Gunnar Boehme
VANISHED INSIDE
Private Preview
Eine Reisereportage
Selbstverlag, 2013, Softcover, A5-Querformat
VORBEMERKUNG
Ich weiß nicht mehr, wann und wo ich Gunnar Boehme kennengelernt habe. Sofern man von Kennenlernen schon sprechen kann. Über Facebook, glaube ich. Oder das Malta-Forum von Arndt Beitat.
Egal.
Gunnar ist Hamburger, lebt auf Gozo. Er kommt also daher, wo ich auch gerne mal leben würde, und lebt dort, wo ich auch gerne mal leben würde. Gunnar ist ein in meinen Augen begnadeter Fotograf, und er ist ein durchaus begnadeter Autor, der sich über die Dinge um sich herum Gedanken macht, die andere Menschen sich nicht machen.
WORUM GEHT ES?
Es geht nicht um eine Reisereportage. Es geht auch nicht um eine »Vorschau«, eine Preview. Es geht allerdings um private Dinge.
Gunnar lebt seit einigen Jahren auf Gozo, auf der kleinen Nordinsel des maltesischen Archipels, und er schreibt über das, was ihn bewegte, bewegt, was in ihm vorgeht, wie er die Welt sieht, die ganze Welt, aber vor allem auch die klein anmutende – und wie ich aus eigener Erfahrung weiß: doch so riesengroße – Welt der Insel Gozo, über sich selbst mit Bezug auf Land und Leute, über die Menschen, mit denen er dort lebt, die Menschen untereinander, die Menschen im Zusammenspiel mit ihm, dem Fremdling, als der er sich nicht fühlt, und manchmal doch, und manchmal sehr, und eigentlich doch wieder nicht.
Die Dinge, über die Gunnar hier schreibt, sind nicht nur ganz persönliche Dinge. Es sind vor allem auch Dinge, die die Republik Malta, die Malteser, vor allem aber auch Gozo und die Gozitaner demjenigen näher bringen können, der schon einmal Gelegenheit hatte, sich damit auseinanderzusetzen. Mit Malta, Gozo, den Menschen dort. Gunnars Büchlein – bestückt mit seinen mitunter ausstellungswürdigen, weil sehr beeindruckenden Fotos – ist nicht nur eine mehr oder minder selbstkritische Sicht auf sein Leben dort – wer ist schon wirklich kritisch mit seinem Leben, wenn er an einem Ort lebt, den er liebt –, das Büchlein ist vor allem auch eine Liebeserklärung, die man nur dann wirklich als solche erkennt, wenn man selbst einmal in Qala – das ist der Ort, wo er lebt – gewesen ist, gelaufen ist, mit seinem Auto geparkt hat, gen Comino, Cominotto und Malta geglotzt hat und nicht recht zu entscheiden wusste, ob es wirklich einen schöneren Ort auf dieser Welt geben könnte.
WIE IST DER STIL?
Flüssig, routiniert, professionell, schön, angemessen. Einwandfrei.
WAS GEFIEL NICHT?
Das Layout ist nicht hundertprozentig, es fehlen Seitenzahlen, es gibt Unsauberkeiten. Die Schriftauswahl ist kritisch, weil langweilig. Aber das ist alles Kleinkram für Ameisenficker.
Eigentlich sollte ich hier antworten: »Nichts.«
WAS GEFIEL?
So seltsam es klingt: Gunnars Büchlein hat meinen Neid angestachelt. Ich würde gerne mit ihm tauschen. Ich würde auch gerne auf Gozo leben. Ich würde gerne – Ich würde gerne –
Würde gerne –
Was mir aber am meisten gefiel, das waren meine Tränen, wenn ich erkannte, dass im Geist dieses Autors, den ich abgesehen von einigen Emails praktisch nicht kenne, haargenau die gleichen Gedanken abliefen, ablaufen und vielleicht ablaufen werden, die sich meiner auch schon auf Gozo bemächtigt haben. Ich habe mich in einem mir im Grunde völlig unbekannten Menschen auf eine Art und Weise wiedererkannt, die nichts mit Ähnlichkeiten zwischen uns zu tun haben kann – sieht man von einer großen und schwer zu zerbrechenden Zuneigung, gar Liebe zu Gozo ab.
EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?
Ja, aber nur aus Gründen, ein wenig Stimmung zu machen.
Tagebucheintrag, 2002:
Ich musste versprechen, das Geheimnis für mich zu behalten. Welches Geheimnis denn? Ich habe bis heute nichts gefunden, was ich vor unberufenen Ohren ausplaudern könnte. Im Gegenteil kann ich ruhigen Gewissens vor der Allgemeinheit, vor Ihnen, meine Damen und Herren!, versichern, dass die Insel nichts zu bieten hat, um Ihren Hunger nach neuen Sensationen zu sättigen. Sie werden das nie dagewesene hier nicht finden. Sie können gern daheim bleiben und sich dem sicheren Gefühl hingeben, nichts, aber auch gar nichts versäumt zu haben. Ich hingegen, »feind den eitlen Freuden dieser Tage«, will weiterhin allein zwischen den Steinen, Steinen nochmals Steinen wandern, will auf karge Felder blicken, will meinen Gedanken nachgehen, wenn ich die seit Jahrhunderten gleiche Arbeit der Menschen auf diesen Äckern sehe, und ich will meine Beine spüren, die das Wandern in hügeliger Landschaft nicht gewohnt sind.
Erst als ich angefangen habe, die Nähe der unbekannten Welt wirklich zu suchen, bin ich dort angekommen. Zu Anfang war es eine Form des Ausgeliefertseins. Unsicher hat es sich angefühlt, als ich den vertrauten Boden meiner luxuriösen Besucherrolle gegen die Unwägbarkeit des Alltagslebens eingetauscht habe. Aber ich hatte meine Wahl getroffen. Inzwischen weiß ich, dass das eine nicht ohne das andere zu haben war. Die Wirklichkeit kann nicht größer werden. Sie kann sich nur verändern.
ZU EMPFEHLEN?
Ja. Für Maltafans. Für Gozofans. Für Menschen, die im Ausland leben. Es schon tun, es müssen, es tun wollen. Für Menschen, die aufgeschlossen sind. Für Menschen, die sich Bilder von der Welt nicht nur in Texten, sondern auch in Bildern machen.
NOCH WAS?
Das Büchlein ist auf Malta gedruckt worden und beim Autor zu bekommen. Es ist aufgrund der kleinen Auflage und des Portos nicht wirklich preisgünstig, aber dennoch lohnenswert. Wer das Büchlein, das incl. Porto von Malta nach Deutschland aus ca. 23 oder 24 Euro kosten wird, haben möchte, kann sich direkt an den Autor unter gunnar.boehme[at]pjazza29.com wenden. Ich bin auch gerne bereit, eine Sammelbestellung zu machen; Email an michael[at]haitel.de reicht (Menge, Rechnungs-, Lieferanschrift sollte enthalten sein).