Heribert Schwan, Tilman Jens
VERMÄCHTNIS
Die Kohl-Protokolle
Wilhelm Heyne Verlag, München, 2014, Hardcover mit Schutzumschlag, 256 Seiten, ISBN 978 3 453 20077 7
VORBEMERKUNG
Ich war, bin und werde nie ein Helmut-Kohl-Fan sein. Und dennoch fasziniert mich diese Person, diese Figur deutscher Politik. In meinem RUB (Regal ungelesener Bücher) steht noch die fette und alles andere als leichtgewichtige Kohl-Biografie von Hans-Peter Schwarz, deren Lektüre ich nach dem ersten großen Kapitel ausgesetzt habe.
Ich bin Jahrgang 1959, und Helmut Kohl ist im Grunde der große deutsche Politiker, der meine demokratische Bewusstwerdung vielleicht nicht nur begleitete, sondern auch bedingte. Ich weiß es nicht. Wie auch immer man es betrachten mag: Helmut Kohl hat viel für Deutschland getan. Nicht nur Positives. Er hat auch Fehler gemacht. Aber Helmut Kohl ist ohne Deutschland ebenso wenig zu verstehen, wie Deutschland heute ohne Helmut Kohl.
Dass ich dieses Buch gekauft und gelesen habe, hatte auch damit zu tun, dass Kohls Gattin mittels eines Gerichtsurteils erwirkte, dass das Buch nicht länger veröffentlicht werden dürfte. Die bereits auf dem Markt befindlichen Bestände freilich durften noch verkauft werden, ein Umstand, den ich für mich nutzte.
Und im Nachhinein kann ich schon vorab sagen: Es hat sich für mich gelohnt, diesem gerichtsverbotsbedingten Hype zu folgen.
WORUM GEHT ES?
Es geht einerseits um die Interviews, die Helmut Kohl über mehrere Jahre mit Heribert Schwan führte, um seine Autobiografie in mehreren Teilen zu ermöglichen.
Es geht andererseits um die Machenschaften, die dazu geführt haben, dass diese Veröffentlichung wohl die letzte in dieser Form sein wird, die der deutschen und internationalen Öffentlichkeit verfügbar sein wird.
Und hauptsächlich aber geht es um das, was das ganze deutsche Volk, das weiland auch die SPIEGEL-Ausgabe mit Auszügen aus Kohls Aussagen wie bekloppt kaufte (man munkelt, es war eine der auflagenstärksten Ausgaben des SPIEGELs), am meisten interessierte, interessiert und interessieren wird: was der Altkanzler über seine Freunde, die echten und vermeintlichen, seine Feinde, die echten und vermeintlichen, und wen sonst auch immer zu lästern hatte.
WAS GEFIEL?
Das Buch war gut geschrieben. Im Gegensatz zur Schwarzschen Biografie, die ich noch nicht durch habe, handelt es sich bei diesem Buch beinahe um leichte Kost, ohne dass dies negativ gemeint sein soll. Es geht mir eher darum, darzustellen, dass man dergleichen Themen auch angenehm, publikumswirksam gestalten kann, ohne sich auf RTL- oder SAT1-Niveau herunterbegeben zu müssen. Das jedenfalls ist gelungen.
Gefallen hat mir auch, dass die Autoren nicht versucht haben, Kohl zu einem Heiligen zu stilisieren. Andererseits haben sie auch nicht versucht, ihn zu demontieren. Vielmehr beleuchten sie in allem, was er in den Interviewstunden mit Schwan sagte, die Ambivalenz im Menschen Kohl, der eben nicht nur der große deutsche Politiker, der Kanzler der Einheit war und ist, sondern auch ein Mensch wie du und ich, der unter Zurücksetzungen litt, wie wir dies tun, der sich missverstanden und falsch behandelt fühlte, wie wir dies tun, der sich gerade im Grunde viel weniger von uns unterscheidet, als dies andere deutsche Politiker zu tun scheinen.
Schwan und Jens ist es in diesem Buch, in dem es ja eigentlich um Kohl und seine Weltsicht ging und geht, bestens gelungen, mir als Leser einen Altkanzler zu vermitteln, der mir sehr viel sympathischer ist, als er mir jemals zu seinen aktiven Zeiten erschienen ist. Ich bin nach diesem Buch immer noch kein Helmut-Kohl-Fan, aber ich bin ein zufriedener Leser, der etwas über einen Politiker erfahren hat, der die eigene politische Menschwerdung begleitete, was er vorher nicht wusste.
WAS GEFIEL NICHT?
Wenig. Ein wenig unklar erscheint mir im Nachhinein die Trennung zwischen den Autoren Schwan und Jens in diesem Buch, andererseits ist das aber auch nicht von großer Bedeutung, will meinen: Wäre klarer, wer der beiden Autoren welchen Teil des Buches verfasst hat, würde dies an der Wirkung des Buches nichts ändern. Dennoch – es wäre schön gewesen, wäre es klarer.
ZITAT GEFÄLLIG?
Natürlich. Wenn auch diese Zitate nicht wirklich repräsentativ sind:
Irgendwann – ich denke, es war im Herbst 2003 – klingelte mein Handy. Damit nahm die Tragödie ihren Lauf. Kohl bat mich, am nächsten Tag eine promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin in die Durchsicht der Autobiographie einzubinden. Ich akzeptierte gerne. Wir konnten schließlich jede Unterstützung brauchen, gerade in Fragen der Weltökonomie. Am nächsten Morgen stellte er sie mir vor: Maike Richter. Die beiden kannten sich, seit sie von 1994 bis 1998 Beamtin im Bundeskanzleramt war. Eine nicht unattraktive Frau aus dem Siegerland, Jahrgang 1964, die schon als Schülerin der Jungen Union angehört hatte. Sie kannte sich im Bungalow des Witwers augenscheinlich aus und machte keinen Hehl daraus, dass sie dem Hausherrn in besonderer Weise zugetan war. Während wir arbeiteten, kraulte sie dem Altkanzler immer wieder das schütter gewordene Haupthaar. Gelegentlich allerdings befasste sie sich auch mit dem Manuskript und hakte ebenso urplötzlich wie ahnungslos ein. Eugen Gerstenmaier, der schreibe sich doch mit »ei«; ich bestritt dies entschieden. Sie aber beharrte auf ihrem Irrtum. Und der vernarrte Riese schaute, um Rat flehend, hinüber zu seinen Ikonen. Sie aber wollte sich in Szene setzen.
(Seite 51)
Im Oggersheimer Keller saß mir ein Mann gegenüber, der nahezu allen Klischees, die über ihn im Umlauf sind, zu widersprechen schien. Das war nicht »Birne«, nicht jener Tor, der im Gespräch mit Walter Kempowski, mit Verlaub, »dumm Tüch«, dummes Zeug, über die schönen Künste von sich gab, sondern ein gebildeter Zeitgenosse mit geradezu atemberaubendem Wissen auf dem Feld der Geschichte. Ein Dauerleser, der kaum Schlaf brauchte und der keineswegs nur historische Schwarten verschlang: »Ich hatte eigentlich immer ein großes Interesse an Büchern, was bis zum heutigen Tag geblieben ist«, sagt er am 11. März 2002, »ich lese die Buchbesprechungen, schneide sie aus und lasse die Bücher bestellen. Im Moment lese ich die Biographie von Maxie Wander.«
Alles hätte ich ihm zugetraut, aber nicht die Lektüre der Lebensbeschreibung dieser Schriftstellerin aus der DDR, einer Ikone der gesamtdeutschen Frauenliteratur, die im November 1977 in Kleinmachnow elend früh an einer Krebserkrankung starb. Maxie Wanders lebenshungrige, lakonisch genauen Tagebuchaufzeichnungen und Briefe aus der Zeit des beharrlich nahenden Todes waren Kult in der untergegangenen Ostrepublik – und im Westen nicht minder. Den zum Witwer gewordenen Helmut Kohl hat die Geschichte dieser Frau ganz ungemein beschäftigt. Und wer hätte gedacht, dass zu den ihm wichtigsten Büchern auch Sartres Frühwerk und Eugen Kogons Anatomie des Holocaust-Systems, »Der SS-Staat«, zählte?
(Seite 225)
ZU EMPFEHLEN?
Für politisch interessierte Deutsche: auf jeden Fall. Für Deutsche, die in den Jahren der Regierungen Kohl politisch bewusst und groß geworden sind: auf jeden Fall. Für beinharte und uneinsichtige Helmut-Kohl-Fans eher weniger, denn dafür ist das Buch mit dem Altkanzler doch zu kritisch umgegangen, denke ich.
Auf jeden Fall empfehlenswert ist das Buch auch für solche Leser, die auf der Suche nach unterhaltsamer Lektüre über deutsche Nachkriegspolitik sind.
NOCH WAS?
Nur so viel: Ich sammle keine Bücher, schon lange nicht mehr. Aber dieses Buch werde ich behalten. Bis auf Weiteres.
Und: Ich wünsche Frau Kohl-Richter für ihr schändliches Verhalten dem deutschen Volk und ihrem grundsätzlichen eigenen historischen Auftrag dem deutschen Volke gegenüber alles Schlechte dieser Welt. Der Herrgott möge eines Tages sein Urteil über diese kleingeistige Kreatur fällen und sie möglichst in die Hölle verbannen. Was sich diese Frau herausnahm, herausnimmt und wohl ziemlich sicher auch zukünftig herausnehmen wird, ist einem demokratischen Geist im sogenannten Westen der Welt nicht nur nicht würdig, sondern ohne Umschweife zu verurteilen. Da ich weiß, dass diese »Dame« über Anwälte verfügt, die vor nichts zurückschrecken, werde ich mir das »Fick dich, Schlampe!« für jemand anderen aufheben. Ich habe da schon eine SPD-Politikerin mit dem Vornamen Andrea im Auge.