- Nein, Weihnachten hat keine Seuche. Wenn man möchte, dann IST Weihnachten auch eine Seuche.
- Im August landen die ersten Nikoläuse, Spekulatiuspackungen und Christbaumkugeln in den Supermärkten.
- Ab Oktober bestehen gefühlte 130, tatsächlich jedoch 30 bis 40 Prozent der Werbung im Fernsehen aus Werbung für Parfüms. Die meiste Werbung für Parfüms lässt auf schwere psychische Probleme der Macher schließen, nur sehr wenige kann man sich immer wieder anschauen. Wenn man’s genau nimmt, eigentlich nur die von Paco Rabanne. Megapeinlich: Hugo Boss. »Sei der Man of Today«, ich schrieb schon darüber.
- Spätestens Mitte November räumt Frau den Keller nach oben. Etliche Kartons plus Inhalt fliegen auf den Müll. Der Keller ist feucht, ja, das ist nun mal so. Aber man könnte das Gedöns, das einem wichtig ist, auch in Plastikkisten lagern. Dann wäre das Plastik schon mal aus dem Meer. Umzugskartons sind nichts für den Keller.
- Dann wird dekoriert, alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Überall Aufkleber und Sterne an den Fenstern. Tannenkranz an der Tür, der, an dem man so schön hängen bleibt. Glöckchenkonglomerate, deren Bimmeln dafür sorgt, dass das Gefühl, langsam, aber sicher wahnsinnig zu werden, auf einem leicht ansteigenden Level bleibt. Überall Kerzen. Und dann Räucherkram mit dubiosen Duftnoten. Kerzen. Ach nee, die hatte ich schon. Obwohl, so viele, wie das sind.
- Einkäufe. Was ich mir zu Weihnachten wünsche? Nichts, ich habe alles. Aber das geht natürlich nicht. Die Wünsche meiner Frau werden erläutert, bleiben diffus und unerklärlich. Tenor: Wer braucht so was? Der neue Staubsauger ist kein Geschenk, sondern eine Notwendigkeit, weil sie den alten zerstört hat.
- Weihnachtskarten. Schlimmer noch: Weihnachts-E-Mails. Die meisten vernichte ich, lösche ich unbeantwortet, beinahe unbeachtet. Diesmal sind es genau zwei, die eine Antwort bekommen haben. Zwei Karten. Bei den E-Mails erinnere ich mich nicht. Schon die üblichen Schlussformen von wegen »Frohe Weihnachten und guten Rutsch« sind eine übelmachende Belastung. Ach, geht doch scheißen – ein Vorschlag der Österreicher, den ich hier gerne weitergeben würde. Wenn ich nicht doch ein wenig Anstand besäße.
- Kekse backen. Für die Nachbarn. Ich bin Diabetiker und bekomme allenfalls Vanillekipferl mit Erythrit zum Selberbiegen. Vanilletaler werden sie euphemistisch genannt. Da ist dann nicht mal mehr was zum Biegen dran. Und die Geschenke für die Nachbarn. Okay, unsere Nachbarn sind nett, da kann man das machen. Muss man nicht, kann man aber. Machen wir auch. Machen die auch.
- Zum Glück haben wir künstliche Weihnachtsbäume. Einen großen, einen kleinen. Der große Baum ist diesmal im Keller geblieben. Warum auch immer. Keine Zeit, keine Lust. Den kleinen Baum hat Frau hübsch mit Figürchen und Lametta behängt, sodass ich keine Lichterketten mehr anbringen konnte. Die kommen eigentlich zuerst. Aber gut. Platz für den großen Baum hätten wir im Wohnzimmer eh nicht gehabt. Eigentlich nirgendwo. Höchstens im Wintergarten. Da sieht ihn bloß keiner.
- Die Seuche hat das diesjährige Fest geprägt. Ooch, Lockerungen, ooch, Familien müssen sich doch treffen dürfen, ooch, das Leben ist so hart und gemein, ooch, die Menschen in den Seniorenheimen und den Kliniken, ooch … Im Grunde hat Weihnachten 2020 nur mitgeholfen, die Unvernunft der Menschen nach oben zu schaufeln. Und wir haben trotz allem noch Glück – die Vollverblödeten kommen erst Silvester aus ihren Löchern. Diesen Explosivtraditionalisten hat man ja schon in den einschlägigen TV-Sendungen – »Brisant« zum Beispiel – genügend Raum geboten, ihre Dummheiten zu verbalisieren. Silvesterballerei als Tradition. Dummheit ist auch Tradition. Unausrottbar.
- Ich habe viele Aspekte übersehen. Nicht erwähnt. Vermutlich verdrängt. Keine Ahnung. Weihnachten ist krank. Ich empfinde es mit steigendem Alter als zunehmende Belastung, mich überhaupt auch nur ansatzweise mit diesen unchristlichen Zwängen des Konsums und der Pseudotradition zu beschäftigen. Ich verstehe nicht nur nicht, was das alles soll – ich will es auch nicht verstehen. Ich habe vor vielen Jahren Weihnachten in Südafrika zugebracht. Heiligabend am Strand. Weihnachtsbäume mit Sprühschnee. Grillen am Strand bei 30 Grad im Schatten und im guten Anzug. Sekt, Champagner, Bier, Steak, Grillwürstchen. Es war ein Erlebnis, hat mir aber auch gezeigt – und daran erinnere ich mich immer wieder – wie völlig verblödet der Umgang mit diesen Tagen ist. Nicht nur in diesen Zeiten der Seuche. Nein. Immer.
- Weihnachten ist krank. Die Menschen sind es ja auch.