Nach acht Jahren: Neuausgabe!

Schon eine Weile aus dem Programm, nun aber neu aufgelegt — verfügbar im Internet und im Buchhandel vor Ort (Achtung! Nicht jedoch beim Verlag!), produziert im PoD-Verfahren durch CPI in Leck (Nordfriesland). Das Buch wurde kosmetisch ein wenig aufgehübscht, entspricht aber ansonsten der Originalausgabe von 2015.

Conni Mainzelmann
WIE ICH DIE WELT SEHE
Ein ungewöhnliches Reisebuch
ErlebnisWelten 8
p.machinery, Murnau, April 2015, Neuausgabe: Winnert, Mai 2023
224 Seiten (davon 184 in Farbe), 210 x 210 mm
Softcover ISBN 978 3 942533 84 3, EUR 27,90
Hardcover ISBN 978 3 942533 85 0, EUR 36,90

Der Gipskopf verfolgt mich. Schon von Weitem trifft mich sein schwermütiger Blick und ich höre den Sirenengesang wie einst Odysseus bei seinen Irrfahrten. Mir kommen die Rheinschiffer in den Sinn, die sich nicht weit von Mainz entfernt von den lieblichen Klängen aus dem Mund der Loreley anlocken ließen, um dann am Felsen zu zerschellen. Am letzten Tag folge ich den inneren Rufen und gehe ganz nah an den Schönling heran. Der wackelige Kopf schmiegt sich mir entgegen – sehnsuchtsvoll, als ob ich ihn in meinen kleinen Armen über die Straße tragen könnte. Welche Tragik, ich schließe die Augen und halte mir die Ohren zu und nur mit festem Willen kann ich mich von dem Kobold wieder losreißen und eile die Straße entlang, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.

Conni Mainzelmanns Weltreisen – in seinen Worten, seinen Bildern. Wie er die Welt sieht. Mit Berichten und Bildern aus Italien, von Sizilien und Santorin, aus Istanbul, Spanien, Portugal, Marokko, Namibia, Vietnam, Kambodscha – und Deutschland.

Die Fotos (und die Texte) stammen von Ellen Norten.

Mainzelmann, Conni, Wie ich die Welt sehe

Eben nicht vergessen

Die Leserin Uta Schipull hat das Buch »Du sollst vergessen« von Andreas Schäfer nicht nur gelesen, sondern auch ausführlich rezensiert:

Schon der Titel des Romans lässt den potenziellen Leser innehalten. Die Form des Imperativs fordert ihn sogleich zum Handeln auf und selbst wenn es sich nur um eine Bitte, eine Empfehlung oder einen Ratschlag handeln sollte, ist die Befehlsform oder zumindest der Charakter einer Anweisung nicht ganz wegzudenken. Das Alte Testament mit seinen 10 Geboten lässt grüßen. Sie gelten als eine Art Richtschnur fürs Leben, auch für Atheisten. Gilt dies auch für das Vergessen?

Warum ein 11. Gebot? Ich soll also vergessen. Was heißt das genau?
Das Verb ›vergessen‹ – normalerweise negativ konnotiert – meint zunächst einmal, dass Wahrgenommenes bzw. Gelerntes dem Gedächtnis nicht mehr verfügbar sein soll. Erlebtes kann nicht mehr in die Erinnerung zurückgerufen werden. Vergessliche Menschen nehmen wir in der Regel als gedankenlos, geistesabwesend und konfus, ja kopflos wahr. Sie sind oft nicht bei der Sache, gelten als unkonzentriert und unzuverlässig. Hält dieser Zustand an, geht er irgendwann über in Schusseligkeit und Zerstreutheit. Die Steigerung davon ist Verwirrtheit und es drängen sich Assoziationen eines Krankheitsbildes auf: Ist der Mensch nur vergesslich oder schon dement?

Doch darum geht es in Schäfers Roman nicht. Vielmehr steht hier bewusstes Vergessen im Fokus des Geschehens, Vergangenes muss hinter sich gelassen werden, um die Gegenwart unbeschwert genießen zu können. Und dies lässt der Autor einen renommierten Professor der Psychologie sagen, der sich damit gegen bisherige Erkenntnisse der Psychoanalyse und so auch gegen viele Kolleginnen und Kollegen in seinem Umfeld stellt. Wenn diese sich auch darüber einig sind, als Akutmaßnahme in schweren Fällen zu Verdrängung und Ablenkung zu raten, herrscht dennoch Konsens darüber, sich mit etwas Distanz ans Aufarbeiten einer negativen Erfahrung zu machen. Nicht selten sind die Ursachen für seelische Verletzungen in naher oder ferner Vergangenheit, nämlich in der Kindheit, zu finden.
Vorster allerdings ist von der Umkehrung der Psychoanalyse fasziniert und seine Selbstverliebtheit, seine Selbstgewissheit und seine Überheblichkeit lassen etwaige Einwände ins Leere laufen.

Der Professor wird für seinen neuen Forschungsansatz gefeiert und avanciert zum Star der Branche. Dies geht auch eine ganze Weile gut, bis die plötzliche Nachricht, er sei Vater einer mittlerweile erwachsenen Tochter, ihn zwingt, sich doch mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Schäfer beherrscht die hohe Kunst, Vorster in seiner Interaktion mit den anderen Romanfiguren lebendig werden zu lassen. Sei es eine Patientin wie gleich zu Beginn oder seine Assistentin Frau von Allerthin, seine Ex-Frau Ruth-Esther Mireille, seine neue Frau Rosa, der Politologe Simon Bernard oder der schriftstellernde Journalist Thomas Ande. Unvergesslich und an dieser Stelle zu erwähnen sind die authentischen Frauen aus Kapitel 15, Callgirls der besonderen Art, die einen Wendepunkt in der Beziehung Vorster-Bernard insofern darstellen, als sich Bernard hier, wie schon zuvor angedeutet, ganz deutlich von Vorster entfernt.

Wer den Roman liest, spürt immer wieder den Antagonismus zwischen Vergessen und Erinnern und nur, wer diesen Widerstreit in den Griff bekommt, wird das Leben im Augenblick feiern können, so, wie Vorster es propagiert. Und mal ehrlich: Wer will denn nicht das Leben im Augenblick genießen?

Was diesen Roman so besonders macht, ist die Erzählweise. Die 24 Kapitel, in denen durchaus nicht immer Vorster im Mittelpunkt steht, geben dennoch Aufschluss über ihn als Person. So spiegelt er sich in den anderen Protagonisten wider bzw. geben diese immer auch Aufschluss über Vorster. Dabei sagt sein Verhalten gegenüber den ihm nahestehenden Personen mehr über ihn aus, als ihm selbst lieb wäre. Und überhaupt: Es sind 24 Kapitel. Soll hier vielleicht ein Bezug zur Vorweihnachtszeit hergestellt werden? Der Adventskalender mit seinen 24 Türchen, der mittlerweile vor allem kommerzielle Bedeutung hat, ist immerhin ursprünglich aus kirchlichen Traditionen entstanden – wenn auch erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine Aufgabe für Literaturwissenschaftler. Vielleicht.

Was auffällig ist und die sehr klare und gelungene Konstruktion dieses Romans unterstreicht, ist die Anordnung dieser 24 Kapitel, die eine gewisse Rhythmisierung schon dadurch vorgeben, dass in den Kapiteln 4, 8, 12, 16, 20 und 24 das weibliche Geschlecht im Mittelpunkt steht. Diese kompositorische Meisterleistung widerspricht übrigens nicht dem offen-artistischen Erzählen, durch das dieser Roman mehr als bereichert wird. Versteckte Hinweise auf Max Frischs »Gantenbein«, etwa wenn wir lesen können »Er könnte der Vater von Ande gewesen sein. Vielleicht auch von Bernard. Sicher nicht von Vorster«, drücken dies zum Beispiel aus. Interessant ist auch, dass die drei Männer Vorster, Bernard und Ande von Mireille fasziniert sind, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Eine Parallele zu Gantenbein, Enderlin und Svoboda hinsichtlich Lila drängt sich auf.

Schäfers Roman erinnert uns daran, dass Literatur immer in einer Tradition steht. Dies geschieht durchaus mal explizit, etwa wenn sich Schäfer auf Gottfried Kellers »Der grüne Heinrich« bezieht, aber es gibt auch versteckte Anspielungen auf weitere Werke, etwa den gefesselten Poeten auf der Überfahrt nach Montevideo aus Frischs Santa Cruz, der an Ande erinnert.

Ein literarischer Hochgenuss, nicht zuletzt deshalb, weil Schäfer oft augenzwinkernd und mit einer gehörigen Portion Ironie existenzielle Fragen des Lebens aufgreift.

Am Ende fügt sich alles mosaikartig zusammen und dennoch sieht sich der Leser offenen Fragen gegenüber. Es ist kein Roman, der Antworten gibt, sondern einer, der einen großen Interpretationsspielraum bietet. Die Leser können zu unterschiedlichen Antworten kommen. Das ist es, was ich von einem guten Roman, einem Lesevergnügen auf hohem Niveau erwarte!

Ich wünsche diesem Buch viele Leserinnen und Leser.

(Uta Schipull, mit freundlicher Genehmigung)

Schäfer, Andreas, DU SOLLST VERGESSEN

London immer wieder

Klaus Hübner, mit seiner Quadrologie »Kein Twitter, kein Facebook – Von Menschen, Büchern und Bildern« selbst Autor in der p.machinery, hat sich des aktuellen Werkes »London, Pop und frühe Liebe« seines Münchner Textgefährten Tiny Stricker angenommen und seine Rezension auf literaturkritik.de mit dem Fazit

Das pulsierende Lebensgefühl von Teenagern der damaligen Zeit, ihre Euphorie und ihren Blues, ihre manchmal kurios anmutende Aufmüpfigkeit gegen die Welt der Eltern und der Lehrer und ihre kaum zu bändigende Sehnsucht nach Sprengung aller sie hindernden Ketten – Tiny Stricker schildert das alles intensiv und eindringlich. Der in München lebende Autor, der sich als junger Mann in den Blumenkinder-Hotspots zwischen Essaouira und Chittagong herumgetrieben hat und den man heute den seriösesten Hippie aller Zeiten nennen darf, hat sein umfangreiches erzählerisches Werk um einen liebens- und lesenswerten Prosa-Edelstein bereichert. Yeah! Yeah! Yeah!

abgerundet. Herzlichen Dank dafür, herzlichen Dank.

Stricker, Tiny, LONDON, POP UND FRÜHE LIEBE

 

Sechsundneunzig

Wir schreiben den 14. Mai 2023 und heute hätte Herbert W. Franke, SF-Autor und Multitalent in vielen Themenbereichen, seinen 96. Geburtstag gefeiert. Nachdem er unsere Welt verlassen musste, kann er das nicht mehr — aber wir können den Geburtstag feiern und nicht nur seiner gedenken, sondern uns auch an sein Werk erinnern.

Susanne Päch hat eine Liste anstehender Events der »art meets science-Stiftung Herbert W. Franke« veröffentlicht — man kann sie hier nachlesen — und schreibt einleitend:

Herbert W. Franke, 2022 im Alter von 95 Jahren gestorben, war ein Pionier des Brückenschlages von Wissenschaft und Kunst. Der promovierte theoretische Physiker hat seit den fünfziger Jahren als freischaffender Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler ein umfangsreiches Oeuvre geschaffen. Er war Wegbereiter der deutschen Nachkriegs-Science Fiction, gilt weltweit als Pionier der Computerkunst, hat 1952 im Bereich der Höhlenforschung die C14-Methode zur Altersbestimmung entdeckt und in der Folge zahlreiche wichtige wissenschaftliche Beiträge zur Sinter-Datierung und -Chronologie geleistet.

Die p.machinery feiert mit. Nicht nur mit der »SF-Werkausgabe Herbert W. Franke«, sondern heute nachmittag auch mit einem Gläschen alkoholfreiem Sekt. Herbert, wo auch immer du jetzt bist – wir sind in Gedanken bei dir.

AndroSF – die SF-Werkausgabe Herbert W. Franke

Verschüttgut

Ich bin natürlich nicht perfekt. Ganz sicher nicht. (Auch wenn es mindestens einen Menschen gibt, der mir das unterstellt, und wenn es nur ist, um mich zum Lachen zu bringen.) Und so kommt es immer wieder vor, dass Buchprojekte längere Zeit auf meinem Server liegen, bevor sie dann realisiert werden. Bisweilen kann man sogar behaupten, das eine oder andere Projekt ist praktisch verschütt gegangen.
Der kleine Bildband — in meinem Lieblingsquadratformat 210 x 210 mm und einem Hardcoverumschlag — war so ein Projekt. Durch Zufall entdeckte ich es in seinem Verzeichnis wieder, fragte Marianne Labisch, ob oder ob nicht, und dann war es ratzfatz fertiggestellt. Nun gilt es jedoch zu warten, denn der Schaltungsdienst Lange, meine Haus- und Hofdruckerei, kann sich derzeit über mangelnde Auslastung nicht beklagen, hat zudem nur einen Buchbinder und der auch noch Urlaub … Aber Anfang Juni ist es so weit. Vorbestellungen werden selbstredend bereits entgegengenommen.

Labisch, Marianne, LAND SCHAFFT BILD

Kein Zweifel

Kein Zweifel ist angebracht, wenn es um die Frage geht, ob ich die »SF-Werkausgabe Herbert W. Franke« in meiner p.machinery fortführen werde, nachdem der Autor diese Welt hinter sich gelassen hat. Ich werde es tun. Gemeinsam mit meinen Herausgebern Hans Esselborn und Ulrich Blode, unterstützt von Susanne Päch und verschiedenen Autoren, die Beiträge zu Frankes Themen beisteuern. Der aktuelle Titel ist »Der Atem der Sonne«, eine weitere der Kurzgeschichtensammlungen Frankes. (Und der nächste Band ist in Vorbereitung — eine Sondernummer zum Thema der SF-Hörspiele Herbert W. Frankes.)

Franke, Herbert W., DER ATEM DER SONNE

Pflanzenliebe

Hier vor unserem Haus steht auch eine Hydrangea. Eine zweifarbige. Oder besser: zwei einfarbige. Leider blühen sie nicht gleichzeitig. Und leider hat meine Frau vor, sie kappen zu lassen. Angeblich tut das Pflanzen gut, sie wachsen dann besser. Dass sie dabei scheiße aussehen, bis sie nachgewachsen sind, ist zweitrangig, wie es scheint …
Vielleicht sollte ich meiner Frau den aktuellen Roman einer meiner Lieblingsschriftstellerinnen zu lesen geben. In Gabriele Behrends neuem Werk »Im Schatten der Hydrangea« spielt die Pflanze eine entscheidende Rolle, wenn der Therapeut, beseelt von eigenen und nicht ganz positiv einzustufenden Absichten, versucht, der Patientin, die nach einem gescheiterten Selbstmordversuch im Wachkoma liegt, die Rückkehr in die wirkliche Welt nahezubringen. Ich bin nicht sicher, ob das zur Rettung der Hydrangea vor unserem Haus beitragen kann — in Gabrieles Roman indes gelingt die Rettung letztlich, allerdings ein wenig anders, als man während der anfänglichen Lektüre erwarten mag. Das ist ja auch gut so — und vielleicht wehrt sich unsere Hydrangea ja auch — in Gabrieles Roman tut sie es nicht, muss sie auch nicht, das ist nicht ihre Aufgabe. Und Aufgabe unserer eigenen Hydrangea ist es wohl nicht, sich kappen zu lassen. Behaupte ich.

Behrend, Gabriele, IM SCHATTEN DER HYDRANGEA