Geliebte Schramme

Maren Frank
LIEBE IN SCHOTTLAND
édition el!es, 2010, Taschenbuch, 224 Seiten, ISBN 978 3 932499 92 0

Ja, ich gebe es zu. Ich entwickle mich zu einem Fan. Nicht unbedingt von solcher Literatur. Aber von Maren Frank und ihrem Schreibstil.

Nathalie ist Studentin und jobbt nebenher, zuletzt auf dem Archäologie-Sektor. Der Sohn ihres Chefs ist allerdings ein rechtes Arschloch – und da ja manche Männer richtig geschickt sind, wenn es darum geht, eine Frau ins Bett zu kriegen, verliert Nathalie ihren Job. Was letztlich nicht so tragisch ist – sie steht sowieso nicht auf Männer, ganz im Gegenteil.
Auf einer Party begegnet sie Eileen, kurz nur, aber hinreichend langt, dass es bei ihr ordentlich funkt. Nathalies WG-Mitbewohner Tim – stockschwul würde man den nennen – und Patrick – ein Normalo :) – kümmern sich eifrig um die Arbeitslose, und so dauert es nicht lange, bis Nathalie einen neuen Job hat.
Bei Eileen …
Die widmet sich ganz seltsamen Forschungsprojekten, und gemeinsam reisen Eileen und Nathalie nach Schottland – um im Loch Ness zu tauchen und überhaupt Fotobeweise für Nessies Existenz zu liefern. Dabei zeigt sich, dass Eileen auch ganz angetan von ihrer neuen Assistentin ist, und der Rest fügt sich, wie sich der Rest in so einem Roman zu fügen hat.

Der Grund für die Schottlandreise ist so verdreht wie unwichtig; der Roman würde genauso gut funktionieren, wenn die beiden Damen sich entschieden hätten, eine Trinktour für einen repräsentativen Test in Schottland ausgeschenkter Biersorten zu unternehmen. Und selbst Schottland spielt nicht die wirklich wichtige Rolle.
Abgesehen von nett gezeichneten Charakteren auf der oberen Ebene konzentriert sich die Handlung auf zwei wesentliche Aspekte.
Der eine ist Sex bzw. die Beschreibung desselben. Wer vorher nie so einen Roman – über die Liebe zwischen zwei Frauen und die zugehörigen Praktiken – gelesen hat, ist nach diesem Werk bestens im Bilde, was Frauen am Sex im Allgemeinen und zwischen Frauen im Besonderen mögen dürften. Dass Männer angesichts solcher Möglichkeiten letztlich nur den Kürzeren ziehen können, ist andererseits kein Grund, den Schwanz … äh, den Kopf hängen zu lassen. Ein paar Frauen soll es ja noch geben, die auch auf Männer abfahren.
Die Beschreibungen sind typisch Maren Frank, wenn ich das so formulieren darf – immerhin war dies erst ihr drittes Werk, das ich lesen durfte. Aber wie schon in »Bei dir fand ich das Paradies« https://www.beckinsale.de/archive/38 und in »Geliebte Verdächtige« https://www.beckinsale.de/archive/70 schreibt Maren flüssig und hinreichend exakt, um die Fantasie anzuregen, jedoch auch hinreichend verbildert, um nicht mit irgendeiner amtlichen Stelle Probleme zu bekommen. Ihre Bilder sind angenehm, anregend und entspannend zugleich, die Wortwahl kann am besten als »gefühlvoll« bezeichnet werden: Da ist keine Grobheit, nichts Vulgäres, nichts Abstoßendes. Manch einer mag sich vielleicht die Frage stellen wollen, was das Ganze überhaupt soll – aber ich halte die Frage für nicht wirklich zulässig, denn wenn es danach ginge … Wenn man jedenfalls das beschreiben möchte, was Frauen im Überschwange der Gefühle so miteinander anstellen, dann sollte man es durchaus so tun, wie Maren das macht.
Der zweite Aspekt, auf den sich die Handlung konzentriert, ist die Pflege von Klischees. Und ja, das ist auch der Punkt an diesem Roman, der mich ehrlich gesagt nicht überraschte – nicht, weil ich damit rechnete, sondern weil ich es befürchtete –, der mir ebenso ehrlich gesagt aber auch nicht gefiel. Klischees.
Klischees sind schön und gut, wenn sie nicht wie in diesem Falle einen wesentlichen Aspekt der Handlung ausmachen. Da finden sich also zwei Frauen, die feststellen, dass sie aufeinander abfahren, schließlich sogar, dass sie sich ineinander verliebt haben und nicht nur das: dass sie einander lieben. Und dann taucht Eileens alte Liebe, die im südamerikanischen Dschungel verschollen war, nach zwei Jahren wieder auf, und Eileen lässt alles fallen, stehen und liegen und eilt zu ihr. Und Nathalie bleibt zurück und hat wirklich nichts Besseres zu tun, als genauso dämlich zu reagieren, wie alle Weibsbilder in allen einschlägigen Schmonzetten in Film und Fernsehen reagieren, nämlich damit, die schlimmstmöglichen Vermutungen anzustellen, was jetzt alles den Bach runter gegangen ist, wie endgültig ihr Leben zu Ende ist, in wie vielen Ewigkeiten sie Eileen garantiert nicht mehr wiedersehen wird, usw. usf. Und sorry – das ist an Dämlichkeit nicht zu überbieten. Und es hilft auch nicht, dass am Ende – dann sogar überraschend schnell – alles wieder gut wird, jedenfalls für die Protagonistinnen. Denn eigentlich wird es nicht gut – für den Leser.
Es mag in manchen TV-Produktionen als zulässiges Hilfsmittel gelten, um ein Drehbuch zu einem bestimmten Punkt zu bringen. Dass das heutzutage aber in praktisch allen Beziehungsstückchen passiert, deren Handlung nicht wie Filme vom Typ der »Keinohrhasen« mit ganz anderen Dingen ihren Weg zum Handlungshöhepunkt suchen, das langweilt. Und dann auch noch in einem Buch. In noch einem Buch. Es wäre mal ein wirklicher Gag gewesen, wenn das hier anders gelaufen wäre, und es hätte dem Roman allgemein und en detail bestens zu Gesicht gestanden, es hätte ihm richtig gut getan.

So bleibt am Ende ein stilistisch gut zu lesender Roman voll wissenswerter Dinge über die Liebe zwischen zwei Frauen übrig, der leider eine nicht wieder gut zu machende Schramme abbekommen hat. Lesen kann man es trotzdem, ohne Frage.

Zur handwerklichen Seite des Buches: Das Cover ist, obwohl vom Feeling her ein Standardumschlag für ein Taschenbuch, überraschend empfindlich; selbst mir als Buchbestzustandserhaltungsparanoiker ist es nicht gelungen, keine Lesespuren zu hinterlassen. Die Schrifttype ist mir persönlich ein wenig zu unklar, zu mager – was auch am Druck liegen könnte –, ansonsten ist das Layout ordentlich gemacht. Eine zusätzliche Korrekturlesung hätte das Stück vertragen können; an einigen Stellen sind die Tippfehler ziemlich hart.
Ach, und zu erwähnen wäre vielleicht noch, dass Maren mit dem Werk den »Lesbischen Literaturpreis 2009« von el!es gewonnen hat. Immerhin –

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