Unerwartet fasziniert

Aileen P. Roberts
DER FEENTURM
Wilhelm Goldmann Verlag, München, Originalausgabe, 1. Auflage September 2012, Klappbroschur, 637 Seiten, ISBN 978 3 442 47711 1

VORBEMERKUNG
Eigentlich liegt mir solche Literatur gar nicht. Alles, was in Schottland – oder auch Irland – spielt, mit Pikten, Kelten und ähnlichen Volksstämmen zu tun hat, ist mir in der Regel eher suspekt. Abgesehen davon, dass alles, was man über Pikten und Kelten heutzutage weiß, keine wirklichen Kenntnisse, sondern allenfalls subjektiv verfärbte Eindrücke Dritter – vor allem Römer – sind, kann ich den ganzen Sujets einfach nichts abgewinnen.
Da ich mit der Autorin aber schon mehrfach ein wenig Kontakt hatte, wollte ich das Angebot, den Roman zu lesen – und zu rezensieren – nicht ausschlagen.

WORUM GEHT ES?
Dana, frisch von ihrem Ex getrennt, macht mit einer Freundin Urlaub in Schottland. Dabei stößt sie an einer Turmruine auf den Geist der Piktenkriegerin Rionach, die Dana bittet, in die Vergangenheit zu reisen, um ihren Tod zu rächen und ihre Tochter in die Zukunft mitzubringen. Nach anfänglichen Zweifeln und ein wenig Hin und Her – wie Frauen halt so sind –, geht sie auf Rionachs Ansinnen ein und reist in die Vergangenheit. Aber das, was sie dort erlebt, läuft nicht ganz so ab, wie sich Rionach das gedacht hat. Und dann gibt es da in Danas eigentlicher Zeit auch noch ein paar Probleme …

WIE IST DER STIL?
»Der Feenturm« war der erste Roman von Aileen P. Roberts, den ich überhaupt gelesen habe, und ich war von den schreiberischen Fähigkeiten sehr positiv überrascht. Andererseits – auch heute noch kann man es wohl als ein gewisses Qualitätskriterium ansehen, wenn jemand ein Buch bei Goldmann unterbringt (und das war nicht das erste).
Insgesamt ist Roberts’ Stil flüssig, zielgerichtet, fähig, Spannung zu erzeugen und zu halten. Sie schreibt auch so eindrücklich, dass man sich im Geiste ein gutes Bild der beschriebenen Szenerien machen kann.

WAS GEFIEL NICHT?
Die ersten Kapitel schienen zunächst meine Abneigung gegen diese Art von Literatur zu bestärken. Es las sich ein wenig zu sehr nach Mädchenroman, zu sehr nach Schottlandliebesgeschichte, zu sehr nach den vielen Werken von Autorinnen wie Rosamunde Pilcher. Nun gut, nicht so extrem wie die Pilcher, aber die Andeutungen gingen mir zunächst einfach zu sehr in diese Richtung.

WAS GEFIEL?
Zum Glück zog die Story jedoch an, als Dana erstmals ihre Reise in die Vergangenheit antrat, und insbesondere die Art und Weise, wie Roberts die piktische Kultur und Lebensweise von vor mehr als 2000 Jahren mit schriftstellerischem Leben erfüllte, hat mir gefallen. Klar, kein Mensch weiß, wie die Menschen damals wirklich lebten – abgesehen von den wenigen Schildern, die aus römischer Feder übrig blieben. Aber gerade, wenn man der Roberts eine gesegnete Fantasie bei der Ausgestaltung dieser doch fiktiven Beschreibungen zu schreiben möchte, dann hat sie diese in durchaus Lesespaß bringender Art und Weise genutzt.

EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?
Ganz fehlerfrei ging das allerdings auch nicht voran. Wobei es sich hier um typische Lektorats- oder Korrektoratsfehler handelt:

»Sie sah zu den in der sanften Brise schaukelnden Booten. ›Mannanan ist uns in diesem Frühling wohlgesinnt und segnet uns mit reichem Fang und lauen Winden.‹« (S. 373)

»›Schon häufig habe ich die Mächte der Sídhe genutzt‹, gab Domech zu. ›Die meisten von ihnen sind uns Sterblichen wohlgesinnt, helfen uns, wenn wir sie darum bitten, sie ehren und ihnen Opfergaben darbringen. […]‹« (S. 483)

Es heißt bei aller Liebe in beiden Fällen »wohlgesonnen«.

ZU EMPFEHLEN?
Ja. Für Fantasyfans allemal, für Fans von Texten, die in Schottland spielen, die mit Pikten, Kelten, mit Magie, mit dieser Epoche überhaupt zu tun haben, auf jeden Fall. Und selbst für einen Leser wie mich, der mit diesen Sujets nichts so recht anzufangen weiß, war es angenehme und durchaus spannende Unterhaltung.

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