram Hirches »Spottlichter« sollten eigentlich nur als Hardcover erscheinen. Hatte ich mir eingebildet und der Autor hat nicht widersprochen. Das erwies sich dann kalkulatorisch als ein wenig problematisch. Denn der Preis sollte nicht höher als 15,90 oder 16,90 Euro liegen – und zu dem Preis lässt sich das Buch beim Schaltungsdienst nicht machen.
Nach einigem Hin und Her, mit der Überlegung, das Hardcover auf 29,90 Euro anzuheben, und dann wieder doch nicht, habe ich entschieden, ein Paperback nachzulegen, das mit 13,90 Euro preislich gut machbar ist, und vom Hardcover wurde noch eine kleine Auflage von 25 Stück als limitierte Auflage nachgedruckt — allerdings erstmals nicht beim Schaltungsdienst, sondern bei CPI in Leck, hier in Nordfriesland. Was aber eine Ausnahme bleiben wird.
So oder so ist das Buch nun sowohl als Paperback als auch als Hardcover lieferbar. Auch im Buchladen der p.machinery natürlich.

Hirche, Wolfram, SPOTTLICHTER

Verkaufsförderndes Urteil

Als Verleger kommt man bisweilen auch dazu, ein Buch »außer der Reihe« zu verlegen. Ich habe das inzwischen fünfundsechzig Mal getan – und das fünfundsechzigste Buch, die »Spottlichter« von Wolfram Hirche, ist ebenso außergewöhnlich wie die vorhergegangenen Veröffentlichungen. Solche Bücher zu vermarkten, ist indes nicht einfach, wenn man aufgrund seines Verlagsschwerpunkts – hier: Science-Fiction – eine Zielgruppe anspricht, die oft genug mit Büchern »außer der Reihe« nicht viel oder gar nichts anfangen kann. Umso mehr erfreut einen dann eine außergewöhnliche Buchbesprechung, die in diesem Fall Andreas Vogt in seinem privaten Blog veröffentlicht hat: hier. Vogts Fazit:

Die Sammlung ist ein heiteres und anregendes Buch, wenn auch nicht ohne Wiederholungen (was daran liegt, dass eine Glosse in einer Monatszeitschrift über zehn Jahre Inhalte und Aussagen haben darf, die sich wiederholen – die aber dann, hintereinander in einem Buch gelesen, mitunter redundant wirken). Trotzdem: Die „Spottlichter“ bilden, unterhalten und lassen den literaturbegeisterten Bildungsbürger schmunzeln. Sehen Sie hier ein Ironiezeichen? Nein, nicht nötig.

Hirche, Wolfram, SPOTTLICHTER

Schreibfehler im Angebot

Da stand »Spotlight« statt »Spottlichter«. Ein naheliegender Verschreiber. Der es nur nicht getroffen hat. Nicht mal annähernd.

Es ist schon merkwürdig. Tiny Stricker, dessen Werkausgabe ich verlege, kenne ich ja nun schon eine geraume Weile. Wenn man es genau nimmt, sind es zig Jahre, denn in den Achtzigern durfte ich seine Texte für Maro abtippen (und noch heute schreibt er seine Manuskripte mit der Hand). Durch ihn bin ich zu Klaus Hübner gekommen, dessen Tetralogie »Kein Twitter, kein Facebook. Von Menschen, Büchern und Bildern« in meinem Verlag einen Platz gefunden hat. Und durch beide Autoren kam der dritte Schreiber in unser Programm: Wolfram Hirche.
Was die drei Autoren gemein haben? Sie leben in München und schreiben über München, über Bayern und manchmal auch darüber hinaus, aber der Fokus ist erkennbar München. Und das muss man als nunmehr im Raum Husum ansässiger Verlag manchmal schon erklären.
Was ich nicht kann. Und was ich nicht nur deshalb nicht tue. Wolfram Hirches erstes Buch – mindestens ein weiteres mit Geschichten und Erzählungen ist angedroht – in meinem Verlag umfasst Glossen aus den »Literaturseiten München« der Jahre 2010 bis 2021 und erscheinen nun erstmals gesammelt in einem handlichen kleinen Hardcover mit ausgefallenen Illustrationen und einem ebensolchen Titelbild von Christopher Oberhuemer.

Und auch, wenn ich mir geschworen habe, nie wieder bayerischen Boden zu betreten, wird mich das nicht davon abhalten, auch in Zukunft Münchner Schriftsteller und solche aus Bayern zu verlegen.

Hirche, Wolfram, SPOTTLICHTER

Aufregendes Universum

Jeder Ort dieser Welt ist ein Universum für sich. Gleich, ob es eine Großstadt oder ein Dorf ist. Winnert, das Dorf, in dem ich nun seit bald drei Jahren lebe, ist bei Weitem nicht so aufregend wie Hamburg. Und nicht einmal annähernd so aufregend wie der kleine Ort, den Peter Kiefer in seinem Buch »LANDLÄUFIG. Die Welt hinterm Acker« beschreibt. Wobei, halt, er beschreibt weniger den Ort, als die in ihm lebenden Menschen. Was am Ende das Gleiche ist. Vermutlich.

Ich kenne Peter Kiefer nicht persönlich. Noch nicht. Aber wir machen schon länger Bücher miteinander, das erste Werk erschien im Mai 2013: »Treibgut. Vom Verreisen«, der Band 6 aus der längst eingestellten Reihe »ErlebnisWelten«. Ein Reisebuch eben. So was kauft heute kein Mensch mehr, selbst in diesen Seuchenzeiten, in denen Reisen nicht mehr ganz so einfach ist.
Aber das ist hier nicht das Thema.
Peter Kiefers Bücher haben immer einen gewissen Kick, den ich schlecht beschreiben kann. Sie wirken sehr normal, üblich, alltäglich, gewöhnlich – und wenn man sie liest, merkt man, dass man sich hat täuschen lassen. Denn da ist immer dieser besondere Strich, der entgegen aller anderen läuft.
»LANDLÄUFIG« ist ein Episodenroman, dessen Plotdetails ich auf Basis meines langjährigen Dorflebens (meine letzte Großstadt war München Mitte der Neunziger) gut nachvollziehen kann, auch wenn die Menschen, denen ich so begegnete und begegne, nicht so schillernd und außergewöhnlich erscheinen, wie Peter Kiefer seine Menschen schildert. Aber er beschreibt sie auch sehr wissend, während ich von meinen Mitmenschen hier in Winnert in den allermeisten Fällen wenig weiß (und am meisten oft genug noch über ihre Hunde).

Zum Cover hatte der Autor durchaus konkrete Vorstellungen. Einem angefragten Grafikerteam waren diese Ideen … oh, ich weiß die genaue Formulierung nicht mehr, sie war jedenfalls abwertend gemeint und zeugte davon, dass man nicht verstanden hat, worum es ging. Klaus Brandt kam dann jedenfalls zum Zuge, denn er verstand – und schuf den an sich unbekleideten Körper einer Frau, auf der das Dorf des Romans zu finden ist, und die Kirche steht direkt oberhalb der Scham. Eine Anspielung. Vielleicht mag derjenige, der herausfindet, worauf sie sich bezieht, eine Mail schicken …

Kiefer, Peter, LANDLÄUFIG. Die Welt hinterm Acker