Der Winter war lang gewesen. Hart. Dunkel, grausam. Kalt. Widerwärtig. Wäre dieser Winter eine Frau gewesen, hätte Herr Hütter nur einen Wunsch gehabt. Sie zu ficken. Mit einem Baseballschläger. Oder einem Regenschirm. In den Arsch. Und dann aufspannen.
Aber der Winter war keine Frau. Er war nicht mal ein Lebewesen. Kein Lebewesen kann so hart sein. So dunkel, so grausam. So kalt und widerwärtig. So ein Scheißwinter. So ein verficktes Miststück von einem Dreckswinter –
Aber irgendwann verreckt auch die dümmste Drecksau, das wusste Herr Hütter ganz genau. Und bei einer Drecksau wie diesem Winter geschieht das zwangsläufig. Auch ohne, dass man selbst Hand anlegt. Obwohl Herr Hütter gerne –
Wenn es geholfen hätte –
Und dann war es einfach vorbei. Mit dem verfickten Miststück. Freude?
An dem Sonntag, als es vorbei war, machte Herr Hütter sich mit sener Hündin auf einen langen Weg. Er war nicht sicher, wie viel sie aushalten würde. Immerhin war es sonnig, warm, sie war dunkel, braun und schwarz. Sie war eine wandelnde Solarzelle. Aber Herr Hütter hatte Alternativen eingeplant, denn er war ja kein Anfänger als Hundebesitzer.
Und so gingen sie los, an dem Gestüt, an dem gerade Pferde ausgepackt wurden, als er den Wagen parkte. Lauter Gäule, die wieder die Wege vollkacken würden. Was den Gäulen nicht vorzuwerfen war, vielmehr den Besitzern, die den Dreck nicht wegräumten. Was sie wohl auch nicht mussten, weil sie ja für ihre Viecher keine Steuern zahlen mussten, so wie er.
Aber Herr Hütter vergaß das schnell. Er genoss die Temperaturen, den Weg, die Sonne, seine Hündin. Alles. Das kam selten genug vor. Herr Hütter war kein wirklicher Genussmensch. Er fand in seiner Welt und seinem Leben manchmal Dinge, die er mitnehmen wollte und die er vielleicht als »positiv« eingestuft hätte, wenn er gewusst hätte, was dieser Begriff »positiv« wirklich bedeutete.
Der Weg war nicht kurz, aber auch nicht wirklich lang. Herr Hütter hatte sich an seinem Computer einmal mehr auf Google Maps verlassen, diesen scheinbar unschlagbaren Navigations- und Kartendienst im Internet. Er hatte sich den Weg ausgesucht und einen großformatigen Ausdruck davon gemacht, in Farbe, als Satellitenaufnahme, den er mitgenommen hatte. Es sah alles sehr gut aus. Die Details waren nicht perfekt, aber doch so weit brauchbar, dass er sich zurechtfand. Allein –
Der anfängliche Weg lag größtenteils in der Sonne, und seine Hündin begann bald, mit hängender Zunge zu laufen. Was nicht viel bedeutete. Oder auch doch. Herr Hütter wurde nie wirklich schlau aus den Bedürfnissen seiner Hündin, jedenfalls aus denen, die über reines Fressen von Leckerlis, Fleisch, Gemüse, Ballaststoffen und sonst etwas hinausgingen. Sprich: Ihm war auch nach Jahren nicht klar, wann sie Durst hatte und wann nicht. Und was sie bevorzugte, wenn sie Durst hatte: Flüsse, Bäche, Pfützen, Lachen, was?
Die Kommunikation seiner Hündin diesbezüglich war … verbesserungsfähig.
Eine Weile gingen sie an einem recht opulenten Bach entlang, der immer wieder über Stufen neben ihnen gen Tal strebte, während sie erkennbar, aber nicht sehr anstrengend, bergauf gingen. An mehreren Stellen versuchte Herr Hütter, die Hündin davon zu überzeugen, zu trinken. Aber abgesehen von drei, vier kleinen Schlucken und – interessanterweise – einem Gang durch’s kalte Bachwasser – seine Hündin war eigentlich vollkommen wasserscheu – ging da nichts. Sie trank nicht. Sie hechelte, sie war ganz sicher erhitzt und sie war noch sicherer durstig. Aber sie trank nicht.
Der Weg bog dann ab, es ging ein Stückchen steil bergauf, dann wurde es wieder sanfter. An einem Einödhof vorbei ging es in den Wald, wieder raus, wieder rein …
Die Karte von Google Maps entpuppte sich als das Papier nicht wert, auf dem Herr Hütter sie ausgedruckt hatte. Da gab es eine Gabelung, die nicht eindeutig war. Herr Hütter ahnte den richtigen Weg und nutzte ihn. Und doch – Am Ende war da nichts. Es gab eine Kehre, die den Berg hinauf zeigte, und dort, wo es geradeaus gehen sollte, da waren noch zehn, zwanzig Meter, dann nichts mehr.
Herr Hütter war sich nicht sicher. Er und seine Hündin gingen zurück zu dieser Gabelung, aber es war offensichtlich. Er hatte den richtigen Weg gewählt, nur Google Maps hatte ihn verarscht. Und das war ja nicht das erste Mal –
Sie gingen den ganzen Weg zurück. Zwei Drittel der Strecke, die sie eigentlich veranschlagt hatten, wären die Amis nicht zu verblödet, Satellitenbilder und Geodaten ordentlich miteinander in Einklang zu bringen. Es war kein Wunder, dass Korea, Vietnam, Irak und weiß der Henker noch was verloren gegangen war. Mit einer solchen Logistik gewann man nichts.
Am Ende war seine Hündin erledigt. Und Herr Hütter auch. Sie verdiente sich freudig noch ein paar Leckerlis, die Herr Hütter ihr unterwegs erspart hatte, damit sie nicht noch zusätzlich unnötig Durst hatte. Es machte ihr Spaß. Und den Rest des Abends –
Herr Hütter ärgerte sich nicht über Google Maps. Er hätte es wissen müssen. Es war, wie gesagt, nicht das erste Mal. Er ärgerte sich auch nicht über sich selbst. Er hätte guten Grund dazu gehabt. So dumm zu sein, einem offensichtlichen Arschloch mehr als einmal zu vertrauen, das war nicht seine Art. Oder vielleicht doch. Das Wetter war nach dem Dreckstück von Winter einfach zu schön gewesen, um sich über irgendwas anderes zu ärgern, als vielleicht darüber, nicht noch in einen Biergarten eingekehrt zu sein. Den es am Weg nirgendwo gegeben hatte.
Ja, darüber könnte Herr Hütter sich vielleicht im Nachhinein noch ärgern. Vielleicht –
Herr Hütter und die Sonne
Der Winter war lang gewesen. Hart. Dunkel, grausam. Kalt. Widerwärtig. Wäre dieser Winter eine Frau gewesen, hätte Herr Hütter nur einen Wunsch gehabt. Sie zu ficken. Mit einem Baseballschläger. Oder einem Regenschirm. In den Arsch. Und dann aufspannen.
Aber der Winter war keine Frau. Er war nicht mal ein Lebewesen. Kein Lebewesen kann so hart sein. So dunkel, so grausam. So kalt und widerwärtig. So ein Scheißwinter. So ein verficktes Miststück von einem Dreckswinter –
Aber irgendwann verreckt auch die dümmste Drecksau, das wusste Herr Hütter ganz genau. Und bei einer Drecksau wie diesem Winter geschieht das zwangsläufig. Auch ohne, dass man selbst Hand anlegt. Obwohl Herr Hütter gerne –
Wenn es geholfen hätte –
Und dann war es einfach vorbei. Mit dem verfickten Miststück. Freude?
An dem Sonntag, als es vorbei war, machte Herr Hütter sich mit sener Hündin auf einen langen Weg. Er war nicht sicher, wie viel sie aushalten würde. Immerhin war es sonnig, warm, sie war dunkel, braun und schwarz. Sie war eine wandelnde Solarzelle. Aber Herr Hütter hatte Alternativen eingeplant, denn er war ja kein Anfänger als Hundebesitzer.
Und so gingen sie los, an dem Gestüt, an dem gerade Pferde ausgepackt wurden, als er den Wagen parkte. Lauter Gäule, die wieder die Wege vollkacken würden. Was den Gäulen nicht vorzuwerfen war, vielmehr den Besitzern, die den Dreck nicht wegräumten. Was sie wohl auch nicht mussten, weil sie ja für ihre Viecher keine Steuern zahlen mussten, so wie er.
Aber Herr Hütter vergaß das schnell. Er genoss die Temperaturen, den Weg, die Sonne, seine Hündin. Alles. Das kam selten genug vor. Herr Hütter war kein wirklicher Genussmensch. Er fand in seiner Welt und seinem Leben manchmal Dinge, die er mitnehmen wollte und die er vielleicht als »positiv« eingestuft hätte, wenn er gewusst hätte, was dieser Begriff »positiv« wirklich bedeutete.
Der Weg war nicht kurz, aber auch nicht wirklich lang. Herr Hütter hatte sich an seinem Computer einmal mehr auf Google Maps verlassen, diesen scheinbar unschlagbaren Navigations- und Kartendienst im Internet. Er hatte sich den Weg ausgesucht und einen großformatigen Ausdruck davon gemacht, in Farbe, als Satellitenaufnahme, den er mitgenommen hatte. Es sah alles sehr gut aus. Die Details waren nicht perfekt, aber doch so weit brauchbar, dass er sich zurechtfand. Allein –
Der anfängliche Weg lag größtenteils in der Sonne, und seine Hündin begann bald, mit hängender Zunge zu laufen. Was nicht viel bedeutete. Oder auch doch. Herr Hütter wurde nie wirklich schlau aus den Bedürfnissen seiner Hündin, jedenfalls aus denen, die über reines Fressen von Leckerlis, Fleisch, Gemüse, Ballaststoffen und sonst etwas hinausgingen. Sprich: Ihm war auch nach Jahren nicht klar, wann sie Durst hatte und wann nicht. Und was sie bevorzugte, wenn sie Durst hatte: Flüsse, Bäche, Pfützen, Lachen, was?
Die Kommunikation seiner Hündin diesbezüglich war … verbesserungsfähig.
Eine Weile gingen sie an einem recht opulenten Bach entlang, der immer wieder über Stufen neben ihnen gen Tal strebte, während sie erkennbar, aber nicht sehr anstrengend, bergauf gingen. An mehreren Stellen versuchte Herr Hütter, die Hündin davon zu überzeugen, zu trinken. Aber abgesehen von drei, vier kleinen Schlucken und – interessanterweise – einem Gang durch’s kalte Bachwasser – seine Hündin war eigentlich vollkommen wasserscheu – ging da nichts. Sie trank nicht. Sie hechelte, sie war ganz sicher erhitzt und sie war noch sicherer durstig. Aber sie trank nicht.
Der Weg bog dann ab, es ging ein Stückchen steil bergauf, dann wurde es wieder sanfter. An einem Einödhof vorbei ging es in den Wald, wieder raus, wieder rein …
Die Karte von Google Maps entpuppte sich als das Papier nicht wert, auf dem Herr Hütter sie ausgedruckt hatte. Da gab es eine Gabelung, die nicht eindeutig war. Herr Hütter ahnte den richtigen Weg und nutzte ihn. Und doch – Am Ende war da nichts. Es gab eine Kehre, die den Berg hinauf zeigte, und dort, wo es geradeaus gehen sollte, da waren noch zehn, zwanzig Meter, dann nichts mehr.
Herr Hütter war sich nicht sicher. Er und seine Hündin gingen zurück zu dieser Gabelung, aber es war offensichtlich. Er hatte den richtigen Weg gewählt, nur Google Maps hatte ihn verarscht. Und das war ja nicht das erste Mal –
Sie gingen den ganzen Weg zurück. Zwei Drittel der Strecke, die sie eigentlich veranschlagt hatten, wären die Amis nicht zu verblödet, Satellitenbilder und Geodaten ordentlich miteinander in Einklang zu bringen. Es war kein Wunder, dass Korea, Vietnam, Irak und weiß der Henker noch was verloren gegangen war. Mit einer solchen Logistik gewann man nichts.
Am Ende war seine Hündin erledigt. Und Herr Hütter auch. Sie verdiente sich freudig noch ein paar Leckerlis, die Herr Hütter ihr unterwegs erspart hatte, damit sie nicht noch zusätzlich unnötig Durst hatte. Es machte ihr Spaß. Und den Rest des Abends –
Herr Hütter ärgerte sich nicht über Google Maps. Er hätte es wissen müssen. Es war, wie gesagt, nicht das erste Mal. Er ärgerte sich auch nicht über sich selbst. Er hätte guten Grund dazu gehabt. So dumm zu sein, einem offensichtlichen Arschloch mehr als einmal zu vertrauen, das war nicht seine Art. Oder vielleicht doch. Das Wetter war nach dem Dreckstück von Winter einfach zu schön gewesen, um sich über irgendwas anderes zu ärgern, als vielleicht darüber, nicht noch in einen Biergarten eingekehrt zu sein. Den es am Weg nirgendwo gegeben hatte.
Ja, darüber könnte Herr Hütter sich vielleicht im Nachhinein noch ärgern. Vielleicht –