Über die Auswirkungen der Unfähigkeit, das Richtige zu tun

Im Grundgesetz gibt es ein Zitiergebot. Das ist hier kein Thema, das mit Urheberrecht und dem richtigen Zitieren in ansonsten abgekupferten Doktorarbeiten zu tun hat. Im § 19 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes geht es um das Zitiergebot in Gesetzen, wenn diese ein Grundrecht aus dem Grundgesetz einschränken. In dem einschränkenden Gesetz muss das eingeschränkte Grundrecht zitiert werden. Vollständig.

2020 gab es eine Reform der Straßenverkehrsordnung (StVO). Diverse Vorschriften und deren Auswirkungen wurden verschärft, und die Idee als solche war sicherlich sinnvoll. Schlampig jedoch war die Ausführung, denn Andreas B. Scheuer (das B. steht für Bundesminister) und seine Mannen hatten offensichtlich keine Ahnung, was im Grundgesetz steht. Jedenfalls fand sich in der 2020er StVO-Novelle an keiner Stelle ein vorgeschriebenes, vollständiges Zitat der Grundgesetzelemente, die die StVO-Novelle einschränkte.

Folge: Alles ungültig. Neben der Suche nach einem Schuldigen – sitzt der nicht mehr auf dem Chefsessel? – wird nun auch wegen der rechtswidrigen Bußgelder diskutiert und – wie in Deutschland üblich – gestritten.

Und nicht nur das. Leute, die genau hingeschaut haben – die hätte es vorher gebraucht – haben festgestellt, dass aus gleichem Grund auch die Reform von 2009 und damit alle nachfolgenden Neufassungen unwirksam sind.

Was zur Folge hätte, dass wir uns heute im Straßenverkehr mit den Vorschriften der StVO von 1970 bewegen. Mit dem Handy zu telefonieren ist erlaubt, E-Scooter sind verboten (einer der wenigen positiven Punkte an diesem Problem). Kinder müssen nicht mehr angeschnallt werden – und selbst für Erwachsene gab es keine Anschnallpflicht (die kam erst 1976), nicht mal eine Ausrüstpflicht der Fahrzeuge (die kam für die Vordersitze erst für Erstzulassungen ab 01.01.1974; ab Erstzulassung 01.05.1979 waren dann alle Sitze auszurüsten). Und es gibt ganz sicher noch mehr. Ich denke da an Alkohol am Steuer. Drogenkonsum im Straßenverkehr. Und sicher noch sehr viel mehr.

1970 also. Fein. Und warum? Wenn ich feststelle, dass ich in einem Text einen Bock eingebaut habe, öffne ich das Dokument, korrigiere den Fehler, speichere neu ab und maile ihn neu, falls das so sein soll. Im Verkehrsministerium unserer Republik schafft man das offensichtlich nicht. In der Zeit, in der man über Schuld und Sühne diskutiert hat, hätte man das Gesetz längst korrigieren und neu zur Entscheidung vorlegen können, und diese hätte längst getroffen werden können.

Aber stattdessen dürfen wir unsere Schlaghosen vom Dachboden holen, die Haare und die Koteletten wachsen lassen und uns auf das nächste Album von Deep Purple freuen – 1972 kam das sensationelle »Made in Japan« heraus. Wenn ich damals glücklich gewesen wäre, 11 Jahre alt zu sein, wenn ich die Musik damals toll gefunden hätte (Deep Purple ausgenommen) und wenn ich schon mehr im Kopf gehabt hätte als Erdkunde und Legobausteine, dann würde ich die Idee vielleicht knuffig finden. So aber …

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