Archiv der Kategorie: Autobiografische Literatur
Hippiehistorie
Manch einen mag es wundern, das ich neben einer eindeutigen Science-Fiction-Werkausgabe – der von Herbert W. Franke – noch eine Werkausgabe verlege, die mit SF so gar nichts zu tun hat, sondern sich vielmehr mit eindeutig autobiografischen Romanen eines Menschen beschäftigt, der sich seinerzeit zu den deutschen Hippies zählte und zählen durfte und der in seinen Werken sein Leben beschreibt, nicht als Biografie gedacht, sondern als Aneinanderreihung von Schnipseln, von Bruchstücken, von bestimmten Aspekten, die in der Nachschau auf sein Leben ihm wohl relevant erscheinen. Und relevant gewesen sind – denn da sind seine Werke eindeutig.
Tiny Stricker heißt der Mensch, ehemaliger Hippie und langjähriger Mitarbeiter des Goethe-Instituts in unterschiedlichen Ländern – auch davon hat er schon geschrieben. Sein Erfolg als Schriftsteller begann in den 70ern mit »Trip Generation«, der »Flucht vor der Flimmerkisten-Mafia«, »Soultime« und »Spaghetti-Juction«.
Dass ich erstmals mit ihm in Berührung kam, liegt lange zurück und war keine persönliche Begegnung, sondern das Vergnügen, für den MaroVerlag in Augsburg seine handgeschriebenen Manuskript abtippen zu dürfen. Später dann, als ein Werk nicht mehr bei Maro erscheinen sollte, kamen wir in persönlichen Kontakt; einfach, weil ich damals noch in Bayern lebte, und München, wo Tiny Stricker heute noch lebt, nicht weit weg war.
Seitdem sind viele Jahre ins Land gegangen. Viele Bücher hat er geschrieben – gut, »viel« mag hier relativ zu sehen sein, aber es sind halt einige –, und weitere Kontakte hat er ermöglicht, so zu Klaus Hübner und Wolfram Hirche, die beide in meiner p.machinery veröffentlicht haben und veröffentlichen.
Tiny Stricker ist ein Autor alten Schlages. Er schreibt seine Texte mit der Hand (!) und korrigiert erst die erfassten Texte später am Computer. In seinen Texten verwendet er stilistische Kniffe, die heute möglicherweise alles andere als modern sind, aber eben gerade deshalb sehr gut zu seinen Plots passen, da diese Erinnerungen sind, Erinnerungen schildern, dem Leser Ausblicke auf Zeiten und Menschen erlauben, die man selbst nicht erlebt hat.
Ich gehe davon aus, dass seine Geschichten noch nicht zu Ende erzählt sind, und freue mich, den aktuell 13. Band der Werkausgabe als veröffentlicht verkünden zu dürfen.

Aus berufenem Munde
Na, eigentlich von berufener Tastatur. Egal. — Der israelische Schriftsteller und Dramatiker Erez Majerantz hat Willi van Hengels Werk »DIEUDEDET oder Sowas wie eine Schneeflocke« auf Lovelybooks ganz eindeutig empfohlen: »Lesen – unbedingt« hat er geurteilt und fünf Sterne vergeben.
Wer nicht hinklicken will, muss es halt hier lesen:
Dieudedet – vielleicht könnte man diesen geheimnisvollen Begriff übersetzen als Suche eines empfindsamen Mannes. Doch nicht einfach nur nach sich selbst – das wäre zu kurz gegriffen. Nein, Willi van Hengel geht viel raffinierter vor: Seine Hauptfigur Alban fragt danach, warum er sich im Leben so fremd vorkommt – nicht nur nach außen zu anderen Menschen, sondern vor allem nach innen, sich selbst gegenüber.
Durch verdrängte Vorfälle in seiner Kindheit, vor allem seelischer Missbrauch, ist er in einer eigenwilligen Agonie verfangen, aus der er erst durch einen symbolischen Akt der Befreiung (durch seine Tat entledigt er sich seiner bisherigen Opferrolle) herausfindet. Das ist der Beginn der Suche – der Suche nach einer Antwort seines Fremdseins in sich selbst. Sein Leben gewinnt Schwingung für Schwingung an neuen Sichtweisen.
Und diese innere wie auch äußere Bewegung versteht van Hengel mit seiner einzigartigen Sprache wiederzugeben – sie ist zynisch, übermütig, zweideutig, ungerecht, ironisch, witzig, frech, stilvoll, grausam, weich und dämonisch, vor allem aber ist poetisch.

van Hengel, Willi, DIEUDEDET oder Sowas wie eine Schneeflocke
Und der Schäfer hat gelesen
Andreas Schäfer hat aus seinem Roman »Du sollst vergessen« gelesen, im Rahmen der Südlese-Literaturtage.

London immer wieder
Klaus Hübner, mit seiner Quadrologie »Kein Twitter, kein Facebook – Von Menschen, Büchern und Bildern« selbst Autor in der p.machinery, hat sich des aktuellen Werkes »London, Pop und frühe Liebe« seines Münchner Textgefährten Tiny Stricker angenommen und seine Rezension auf literaturkritik.de mit dem Fazit
Das pulsierende Lebensgefühl von Teenagern der damaligen Zeit, ihre Euphorie und ihren Blues, ihre manchmal kurios anmutende Aufmüpfigkeit gegen die Welt der Eltern und der Lehrer und ihre kaum zu bändigende Sehnsucht nach Sprengung aller sie hindernden Ketten – Tiny Stricker schildert das alles intensiv und eindringlich. Der in München lebende Autor, der sich als junger Mann in den Blumenkinder-Hotspots zwischen Essaouira und Chittagong herumgetrieben hat und den man heute den seriösesten Hippie aller Zeiten nennen darf, hat sein umfangreiches erzählerisches Werk um einen liebens- und lesenswerten Prosa-Edelstein bereichert. Yeah! Yeah! Yeah!
abgerundet. Herzlichen Dank dafür, herzlichen Dank.

SF in und aus den Alpen
Eigentlich habe ich mit meinem Umzug nach Nordfriesland den Alpen (und Bergen generell) ja den Rücken gekehrt. Aber ein Grund, dieses Buch nicht zu machen, war das nicht:
Alfred Vejchar hatte die Idee möglicherweise nicht allein, aber er war der Hauptideenträger und kam mit der Frage zu mir, ob ich ein Buch über das österreichische SF-Fandom (und das Drumherum) machen wolle. Wie so oft gab es keine langen Diskussionen, denn neben einem passenden Titel mit historischen und aktuellen Informationen über das österreichische Fandom gab und gibt es ja auch enge Verbindungen zum SFCD — und die Reihe »AndroSF« in der das Buch nun erschienen ist, ist ja »für den SFCD« gedacht und veröffentlicht.
Die Idee, das Buch auch dem SFCD für seine Mitglieder anzubieten, war naheliegend und ging auch von Alfred Vejchar aus. Der hatte auch schon bei Thomas Recktenwald vorgefühlt, und so war die Tür, durch die ich mit meinem Vorschlag kam, schon geöffnet. Das Buch ist nicht nur der Titel 170 der Reihe »AndroSF«, sondern auch Ausgabe 158 des ANDROMEDA SF MAGAZINs des SFCD.
Die Arbeit am Buch war spannend und aufwendig. Die Beiträge aus vielen unterschiedlichen Quellen waren insgesamt ein Formatchaos (was ich niemandem zum Vorwurf mache), durch das mein Standard-Tabula-rasa-Makro erst einmal nicht zum Einsatz kommen konnte. Auch der Buchsatz war anspruchsvoll — so anspruchsvoll, dass ich inzwischen von der üblichen Idee, das E-Book im epub-Format selbst zu bauen, Abstand genommen habe; ich werde hier meinen Dienstleister Bookwire in Anspruch nehmen, dessen Arbeit selbst für Geld preisgünstiger ist, als würde ich es selbst machen wollen. Derweil habe ich das Buch als E-Book im PDF-Format veröffentlicht — das muss für die ersten Tage reichen, bis Bookwire geliefert hat.
Zusätzlich zu all dem Spaß, den die Arbeit am Buch letztlich gemacht hat, ist es mir auch eine Freude, noch einmal etwas für den SFCD getan zu haben. Und ich gebe offen zu, dass ein Teil dieser Freude Schadenfreude ist, nachdem ich dem SFCD mit diesem Buch ein ANDROMEDA SF MAGAZIN spendiert habe, obwohl ich dem Verein längst den Rücken gekehrt habe. (Und derjenige, an dem sich diese Schadenfreude festmachen lässt, weiß schon, wer gemeint ist.)

Dass der Stricker las …
Das hatte ich berichtet. Hier. Nachhören kann man das auch. Hier. Mit Musik aus den Sixties: Ray Charles, The Kinks, Beach Boys, Beatles u. a. Und sehen kann man den Herrn Autor auch. Hier:

Wen man nicht sehen kann, ist Wolfram Hirche auf der gegenüberliegenden Seite des Fotos. Mein p.machinery-Autor hat die Sendung moderiert. »Ziemlich professionell«, wie Tiny Stricker meint.

Der Stricker, auch im Radio
Heinrich »Tiny« Stricker wird sich am 17.03.2023 ab 20 Uhr auf Radio LoRa mit seinem Buch »London, Pop und frühe Liebe« beschäftigen. Im »Literaturverhör« geht es um die Geschichte, die Zeit, in der sie spielt, und sicher auch um die Musik, die im Buch ja auch eine Rolle spielt. (Man darf wohl davon ausgehen, dass die Musik zum Teil auch zu hören sein wird.)
Radio LoRa ist ein Münchner Lokalsender (LoRa = Lokalradio) und ist auf UKW 92,5 MHz in Südbayern zu empfangen – und deutschland-, gar europaweit im Netz auf www.lora924.de. Wiederholt wird die Sendung noch am 20.03.2023 um 15 Uhr. Und danach wird die Sendung hier auch zum Download bereitstehen.

London, Pop und für die Ohren
Heinrich Stricker hat aus seinem Werk »London, Pop und frühe Liebe« (Außer der Reihe 72) gelesen, was für das »Literatur Radio Hörbahn« aufgezeichnet wurde. Und danach hat er sich noch mit Uwe Kullnick über sein Buch, London und Reisen im Allgemeinen unterhalten. Das alles findet sich hier.

Humor und Empathie
Antje Weber hat Tiny Strickers »London, Pop und frühe Liebe« für die Süddeutsche Zeitung besprochen. Im Netz hier zu finden.
Ihr Fazit:
Das alles liest sich, auch wenn man nicht in den Sechzigern sozialisiert wurde, sehr unterhaltsam. Was daran liegt, dass Tiny Stricker stilsicher und soghaft schreibt und einiges an Humor und Empathie für die Verhaltensauffälligkeiten pubertierender Jungs mitschwingen lässt. Seine Beschreibungen mancher Klassen-Nerds etwa sind wohl generationsübergreifend treffend; Henry bewundert zum Beispiel einen gewissen »Meyer«, der beim Skilager aus Protest in Cordsamthosen und Desert Boots auf die Skier steigt, Sigmund Freud liest und nur entlegenen Jazz goutiert.
