Die Rettung eines Lesers vor der endgültigen Abstinenz

Chuck Wendig
BLACKBIRDS
(Blackbirds, 2012)
Bastei Lübbe, Köln, April 2013, a. d. Amerik.: Axel Franken, Klappbroschur, 303 Seiten, ISBN 978 3 404 20710 7

VORBEMERKUNG

Nach der (vorzeitigen) Beendigung der Lektüre des letzten hier rezensierten Buches war ich einen Augenblick gewillt, das Lesen endgültig und vollständig aufzugeben. Nur einen Augenblick. Und selbst, wenn der länger gedauert hätte – dieses Buch hier hätte mich gerettet.

WORUM GEHT ES?

Miriam ist die Hauptfigur, und wenn sie einen Menschen berührt, sieht sie den Moment seines Todes: was geschieht, wann es geschieht. Sie hat mehr als einmal versucht, die Zukunft, die sie sah, zu verhindern, aber am Ende gab sie es auf. Es ging nicht.
Dann lernt sie einen Trucker kennen, Louis. Und sie sieht, dass sie anwesend ist, wenn er getötet wird. Warum? Und wird es sie als Nächstes erwischen? Was soll sie tun?

WIE IST DER STIL?

Rotzig, dreckig, frech, verschissen, geil, schnell, superschnell, knochenhart, wie eine Betonwand, packend, würgend, ich habe keine Ahnung. »Scheißgeil« würde es gut treffen, aber um einem Leser dieser Rezension zu vermitteln, wie ich das meine, müsste ich ein Video bei Youtube einstellen, auf dem ich zu sehen bin, wenn ich dieses »Scheißgeil!« von mir gebe.
An diesem Buch ist nichts, was einem gefallen kann, wenn man auf die (vermeintlich) positiven Dinge der Welt steht. Und das ist ein Punkt, der mir gefallen hat.

WAS GEFIEL NICHT?

Dass das Buch ein Ende hat, nicht zu einer Serie gehört, nicht fortgesetzt wird, dass es so kurz ist, dass es nicht weiter ging, dass ich irgendwann am Ende angelangt war. Und so weiter.

WAS GEFIEL?

Alles. Dieses Buch war eine Wonne wie weiland meine »Entdeckung« des Serdar Somuncu in der deutschen Kabarettszene. Es war eine Erleuchtung, eine Erhebung meines – nach der letzten Buchlektüre schwer verletzten – Intellekts. Die Figuren sind allesamt keine Identifikationskeime, keine Kristallisationskeime für wachsende und genüsslich entstehende Sympathie mit der Figur. Selbst der stellenweise fast schon zu lieb wirkende Louis, der Trucker, ist es nicht. Und Miriam ist ein Miststück, eine Schlampe, ein fieses, mieses, dreckiges, verabscheuungswürdiges Weibsstück, dem man nichts wünscht, außer von allem das Schlimmste, und sie ist in einer Weise figuriert, die wie ein Orgasmus beim Onanieren ist, wo man genau weiß, was kommen wird – und wenn es kommt, dann haut es einen trotzdem um. Und die anderen Figuren sind im Großen und Ganzen auch nicht besser.

Was für ein wundervoll schmutziges Mistbuch!

EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?

Nein, sorry. Das Buch hat mich dermaßen gepackt, dass ich nicht auf besonders herausragende Textstellen geachtet habe. Das ganze Ding liest sich eh auf einem Niveau, als wäre man ein kleiner Junge, der gerade eben über die Tischkante schauen kann, und von da ist das eine plane Fläche höchster Qualität.

ZU EMPFEHLEN?

Ja. Wer Action mag, wer Thriller mag, wer gerne auch ein fantastisches Element in seiner Lektüre mit drin hat, der ist selber schuld, wenn er dieses Buch nicht liest.

NOCH WAS?

Ja. Ich muss abschließend einfach noch einmal separat festhalten, dass mich dieses Buch wirklich schwer beeingedrückt hat. Ich bin schwer beeingedrückt. Laut Amazon gibt es noch einige Titel, die noch nicht auf Deutsch erschienen sind. Ich hoffe inständig, Bastei Lübbe lässt sich nicht lumpen.

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