Ach, wär doch alles nicht so schwer –

Bernd Walter (Hrsg.)
DAS BLAUE GRAUEN
und andere Kurzgeschichten, XUN-Taschenbuch der Fantastik 04, Freie Redaktion Xun, Heilbronn & Books on Demand, Norderstedt, August 2010, Paperback, 97 Seiten, ISBN 978 3 8423 0009 5

VORBEMERKUNG
Noch einen dritten Band aus der XUN-Schmiede las ich für den DSFP.

WORUM GEHT ES?
Fantastische Kurzgeschichten, wie gehabt. Diesmal erschien mir der erkennbare SF-Anteil höher, aber das kann im Nachhinein auch täuschen.

WIE IST DER STIL?
Wie gehabt. Bemüht, aber meist nicht gut. Wie schon zuvor bei den XUN-Produktionen kritisiert, fehlt es den Werken eindeutig nicht nur an einem Korrektorat – selbst fehlerfreier Unsinn liest sich besser als eine fehlerstrotzende Genialität –, sondern auch an einem Lektorat. Im Großen und Ganzen wäre vielleicht nicht viel zu retten gewesen, aber bei einem aktiven Lektorat würden vielleicht auch ganz andere Geschichten veröffentlicht, nicht einfach – was manchmal so scheint – alles. Aber gerade bei den Storys, die gute Ansätze bieten, ist der fehlende Umgang mit Rechtschreibung, Grammatik und Stil tödlich.

WAS GEFIEL NICHT?
Siehe auch vorher. Und vorher. Das Layout wirkt sich störender aus, je mehr der Produktionen man in die Hand nimmt. Korrektorat und Lektorat fehlen, das ist auf die Dauer immer ärgerlicher.
Mit Ausnahme zweier Geschichten – siehe unter »Was gefiel?« – sind eigentlich alle Storys mehr oder weniger durchgefallen. – Monika Dieck macht mit der Titelgeschichte »Das blaue Grauen« den Anfang; diesmal geht es um das Schreibgerät eines ehedem hochrangigen Nazis, das für Probleme sorgt; eine Horrorstory, die Idee gar nicht mal dumm, die Umsetzung jedoch leider grenzwertig: 4 von 10 Punkten. – W. Berners »Bis der Mensch zerbricht« ist eine fast schon unglaublich vorhersehbare und völlig unglaubwürdige »Ein Mann sieht rot«-Story mit unübersehbarem, aber völlig überflüssigem Splatterschwerpunkt: 2 von 10 Punkten. – Kai G. Kleins »Ultravioletter Heiland« ist eine esoterische und weitgehend unverständliche Überflüssigkeit; es gibt noch 3 von 10 Punkten wegen eines erkennbar ordentlichen Stils. – Jerk Goetterwinds (das ist doch ein Pseudonym, oder?) »Die Expedition nach Chimborazo« birgt einen bekannten Plot: ein Autor schreibt sich die Realität. Alles in allem Mittelmaß, also 5 von 10 Punkten. Der Titel jedoch ist wohl eher legasthenisch beeinflusst: Der Chimborazo ist ein Berg, also sollte es »Die Expedition zum Chimborazo« oder »Die Expedition auf den Chimborazo« heißen; es heißt ja auch nicht »die Fahrt nach Zugspitze«. – Silvia Brückners »Der Kuss des Schnee-Elfs« ist eine Aschenbrödel-Variante mit Horrorelementen, jedenfalls eindeutig Fantasy und unzweifelhaft maximal 4 von 10 Punkten. Warum eigentlich »Schnee-Elf« und nicht »Schneeelf«? Feiglinge! – Marius Kuhle behauptet in »Tränen im Regen«, dass der zwangsläufige Umzug aus der Traumstadt Astromopolis in die Hölle Freedomtown nicht unbedingt negativ sein muss. Naja, SF ist es schon, aber ein eher kläglicher Prolog zu einem ansonsten verzichtbaren Roman. 3 von 10 Punkten (mit zwei zusammengekniffenen Augen). – Andre Schuchardts »Im anderen Land« wirkt wie eine Alice-in-Wonderland-Variante, verpackt als halbgare Lovestory, die leider nichts ist: nicht durchdacht, nicht ausgereift, nicht sehr gut: 3 von 10 Punkten (und da kneift’s auch an den Augen).

WAS GEFIEL?
Zwei Geschichten ragten heraus. Michael Elfleins »Ayumi« würde sich zwar allenfalls als Prolog zu einem Roman eignen; auf den wäre ich dann aber durchaus gespannt. Die gute Grundidee wurde in einem ordentlichen Stil und flüssiger Schreibe verarbeitet – da könnte man was draus machen. Nicht übel, also 8 von 10 Punkten. – Die Top-Story ist Werner Hermanns »Das Ministerium« ein schönes Stück in dystopischer Tradition von »1984«, »Brazil« u. a., gepaart mit mentalen Fluchtelementen. Ein kleines Juwel mit stilistischen Schwächen, aber großem Potenzial: 9 von 10 Punkten.

EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?
Um Gottes willen, nein.

ZU EMPFEHLEN?
Ja, trotz allem. Denn es ist erkennbar, dass nicht auszuschließen ist, dass man hier möglicherweise auch mal einen Autoren findet, mit dem man sich näher auseinandersetzen sollte. Dazu zählen in diesem Band die Herren Elflein und Hermann. Natürlich liegt XUN bei aller Liebe immer noch auf Fanzineniveau, im Amateurbereich, aber wir alle wissen, dass auch die Damen und Herren, die heute mit ihrer Schreiberei einen Haufen Geld verdienen, mal klein angefangen haben. Und für mich als Kleinverleger ist so eine Quelle möglicher Zukunftskandidaten nicht immer leicht zu goutieren, aber mitunter doch interessant.

NOCH WAS?
Nachdem ich Bernds Herausgaben jetzt drei Mal hintereinander verrissen habe – wie man vielleicht annehmen möchte –, werde ich mich mal mit ihm bzgl. evtl. Lösungsmöglichkeiten der Problematiken ins Benehmen setzen. Vielleicht kommt ja was dabei heraus.

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