Die meisten Menschen, die mich von Bildern im Internet her kennen, kennen mich vielleicht so:
Oder manchmal auch so, mit richtig viel Matte:
Doch heute habe ich es zum dritten Mal getan. Oder besser: tun lassen:
Das ist in der Tat das, wonach es aussieht: eine Komplettrasur. Alles weg – außer Augenbrauen. Also Bart, Schnurrbart, Kopfhaar.
Wie kommt man auf so eine Idee? Das ist eine lange Geschichte.
Ich trage Bart seit … keine Ahnung, irgendwann Anfang der 80er. Zu meiner ersten Hochzeit 1984 habe ich ihn mir noch mal abgenommen, aber danach – immer Bart, Vollbart, Faulbart, wie ich es nenne, denn eigentlich rasiere ich mich nicht, weil ich zu faul dazu bin, mich jeden Tag X Minuten vor den Spiegel zu stellen, mir einen abzubrechen, nur damit die ersten Kandidaten nach gefühlten 15 Sekunden wieder aus der Haut hervorlugen – und kratzen.
Viele Jahre habe ich dann bei einem Friseur schneiden lassen. Bis ich 3 Millimeter wollte. Der damalige Friseur meines Vertrauens meinte, er mache so was nicht. Nun gut.
Dann hat es eine Weile eine meiner Gattinnen gemacht. Bis die das auch nicht mehr wollte.
Dann habe ich mir einen properen Bartrasierer von Remington zugelegt, mit Keramikklingen.
Und zuletzt habe ich erkannt, dass mir das alles zu blöd ist.
Selbst wenn ich es selbst mache – da sind dann maximal 3 Millimeter drin –, dauert das eine kleine Ewigkeit, leicht eine halbe Stunde, manchmal eine Stunde. Es kostete mich Überwindung, überhaupt einen Termin dafür zu machen. Und am Ende blieben dann irgendwo immer irgendwelche sturen Stippel stehen, als wollten sie den Nachkommen den Weg ans Licht zeigen.
Vor dem Juni-Urlaub stand wieder eine Rasur an. Aber meine holde Gattin, die Allerliebste, hatte mir zum Geburtstag einen Gutschein für ihren Friseur des Vertrauens geschenkt. Für eine Komplettrasur, rundherum. Die hatte ich mir gewünscht. Und Ende Mai war es zum ersten Mal so weit.
Und ich mochte es. Es gefiel mir. Es gefiel mir zum Beispiel, festzustellen, wie viel Ähnlichkeit ich mit meinem Bruder habe, wenn nicht irgendwelches Gestrüpp im Gfries (für Nichtbayern: Gesicht) die Sicht versperrt. Und es fühlt sich gut an. Es ist witzig, wenn schon am nächsten Morgen ein zunächst schorfig wirkender Flaum da ist, der am zweiten Tag wirklich flaumig geworden ist. Und das Vorurteil, nachwachsende Bart- oder Kopfhaare würden jucken, stimmte jedenfalls bei mir nicht. Und dass das Ganze kratzt, stimmte auch nur am ersten Tag; und selbst da war Sandpapier eher die wahre Tortur.
Heute, wie gesagt, war ich zum dritten Mal bei diesem Friseur. Und ich habe es wieder genossen. Es gab heute viel zu tun, eigentlich hätte ich überhaupt keine Zeit gehabt. Doch ich habe sie mir genommen. Und sie genossen. Die junge Dame, die mich rasiert, ist nett, redet gern und leidet wohl unter mir seltsam Schweigsamem, der sonst sein Maul nicht halten kann, in dem Moment aber lieber zuhört, abschaltet, runterfährt, sich sprichwörtlich verwöhnen lässt. Es ist eine Dreiviertelstunde – inzwischen kennt sie das Gelände <g> –, in der ich nichts zu tun habe, als stillzuhalten, Kopfbewegungen nach Anweisung zu machen und mentholischen Rasierschaum, die Klinge, heiße Handtücher und eine abschließende Gesichtsmassage zu genießen.
Das Ganze ist nicht nur »mal was anderes«. Es ist nicht nur Entspannung. Es ist auch eine seltsame Art von Vertrauen und Vertraulichkeit. Ich kenne die junge Dame ja noch nicht wirklich – nicht beim dritten Mal – und das Instrument, das sie da benutzt, könnte Gedanken erwecken, die man nicht wirklich denken möchte. Mit so einer Klinge kann man Dinge tun, die man ungern an sich selbst getan sehen möchte.
Das Vergnügen kostet mich mit einem ordentlichen Tipp 50 Euro. Klar, das könnte ich günstiger haben. Aber ist das wirklich so? Wenn ich es selbst machen würde, dann hätte ich vielleicht 50 Euro gespart. Aber keine Zeit, keine Nerven, ich hätte mich nicht entspannt – ganz im Gegenteil – und vor allem hätte ich niemandem dabei geholfen, seine Brötchen zu verdienen.
Ich mag das. Ich werde das wieder machen. Der nächste Termin ist am 2. Dezember. Schon fest ausgemacht. Meine Klingenschwingerin kommt dann grad aus dem Urlaub zurück und wird etwas zu erzählen haben. Und ich kann wieder zuhören und genießen.
Ach, übrigens. So:
kann ich natürlich immer noch, auch ohne Haare: