Bio, paradox

Alle Welt jammert – zu Recht – über Plastikmüll. Überall. In den Meeren. Auf Müllkippen. Alle Welt jammert über das Leid der sogenannten Nutztiere. Rinder vor allem. Schweine. Aber auch Hühner, Ziegen (ja, auch Ziegen werden nicht alle idyllisch auf sattgrünen Wiesen vor Alpenpanoramen gehalten). Alle Welt jammert über Obst und Gemüse, das quer durch die Welt geflogen wird (und dabei oft einen günstigeren ökologischen Fußabdruck hinterlässt als das Obst und Gemüse vom Bauern um die Ecke).
Alle Welt jammert.
Alle Welt will Bio.

Und was bekommt man?
Plastikverpackungen. Biobirnen und Bioäpfel in Plastikkörbchen, umhüllt von Plastikfolie. Für teures Geld. Und man kann das Gemüse und das Obst in solchen Verpackungen nicht mal mehr begutachten. Und so kauft man dann ein Plastikkörbchen, eine Plastikfolienumhüllung und zwei Biobirnen, von denen die eine angematscht und angeschimmelt ist.
Die Matschbirne bekommt der Hund. Dessen V4A-Stahlmagen kann das ab. Den Plastikmüll bekommt der Gelbe Sack – der auch aus Plastik ist – und das landet dann ganz am Ende wieder auf meinem Teller und in meinem Magen. Als Mikroplastik über Fische, über Muscheln, über sogenannte Meeresfrüchte. (Und selbst wenn der Plastikmüll verbrannt wird – die Verbrennung ist nicht rückstandsfrei und verpestet die Luft, forciert einmal mehr den Klimawandel.)

Das Problem ist, dass wir Modemarken brauchen. Heute ist Bio wichtiger als Nichtbio. Rind- und Schweinefleisch ist nicht mehr akzeptabel, es sei denn, ich kannte das Tier persönlich und habe einen seiner letzten Fürze persönlich gerochen. Wenn ich heute einkaufen gehe, kaufe ich gerne Bio. Nicht, weil ich die bedenkliche Marketingpolitik hinter diesem breit angelegten Betrug gut finde, nein; ich kaufe Bio, weil mich meine Frau schräg anschaut, wenn ich ein »Gut & günstig«-Angebot von Edeka in mein Fach im gemeinsamen Kühlschrank lege. Es müssen alle möglichen Produkte aus Ziegen- und Schafsmilch sein, weil Ziegen und Schafe in der Lügenwerbung in der schon idyllischen Alpenalmumgebung gehalten werden, nicht jedoch eingesperrt in viel zu kleinen Ställen. Für die Verwendung von Zitronenschalen müssen es Biozitronen sein, weil meine Frau allen Ernstes glaubt, dass die blendend schön aussehenden knallgelben Zitronen aus exotischen Ländern – Bio! – mit nicht behandelten Schalen in unserem Laden landen.

Ich könnte diese Liste lange weiterführen. Aber das bringt nichts. Denn die Menschen, die heute nicht mehr versuchen, so viel wie möglich Bioprodukte zu erstehen, sind die Menschen, die es sich finanziell nicht leisten können, die bei Aldi, Lidl, Norma und Netto einkaufen müssen, damit sie im Monat über die Runden kommen. Die Biofans, die es sich leisten können, können es sich auch leisten, die Wahrheiten über Bio zu ignorieren.
Natürlich ist nicht alles Betrug. Aber wenn man sich Sendungen wie »Markt« (NDR) oder »Lebensmittel-Check mit Tim Mälzer« (ebenfalls NDR) anschaut, dann wird man feststellen müssen, dass es mehr Betrug gibt, als man denkt – und die Erkenntnis ausgerechnet den Bioprodukteherstellern schadet, die es wirklich ernst meinen.

Ich kaufe jedenfalls keine Biobirnen mehr. Ich gönne meiner Hündin, die, die Obst und Gemüse liebt, als gäbe es morgen keines mehr, ich gönne ihr durchaus eine 1-Euro-Biomatschbirne. Aber der Plastikmüll dazu passt mir nicht. Nicht mehr.

(Heute Morgen kam auf B5aktuell die Meldung, dass irgendwelche weisen Männer in der EU zusammensitzen und eine Liste erstellen, welche Plastikprodukte alle verboten werden sollen. Produkte wie Reinigungsstäbchen, Plastikbecher. Aufgeschäumtes Plastik, wie man es z. B. beim Essen zum Mitnehmen finden kann. Dünne Plastiktüten, in denen man offenes Obst und Gemüse verpacken kann. Und so weiter …
Das bringt nur neue Probleme. Wichtiger wäre es, zu verbieten, beim Angebot von Bioprodukten Plastikverpackungen anzubieten. Das wäre jedenfalls ein verständliches Signal. Verständlicher, als die Bioparanoia, dass man vermeiden müsse, dass die teuren Bioprodukte mit Nichtbioprodukten vermischt oder gar von Letzteren kontaminiert werden könnten.

Ein Letztes noch: Anfang September kam in einer Sendung der Reihe »Einfach genial« ein Bericht über [wirklich] wiederverwendbare Papiertüten. Noch nicht perfekt, noch nicht ausgereift, aber ein guter Weg.)

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