Vergleich zweier Entscheidungen

Ich bin ja nun Verleger. Kleinverleger. Ab 2019 wahrscheinlich sogar hauptberuflich. Man wird sehen.
Als Verleger hat man Entscheidungen zu treffen. Alle möglichen. Natürlich und vor allem auch solche, die sich auf den Verkaufserfolg der verlegten Bücher auswirken.

Im Juli 2018 erschien die von Marianne Labisch herausgegebene Anthologie »Inspiration. Die digitalen Welten des Andreas Schwietzke«. Das nicht ganz gewöhnliche Buch im Format 210 x 210 mm enthält Kurzgeschichten, die durch Bilder von Andreas Schwietzke inspiriert wurden. Auch wenn das so kurz geschildert nicht außergewöhnlich wirkt – das Buch IST außergewöhnlich. Vor allem auch außergewöhnlich gut.
Zu dem Buch hatte Marianne ein ausführliches Interview mit Andreas geführt. Dieser Text hätte für ein eigenständiges Paperback ausgereicht.
Und die Frage war, ob das Buch eben eigenständig oder als Anhang im eigentlichen Werk veröffentlicht werden sollte.
Ich entschied, das Interview als Anhang im Buch zu integrieren.
Und die Entscheidung war richtig.

Im September 2018 erschien »Bilder einer Ausstellung«, eine Anthologie der Geschichtenweber, die von Marianne Labisch, Marco Habermann und Gerd Scherm herausgegeben wurde. Ähnlich wie bei der »Inspiration« sind die Bilder eine Kurzgeschichtensammlung mit opulenten Illustrationen. Ausgangspunkt hier war das Werk des Mussorgski auf der musikalischen und das des Wiktor Hartmann auf der bildlichen Seite. Das Buchformat entsprach der »Inspiration«: 210 x 210 mm.
F. A. Peters, einer der Autoren, führte seine Kurzgeschichte aus den »Bildern« in einem Roman fort: »GNOMUS oder Der König, der nicht lachte« erschien als separates Paperback parallel zu den »Bildern einer Ausstellung«.
Die Frage, ob dieser Roman im Anthologieband integriert werden sollte oder nicht, stellte sich nicht. Insofern gab es auch keinen Grund, eine solche Entscheidung zu treffen.
Aus heutiger Sicht möglicherweise ein Fehler.

Beide Veröffentlichungen haben große Ähnlichkeiten. Nicht nur inhaltlich, nicht nur konzeptionell. Von beiden Werken gab es eine strikt auf 22 Exemplare limitierte Hardcoverausgabe; davon waren jeweils nur 15 Exemplare für den Verkauf verfügbar. Und während die »Inspiration« im Hardcoverformat förmlich verdampfte – so schnell kamen die Bestellungen herein –, halten es die »Bilder einer Ausstellung« in der harten Schale mehr mit Gemütlichkeit. Heute, da ich diesen Beitrag schreibe, sind noch vier Exemplare verfügbar.
Interessanter für mich ist jedoch die Erkenntnis, dass der »GNOMUS« »nicht geht«. Schon bei der Frage an die beteiligten Autoren, ob und welche Autorenexemplare sie haben möchten, wobei der »GNOMUS« ausdrücklich mit erwähnt wurde, zeigte sich, dass außer dem Autor F. A. Peters selbst niemand die Fortsetzung seiner »Bilder«-Geschichte haben wollte. Und auch im Verkauf gehen die »Bilder« recht gut, nur eben der »GNOMUS« nicht.
Womit sich für mich im Nachhinein die Frage stellt, ob es nicht doch sinnvoll gewesen wäre, den Roman als Anhang in den eigentlichen Band der »Bilder« zu integrieren.

Im Fall der »Inspiration« war die Entscheidung »pro Integration« jedenfalls völlig richtig. Als eigenständigen Band hätte ich das Interview als Perlen vor die Säue geworfen, und die Wahrscheinlichkeit, dass es gar nicht erst beim »Kunden« angekommen wäre, hätte stark gegen null tendiert. Durch die Integration – und die bislang erschienenen Rezensionen bestätigen das – wird dem Buchkäufer jedoch ein echter Mehrwert geboten, denn das Interview ist inhaltlich ein echtes Highlight der »Inspiration«.
Der »GNOMUS« funktioniert freilich völlig anders. Es ist ein Stück Literatur, nicht mehr, nicht weniger. Eigentlich bietet auch der Roman wesentliche Informationen zum Hauptwerk, den »Bildern einer Ausstellung«. Aber die weiterführende Geschichte der Hauptperson, des Gnomus, ist nicht von essenzieller Bedeutung für das Verständnis der »Bilder« und der dort enthaltenen Gnomus-Geschichte von F. A. Peters.
Das Interview von Marianne mit Andreas Schwietzke in der »Inspiration« ist es eigentlich auch nicht. Aber es erhellt viele Dinge zu Andreas‘ Arbeit, zu seinen Bildern, den Geschichten und Andreas‘ Ansichten zum Zusammenspiel der Geschichten und der Bilder.

Grundsätzlich war die Integrationsentscheidung bei der »Inspiration« also goldrichtig. Jede andere Entscheidung wäre ein Fehler gewesen. Die Entscheidung, den »GNOMUS« nicht in den »Bildern« zu integrieren, ist nur aus verkaufstechnischer, aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Fehler gewesen. Und schade für den Roman, der eben einfach übersehen werden könnte.

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