Achim Havemann (Hrsg.)
PHANTASTISCH! 37–40
Verlag Achim Havemann, 2010, Magazinformat mit Rückenstich, je 68 Seiten, ISSN 1616-8437
VORBEMERKUNG
Als Angehöriger des Literaturpreiskomitees des Deutschen Science-Fiction-Preises bin ich gehalten, mich an der Komiteearbeit zu beteiligen. Das mache ich für den DSFP 2010 das erste Mal wieder einigermaßen gezielt und mit Absicht. Im Rahmen dieser Arbeit gab es die Gelegenheit, die in »phantastisch!« erscheinenden üblicherweise zwei Kurzgeschichten zu lesen.
WORUM GEHT ES?
Es geht im Folgenden ausschließlich um die Kurzgeschichten. Den Rest der vier 2010 erschienenen Ausgaben »phantastisch!« habe ich durchgeblättert, grob überflogen, jedoch nicht gelesen.
Man hat ja manchmal Lieblingsautoren, die das Potenzial in sich tragen, einen ein wenig kirre zu machen. Matthias Falke ist so ein Autor für mich. Seine Story »Das Sanduhrzimmer« erzeugte nach der Lektüre spontan die Assoziation mit einem »bewegten Stillleben« in mir: Zwei Menschen finden in einer Bibliothek neben vielen Büchern auch jede Menge Uhren aller Art, darunter auch Sanduhren. Die Zeit scheint sprichwörtlich stillzustehen. Nichts scheint mehr zu leben. Alles vergeht, alles ist vergangen – das Reich der Toten? – Am Ende der Geschichte läuft die Zeit wieder, aber die Frau ist verschwunden. – Es wurde mir nicht klar, was die Geschichte wirklich als Aussage zu mir transportieren wollte. Sie ist sehr schön, sehr routiniert, mit typisch Falkescher Wortwahl und ebensolcher Bildmacht geschrieben, aber sie ist mir inhaltlich ein Rätsel geblieben. Deshalb nur 6 von 10 Punkten.
Die zweite Story ist Frank Hoeses »Konvertiten«: Vampire haben religiöse Techniken entdeckt, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Aber da gibt es noch Konkurrenz, die so was nicht gerne sieht. – Kurz, knackig, spritzig geschrieben, ordentlich Speed in der Erzählweise, witziger Plot, kurz: Geile Geschichte, aber leider keine Science Fiction. Von mir trotzdem 10 von 10 Punkten.
Frank Hebben liefert mit »Das schweigende Haus« eine weitere Geschichte um ein Haus, wieder einmal eine, die in viktorianischer Zeit spielt, die zwar gefällig und angemessen geschrieben ist, aber oberflächlich bleibt und ein wenig bemerkenswertes Ende hat. 4 von 10 Punkten.
Michael & Johannes Tosin haben sich an »Die Stimme« versucht und beschreiben ein Leben mit einer fremden Stimme im Kopf, natürlich der einer Frau im Kopf eines Mannes. Die Erklärung am Ende ist so vorhersehbar wie langweilig, und nicht mal als Exposé würde die Geschichte taugen, weil einen solchen Roman niemand wirklich lesen möchte. 2 von 10 Punkten.
Michael Johann Bauers »Der Worthauer« ist halbkleistsches Gebrabbel über – ja, über was? Ich habe keine Ahnung, und ehrlich gesagt, reicht mir das auch. Es geht um Worte, Bidler, deren Entstehung und Zusammenhang, um Freiheit und um ein Lebewesen, das man nicht identifizieren kann; bisweilen erinnerte es, das Lebewesen, mich an eine Ratte. 2 von 10 Punkten.
Sven Klöppings »Die Invasion der Sprachen« kannte ich aus seinem in meinem Verlag erschienenen »Menschgrenzen« (AndroSF 10). Der scheinbare Verlust der Sprache(n) kann auch was anderes sein. Eine schnelle, witzige Story, mal was anderes – wenn auch am Ende nur eine Pointenstory. Trotzdem 7 von 10 Punkten.
Monika Weihers »San Marcos Pool« wirkt zunächst ein wenig merkwürdig, das gibt sich aber. Die Geschichte der Entstehung einer endemischen Molchart – und des Erzählers der Geschichte – ist ein Märchen oder Fantasy oder beides. Auch wenn der Gag vorhersehbar ist, ist die Geschichte dem Genre entsprechend gefällig geschrieben. 8 von 10 Punkten.
Arno Endler macht in de4m Jahr mit seinem »Solarboys« den Abschluss. Die Arbeit in einem Heliostaten-Kraftwerk ist nicht ungefährlich, insbesondere für die titelgebenden Solarboys, die die Sonnenspiegel reinigen – und die Arbeit ist doppelt gefährlich, wenn ein Computer Fehler macht. – Für meinen Geschmack eine überraschend schwache Endler-Story, nett, aber nicht wirklich ausgereift, daher nur 6 von 10 Punkten.
WIE IST DER STIL?
Das habe ich oben jeweils bei den Geschichten vermerkt. Insgesamt lagen die Storys des 2010er »phantastisch!«-Jahrgangs erkennbar abgegrenzt zwischen den Storys in den zuletzt gelesenen XUN-Werken (siehe 03.01. und 04.01.2011) und »Nova 16« (siehe 05.01.2011), mit einer ebenso erkennbaren Tendenz nach oben. Aber begeistert war ich nicht, außer von Hoeses »Konvertiten«.
WAS GEFIEL NICHT?
»Die Stimme« und »Der Worthauer«, siehe oben; die beiden waren richtig schlecht.
WAS GEFIEL?
Ansonsten ist positiv zu bemerken, dass die Geschichten in »phantastisch!« ordentlich durchkorrigiert und ebenso ordentlich layoutet sind, was von »professionellem Tun deinerseits, Fred!« :) zeugt.
EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?
Nein. Nicht nur aus reiner Faulheit. Es gab eigentlich keine zitatwürdigen Passagen, und würde ich aus Hoeses »Konvertiten« zitieren, würde ich vielleicht zu viel verraten.
ZU EMPFEHLEN?
Da ich nur die Storys betrachten wollte, stellt sich diese Frage nicht wirklich. »phantastisch!« ist insgesamt und eigentlich wohl eher aufgrund seiner Artikel über eine solche Frage erhaben.
NOCH WAS?
Nee. Heut nicht.