Schwieriges Thema?

Man könnte meinen, die Ausschreibung sei eindeutig genug gewesen. Gesucht wurden Storys um Traumorte – keine Urlaubsorte, sondern Plätze, die man im Traum aufsucht. Aber in der Anfangszeit, so wurde mir berichtet, kamen vor allem auch Storys um Träume, nicht um Traumorte, sondern um Träume – und ich vermute mal ohne nachzufragen, dass es sich vornehmlich um Albtraumszenarien gehandelt haben dürfte. Marianne Labisch, das weibliche Element im eingespielten Herausgeberteam Labisch & Scherm, war anfangs nicht amüsiert über das, was sie da zugeschickt bekam. Aber offensichtlich blieb das nicht so, denn die nun veröffentlichten Geschichten haben die Themenanforderung einwandfrei und punktgenau umgesetzt.

Gerd Scherm hat einmal mehr als Illustrator seine Arbeit abgeliefert, und diesmal hat er etwas getan, das inzwischen in der Szene von vielen – aber nicht nur – Grafikern kritisiert wird und zu ersten Boykottaufrufen geführt hat: Er hat die Möglichkeiten sogenannter »künstlicher Intelligenz« genutzt, um in Bildwerken das umzusetzen, was Autoren in ihren Texten beschrieben haben. Die Angst der Grafiker, die mit traditionellen und modernen handwerklichen Methoden arbeiten, durch sogenannte KIs ihre Jobs zu verlieren, mag nicht unberechtigt scheinen – andererseits kann man die ersten Reaktionen auch als übertrieben bewerten. Ein Gerd Scherm hat immerhin schon reichlich Gelegenheit gehabt, seine Fähigkeiten zu beweisen – und in der Tat ist es keine einfache Knöpfchendrückerei, aus einer Software mit den zu suchenden und zu findenden richtigen Stichworten ein Ergebnis herauszukitzeln, das sich sehen lassen kann, das man gerne anschaut. Gerd Scherm wird sich nicht selbst arbeitslos machen – und er wird auch keinem anderen Grafiker seinen Job wegnehmen. Denn bei dieser Anthologie gab es zu ihm und seinen Bildern schlicht und ergreifend keine Alternative. Nicht, weil er durch seinen KI-Einsatz besser als andere gewesen wäre, sondern ganz einfach: Weil er der Grafiker sein sollte. Wir wollten ihn haben, Marianne und ich – keinen anderen.

Labisch, Marianne & Scherm, Gerd (Hrsg.), JENSEITS DER TRAUMGRENZE

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