Mary Stanton
ANWÄLTIN DER ENGEL
Die überirdischen Fälle der Bree Winston 2
Piper, 2010, Taschenbuch, 396 Seiten, ISBN 978 3 492 26724 3
VORBEMERKUNG
Dieser Roman ist keine Fantasy.
WORUM GEHT ES?
Bree Winston ist Anwältin. Ihre Kanzlei liegt in einer Straße, die niemand findet – er sei denn, er ist ein Geist. Dort arbeiten unter anderem zwei Engel. Im vorliegenden Buch hat Bree mit zwei Fällen zu tun. Einerseits mit einer Jugendlichen, die aus unerfindlichen Gründen einer Pfadfinderin die Einnahmen aus Keksverkäufen gestohlen hat; andererseits mit einem Geist, der richtiggestellt haben wollte, dass er nicht in seinem Auto durch einen Unfall oder Selbstmord starb, und indirekt korrigiert sehen mochte, dass er im neunten Kreis der Hölle nichts zu suchen hatte. Ein Fall, glasklar wie Kloßbrühe, oder auch nicht. Am Ende sind beide Threads ordentlich und akkurat zu Ende geführt.
WIE IST DER STIL?
Toll. Ich liebe diese Schreibe. Das ist direktes, schnörkelloses Schreiben von Handlung und Tatsachen. Das ist eine nicht Handlung, die nicht unkomplex ist, die aber auch nicht auf Teufel komm raus verklausuliert zelebriert wird, bis keiner mehr weiß, wo eigentlich seine …, naja, ihr ahnt es. Dieser Roman geht ab. Ich kenne das Original nicht, aber die Übersetzung liest sich aus einem Schliff, ohne Grate, ohne Unreinheiten, schön glatt, durchgehend, abgehend.
WAS GEFIEL NICHT?
Das aufgesetzte Engelding. Der Roman erschien bei PiperFantasy, und damit das so sein durfte – und damit die entsprechende Zielgruppe angesprochen werden konnte – mussten da Engel mit rein. Und anderes pseudomagisches Gedöns. Zwei Engelmitarbeiter im Büro der Anwältin, na toll – jeder Anwaltsgehilfe einer deutschen TV-Serien-Anwältin leistet das Dreifache, und das auch noch erfolgreich. Bree bekommt von irgendwem – ein Combinat, eine Corporation, ich weiß nicht, es hat mich nicht wirklich gejuckt, weil es keine Rolle spielt – zwei richtig große Hunde an die Seite gestellt, die offensichtlich nicht ganz tierischen Ursprungs sind, na toll – die sitzen die ganze Zeit in Brees Karre und machen eigentlich nichts (ich glaube, die kacken nicht mal wohin). Der Geist als Auftraggeber für den zweiten Fall hätte auch einfach irgendjemand sein können, und selbst die vermeintlichen Schlüsselszenen magischer Provenienz waren im Original vermutlich einfache Krimiszenen mit schönen, geradlinigen Handlungen, mit Action, Thriller und Suspense, und gut.
WAS GEFIEL?
Alles. Außer diesem Engel-, Geister- und Magiescheiß. Lässt man den ganzen Mist weg, hat man einen tollen, schön geradlinig und mit gutem Speed geschriebenen Krimithriller vor sich, der sich durchaus sehen lassen könnte. Das Zwangslabelling als Engeldingsbums ist nur peinlich.
ZU EMPFEHLEN?
Ja. Für Krimifans, die in der Lage sind, den Dingen, die sie eigentlich nicht lesen wollen, weil sie unnötig sind, den Stinkefinger zu zeigen.
NOCH WAS?
Ja. Eine Empfehlung an Mary Stanton, die sie natürlich nie erreichen wird: Das, was sie, Mary, eigentlich gerne schreiben würde, schreibt Phil Rickman schon seit den 90ern; vielleicht nicht erfolgreich, aber sehr, sehr gut. Und die Stanton hätte das Zeug, auch so was zu schreiben, wie der Rickman das macht. Wenn sie die Finger von diesem Modescheiß lassen würde.
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Diese Rezension ist auch erschienen in MAGIRA – JAHRBUCH ZUR FANTASY 2011, hrsg. von Hermann Ritter und Michael Scheuch, und zum Preis von EUR 14,90 zu bestellen auf www.magira-jahrbuch.de.