Kein Paradies beim Lesen

Martin Burckhardt
SCORE
Wir schaffen das Paradies auf Erden
Albrecht Knaus Verlag, München, 2015, E-Book, ISBN 978 3 641 15640 4

VORBEMERKUNG
Mission »DSFP 2016«, 2. Akt. Trotz des Titels – so viel kann ich vorweg verraten – soll das hier kein vollständiger Verriss werden.

WORUM GEHT ES?
Das sagt die Info auf der Verlagsseite: »Wir schaffen das Paradies auf Erden
In einer nicht allzu fernen Zukunft: Regierungen sind abgeschafft, Geld, Gewalt, Krankheiten, Umweltverschmutzung, Ungerechtigkeit ebenso. Nollet heißt das Unternehmen, das Glück für alle garantiert. Aber noch gibt es die ›Zone‹, wo ein erbarmungsloser Überlebenskampf tobt. Zwischen Utopie und Dystopie entwirft Martin Burckhardt mit dieser fundierten ›Social Fantasy‹ eine Gesellschaft, die uns viel näher ist, als wir denken.«
So weit, so gut.

Erster Unsinn in der Verlagsinfo ist die Aussage, »Score ist ein Thriller mit rasantem Tempo, wie geschaffen für eine Verfilmung« (hr2, »Kulturfrühstück«, Bianca Schwarz [22.04.2015]). Die jedenfalls zeugt davon, dass Frau Schwarz entweder das Buch nicht gelesen oder keine Ahnung von guten SF-Filmen hat – oder beides.
Und auch der Infotext zum Buch trifft es so nicht richtig, denn der Eindruck, es ging hier um den »erbarmungslosen Überlebenskampf in der ›Zone‹«, ist falsch. Vielmehr geht es, wenn man es genau nimmt, um den Überlebenskampf Nollets im ECO-System, der Zone, in der Nollet das Sagen hat. Denn auch in diesem ECO-System gibt es Menschen, die einiges anders machen möchten, als die Menschen an der Konzernspitze. Und die sind auch nicht sonderlich zimperlich bei der Auswahl der Mittel, ihre Ziele zu erreichen.

WAS GEFIEL?
Der Schreibstil des Autors ist gut, wenn auch nicht makellos. Es gibt eine ganze Reihe Textstellen, die ich mir gespart hätte. Bisweilen ergötzt sich Burckhardt ein wenig zu sehr an den Beschreibungen der Systeme – ECO wie Zone –, zu sehr an der Ausgestaltung seiner Hauptfigur Damian, und demgegenüber fehlen einem an anderer Stelle die feinen Striche, die aus einer Skizze ein Gesicht, einen vorstellbaren Menschen machen. Es sind, wie angedeutet, nur Makel; man kann Burckhardt nicht vorwerfen, er hätte völlig versagt; eher noch sollte man vielleicht den Lektor böse anschauen, dass ihm solche Unsauberkeiten nicht aufgefallen sind. Sie sind indes verkraftbar.
Die Figurenschilderung ist in den Fällen – Damian als Hauptfigur vorneweg – hinreichend und durchaus fundiert. Stellenweise sind die Figuren – oder auch nur die Handlung? … nein, ich glaube, es sind die Figuren – zu leicht zu durchschauen, vor allem, wenn es darum geht, herauszufinden, wer zu welcher Fraktion gehört. Mir war relativ frühzeitig klar, dass ausgerechnet eine der Personen, denen Damian besonderes Vertrauen entgegenbringt, zu den Verschwörern gehört, die das Schicksal des obersten Ideenträgers des Konzerns besiegeln würden.

WAS GEFIEL NICHT?
Die beiden Hauptkritikpunkte finden sich eigentlich schon in der Rubrik dessen, was mir gefiel. Insgesamt hat der Roman nicht wirklich nicht gefallen, aber mein letztliches Urteil ist zwiegespalten.

ZU EMPFEHLEN?
Ich bin unentschlossen. Die Lektüre kann nicht schaden, so viel ist sicher. Ob man seine Zeit mit dem Werk bis zum Ende zubringen möchte, sollte man während der Lektüre entscheiden.

NOCH WAS?
Der Plot weist Ähnlichkeiten zu Hillenbrands »Drohnenland« auf. Ähnlichkeiten, mehr nicht. Die Gesellschaften der beiden Romane ähneln sich. Die Unterschiede ergeben sich aber schon daraus, dass bei Hillenbrand die Überwachung wirklich der Überwachung der Bürger dient, während sie bei Burckhardt eher die sprichwörtlich spielerische Gestaltung der ECO-Gesellschaft unterstützen soll. Bei Hillenbrand sind nicht nur die Möglichkeiten der Überwachung ein starkes Element, sondern auch deren Missbrauch; bei Burckhardt handelt es sich eher um einen Aspekt im Hintergrund, der dem Leser die gesellschaftliche Grundstimmung übermitteln soll.

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