[Kim] Alltag, durcheinander

Mein Alltag ist durcheinander. Irgendwie. Natürlich ist das nicht Kims Schuld. Aber seit sie nicht mehr da ist, zeigt sich, wie sehr man tagtäglich in einer gewissen Spur läuft. Und die hat sich jetzt geändert.

Über Monate hinweg war ich hauptsächlich für die Gassigänge zuständig. Wenn Frauchen nicht da war, weil sie arbeiten musste, ging ich nicht nur mit Naomi und Susi, sondern auch noch mit Kim. Meist ging ich mit ihr zuerst, es waren ja keine langen Gänge mehr, sie wurden immer kürzer, wie schon erwähnt. Trotzdem wollte sie auch immer noch nach draußen, man merkte es ihr an. Und auch, wenn ich des Öfteren vermutete, dass es ihr vor allem um die Leckerlis ging – das war okay. Nach Kim waren dann Naomi und Susi dran. Nicht so lang, meist dreißig, fünfunddreißig Minuten, selten länger – es sei denn, Frauchen war da. Derweil stand die hintere Tür zum Garten offen, damit Kim raus konnte. Was sie selten musste, denn die dringenden Geschäfte hatte sie zuvor erledigt. Meist wartete sie nur auf uns, dass wir zurückkehrten.
Heute kann ich mit Naomi und Susi wieder längere Gänge machen. Wenn sie Lust dazu haben und sich nicht in Schnüffelorgien ergehen wollen. Ich mag halt doch laufen, nicht herumstehen. Aber es ist seltsam. Man muss sich wieder daran gewöhnen, nicht ständig daran zu denken, dass ja noch ein Hund daheim ist, ein alter Hund, der nicht mehr fit ist … Selbst jetzt, nach anderthalb Wochen, blitzt manchmal der Anfang eines solchen Gedankens in meinem Kopf auf.
Frauchen kann nun auch wieder Gassi gehen – und damit fehlt mir jeweils ein Gassigang. Das bringt meinen Rhythmus durcheinander. Es gibt feste Abläufe. Mittags zum Beispiel: halb zwölf Gassigang, danach Mittagsleckerli für die Mädels, Insulin für mich, dann Mittagsbrotzeit. Letztens hat Frauchen einen Mittagsgang gemacht – und prompt habe ich nicht nur mein Insulin, sondern auch das Mittagessen vergessen. Das Gleiche geschah auch an einem Nachmittag.

Kim am 11.04.2022

Auch andere Abläufe gestalten sich anders. Nicht grundlegend, aber doch anders.
Zuletzt fuhr ich zum Einkauf nach Husum nur, wenn Frauchen daheim war. Nicht wegen Naomi und Susi, sondern wegen Kim. Die Tür nach hinten auf zu lassen, wenn alle drei Mädels daheim waren, war (und ist) gefährlich, weil gerade Susi ein Ausbrechergen zu haben scheint; jedenfalls ist ihr immer noch zuzutrauen, dass sie eine Gelegenheit wahrzunehmen bereit ist, wenn sie sich ihr bietet. Also fuhr ich immer so, dass die Hunde allenfalls eine halbe Stunde allein waren, wenn Frauchen doch zur Arbeit musste. Und das hat geklappt.
Heute ist das wieder wurscht. Morgengassi mit den beiden verbliebenen Mädels, dann ins Auto und ab nach Husum – kein Problem und egal, ob Frauchen da ist oder nicht.

Und es gibt noch andere Kleinigkeiten, die sich geändert haben. Meist ist es eher lustig, wenn man drauf kommt. Es ist mir auch vorher immer mal passiert, dass ich Naomi Kim rief. Heute ist das merkwürdig, es fällt mehr auf.

Kim ist nicht mehr da. Ich hatte erwartet, dass ich viel mehr trauern würde. Aber zum einen hatten wir viel Zeit, uns vorzubereiten. Und zum anderen sind noch zwei Hunde da, die unserer Aufmerksamkeit bedürfen und sie verdient haben. Kim ist nicht vergessen, ganz im Gegenteil; Frauchen hat ihre große Fotosammlung mit Kim als wechselnde Hintergrundbilder auf dem PC ablaufen. Und ich schreibe Blogbeiträge, die sich um sie drehen.
Und wenn ich genau darüber nachdenke, finde ich es irgendwie schön, sie in Sicherheit zu wissen. Nicht nur ihre Asche im Regal hinter mir, auch ihre kleine Hundeseele jenseits der Regenbogenbrücke, bei all den anderen gegangenen Hundeseelen. Es geht ihr ja im eigentlichen Sinne nicht (mehr) gut, aber es geht ihr auf jeden Fall nicht mehr schlecht. Und das ist irgendwie … hm … befriedigend? Beruhigend? Ich bin nicht sicher.

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