[Kim] Das Ende des Wegs in Sicht

Sie schlief immer mehr, immer länger.
Ihre Gassigänge wurden immer kürzer, am Ende waren es vielleicht noch hundert Meter, vielleicht hundertfünfzig. Oft fand sie den Weg aufs Grundstück nur deshalb, weil wir sie führten; und manchmal schien es, als wolle sie gar nicht zurück nach Hause.
Irgendwann lehnte sie das Nassfutter ab, von einem Tag auf den anderen. Danach bekam sie Trockenfutter, ein spezielles, weil sie Probleme mit Struvitsteinen in der Blase hatte. Und auch von diesem aß sie immer weniger, und das meiste davon musste man ihr regelrecht füttern.
Sie bekam Probleme beim Aufstehen. Weil unsere Böden glatt waren, hatten wir jede Menge Teppichläufer verlegt, aber sie fand fast zielsicher immer die glatten Stellen dazwischen.
Sie schien dement zu werden, obwohl das nicht sicher ist, denn sie schien uns nach wie vor zu erkennen. Aber sie war – nicht nur, aber vor allem nach dem Aufwachen – oft desorientiert. Sie stand dann irgendwo vor einer Wand, vor einem Möbelstück, in der Ecke an einer Tür auf der Seite, wo die Tür angeschlagen war. Sie wirkte, als wäre sie irgendwohin aufgebrochen und hätte dann vergessen, was sie dort wollte, wo sie überhaupt hin wollte.
Sie taumelte immer häufiger und vor allem ihre Hinterbeine knickten oft ein.
Sie wurde nicht im eigentlichen Sinne inkontinent, aber sie schaffte es öfter nicht mehr nach draußen, obwohl wir sie führten, und nachts weckte sie uns nicht mehr, was sie anfangs des Weges noch getan hatte. Unsere Teppichläufer gehören vermutlich zu den meistgewaschenen Teppichläufern Nordfrieslands.
Und auch ihr Häufchen kam immer öfter im Haus zur Welt. Fast so, als schien es den Würstchen draußen zu kalt zu sein.
Immer wieder führten wir sie nach draußen, damit sie sich erleichtern konnte, und immer wieder kam sie zurück und erledigte ihr Geschäft dann drinnen.

[Kim] Der Weg zur Regenbogenbrücke

Manche Hunde sterben schnell. Sie fallen einfach um oder schlafen ein und wachen nicht wieder auf. Aber das ist wohl nicht der Normalfall. Meist ist der Weg deutlich länger. Wobei man sich nicht täuschen lassen darf: Es gibt eine Rechenformel, nach der ein Lebensjahr eines Hundes sieben Menschenjahren entsprechen soll. Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung. Aber die Lebenserwartung von Hunden ist deutlich niedriger als die eines Menschen, und so verläuft ihr Leben entsprechend schneller.

Wir hatten viel Zeit, um uns vorzubereiten, auf das, was uns erwartete. Kims Weg zur Regenbogenbrücke begann 2021, im Spätsommer, Anfang des Herbstes. Es lässt sich nicht an akuten Kennzeichen festmachen, es waren Kleinigkeiten anfangs. Irgendwann begann sie Probleme zu haben, die Rampen hochzugehen, die wir für sie haben bauen lassen, zum Sofa, ins Bett, auf ihren Lieblingssessel von Ikea. Ihre Leistungsfähigkeit ließ nach, ihre Gassigänge wurden kürzer. Sie waren immer noch lang, aber nicht mehr so wie zuvor.
Wir trafen die Entscheidung, die wir längst im Kopf hatten. Es war klar, dass Naomi unter ihrer Trauer leiden würde, wenn Kim gehen würde. Es war also klar, dass wir vorher für einen weiteren Hund sorgen mussten, der Naomi von ihrer Trauer ablenken konnte. Das Ergebnis war Susi, die Mitte Oktober 2021 zu uns kam.
Kim ging es noch gut. Obwohl ich an ihrem zwölften Geburtstag am 11.11.2021 nicht sicher war, ob sie ihren dreizehnten noch erleben würde …
Aber Kim war ein ehemaliger Straßenhund, und sie war ein bisschen – stur. Auch wenn die Geschwindigkeit, mit der sie abbaute, für uns Menschen eher erschreckend war, dauerte es noch viele Monate. Sie erlebte sogar noch ihren dreizehnten Geburtstag.
Danach aber ging es wirklich sehr schnell …

Danke erst mal

Danke an alle, die hier die beiden Beiträge zu unserem Abschied von Kim kommentiert haben, Dank aber auch an alle, die mir E-Mails geschickt haben.
Das tägliche Leben hat sich verändert. Vieles ist seltsam, weil Kim nicht mehr da ist. Und wir müssen uns an neue Abläufe gewöhnen.
Aber das wird schon. Versprochen.

Und die kleinen Kim-Geschichten folgen. Peu à peu.

Der GEDANKENverNETZer: Herbert W. Franke (1927–2022)

Der GEDANKENverNETZer um 1960, 33jährig (Archiv JvS)

Unter diesem Titel hat Jürgen vom Scheidt einen sehr schönen und sehr ausführlichen Nachruf auf unseren kürzlich verstorbenen Herbert W. Franke veröffentlicht. Schwer lesenswert.

Herbert W. Franke, 95jährig, im Mai 2022 bei der Eröffnung seiner Ausstellung »Visionär« in Linz (Foto: Francisco Carolinum)

Hühnchen im Bild

Ich berichtete hier von der kleinen Hühnerfamilie in der Nachbarschaft. Da gab es noch keine Fotos, aber inzwischen kann ich eines nachliefern. Zugegebenermaßen ist es nicht sehr gut, weil mit dem Blackberry in der höchsten Vergrößerung aufgenommen. Und auch der Ausschnitt macht es nicht besser. Aber immerhin erkennt man, dass es sich um drei Küken handelt. Und Frau Henne war an diesem Tag allein mit den Kindern unterwegs, sodass ich den Hahn noch immer schuldig bleiben muss.

Das reicht ja noch nicht

Nein, das, was ich schon dokumentarisch – genau hier – festhalten durfte, war den neuen Besitzern des Hauses in unserer Nachbarschaft nicht genug. Nachdem es zunächst so aussah, als dürfte die verbliebene Bepflanzung – ein Rhododendron, wie ich annehme – stehen bleiben, ist das nun auch Vergangenheit:

Dem Inneren des Hauses geht es ähnlich gut – aber das ist okay (auch wenn ich die Kiste einfach abreißen und neubauen würde, aber das ist im Augenblick wohl zu teuer). Aber wie man mit dem Außenbereich des Hauses umgeht – und ich fürchte, das war immer noch nicht das Ende –, das kann und will ich nicht verstehen.

Eine Hühnerfamilie

Es gibt noch echte Natur, einfach so um die Ecke. Der Norderweg zu Winnert hat eine Abzweigung nach Norden, wo es in die Felder geht, eine Freilaufstrecke für unsere Hunde. Gleich am Anfang gibt es einen ehemaligen Hof, ein Haus mit den typischen Stallanbauten. Als Hof genutzt wird er nicht mehr. Der große Stall ist finster, leer, ungenutzt.

Leer und ungenutzt? Mitnichten! Vor längerer Zeit ist dort ein Hahn eingezogen und hat sich eingenistet. Niemand wollte ihn verjagen, obwohl es Gerüchten zufolge in einiger Entfernung Nachbarn geben soll, die sich am morgendlichen Kikeriki stören. Und irgendwann tauchte dann auch seine Henne auf.
Beide Tiere sind keine Haustiere, kein Haushahn, keine Haushenne. Der Hahn ist sehr groß, fast dreimal so groß wie seine Henne. Seine Färbung ist ungleichmäßig und eher grau mit farbigen Einsprengseln. Und die Henne ist sehr klein, wie gesagt, ganz schwarz, mit einem roten Kamm.

Und letztens entdeckte ich die zwei, die gerne unterwegs sind, durchs Gras spazieren – in Begleitung von mehreren Küken. Ich zählte mindestens drei, vielleicht waren es auch vier. Die Kleinen spazierten mit den mutmaßlichen (gnfrz!) Eltern durch das Gras, und um überhaupt etwas zu übersehen, sprangen sie immer wieder hoch, schlugen mit den kleinen Flügelchen und hüpften so durch das Gelände.
Ein Foto gelang mir leider nicht. Die Handykamera war zu langsam, die Entfernung auch zu groß. Ich wollte mich nicht nähern, um die kleine Familie nicht zu verscheuchen; außerdem hatte ich zwei meiner Hundemädchen dabei, das wäre nicht gut angekommen. Und man muss ja heutzutage nicht alles, was man erlebt, mit einem Bild beweisen. Wer meine Geschichte nicht glauben möchte, kann das gerne tun. Ich freue mich derweil auf die hoffentlich baldige nächste Begegnung mit der Hühnerfamilie. Mit einem Stückchen Natur, das existiert, weil man es einfach sein lässt.