Peter Hofmann
UNTERIRDISCHES MALTA
Ein Exkursionsführer zu den Höhlen und unterirdischen Objekten der Inselgruppe
Books on Demand, Norderstedt, Februar 2009, Paperback, 96 Seiten, ISBN 978 3 8370 7576 2
VORBEMERKUNG
Ich bin Malta-Fan. Alles, was mit Malta zu tun hat, interessiert mich. Im Laufe der letzten zwölf Jahre habe ich eine umfangreiche Sammlung von Büchern, Videos, DVDs etc. angelegt. Zahlreiche Bücher, die neu hinzukommen, landen erst einmal ungelesen in der Sammlung, aber manchmal picke ich mir auch ein Buch heraus, dessen Thema mir interessant scheint. Was bei diesem Buch hier der Fall war.
WORUM GEHT ES?
Malta ist eine Insel, die aus geologischen Gründen reich an Höhlen ist, insbesondere, wenn man die geringe Fläche der Inseln berücksichtigt. Einige der »Objekte«, die Hofmann hier bespricht und erwähnt, sind weithin bekannt: das »Azure Windows« mit dem »Inland Sea«, die »Blue Grotto«, das »Hypogäum« in Paola, Għar Dalam und Għar Ħasan und andere. Die Liste der erwähnten und beschriebenen Höhlen – und höhlenähnlichen Objekte – bei Hofmann ist deutlich länger. Beschrieben werden die »Objekte« im Rahmen sogenannter »Wege« im Sinne von Wanderrouten, wie man sie in Wanderführern zu finden pflegt.
WIE IST DER STIL?
Der Schreibstil des Autors ist etwas ungelenk, nicht sehr geübt, aber durchaus lesbar; und für ein Buch dieser Art ist das in Ordnung, hier muss und soll man keine literarischen Meisterwerke erwarten. Die Informationen weiß der Autor zu vermitteln, das ist wohl das Wichtigste.
WAS GEFIEL NICHT?
Zuviel.
Die Texte enthalten sachliche Fehler (siehe dazu bei den Zitaten), die ein Lektorat – das es ebenso wenig gab wie ein echtes Korrektorat – hätte aufdecken müssen und können.
Die Unterteilung in »Wege« erweckt den Eindruck, man finde Beschreibungen von Wanderungen vor, die einen von Objekt zu Objekt führen, das ist jedoch nicht wirklich der Fall; oft genug weiß der Autor von einigen Objekten gar nicht wirklich, wo sie sich befinden und erwähnt sie nur der Vollständigkeit halber (aber immerhin …).
Die Fotos – allesamt in Farbe – sind zu klein, und obwohl das weiße Papier die Bildqualität unterstützen sollte, wirken sie eher wie schluderig designte Briefmarken. Gerade bei den Bildern hätte ich mir mehr Opulenz vorgestellt.
Die Optik ist einigermaßen ordentlich gemacht – ich tippe einmal mehr auf Word oder OpenOffice –, von einem wirklichen Layout kann allerdings keine Rede sein.
WAS GEFIEL?
Die Idee. Immerhin ist es wohl in der Tat so, dass es im deutschsprachigen Raum bislang keine Zusammenstellung solch einschlägiger »Objekte« auf den maltesischen Inseln gab. Inwiefern die Zusammenstellung wirklich vollständig ist, kann ich nicht ohne weiteres nachvollziehen; inwiefern sie überhaupt vollständig sein muss – angesichts der Tatsache, dass Hofmann die wichtigsten »Objekte« jedenfalls erwähnte –, sei dahingestellt.
EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?
Gerne. Oder leider.
Gleich auf Seite 9 findet sich der erste Fehler: »Die Republik Malta, Mitglied der EU seit 2002 und seit 1.1.2008 dem Euroraum angeschlossen, […]« Malta ist am 01. Mai 2004 der EU beigetreten.
In einem 2009 erschienenen Buch über Malta das Folgende zu schreiben (Seite 13), halte ich für gewagt:
»Man kann an dieser Stelle nicht verschweigen, dass Malta touristisch nicht ganz ohne Probleme ist. Leider ist der Hotelstandard insgesamt sehr niedrig, alle ehrlichen Reiseführer weisen darauf mehr oder weniger deutlich hin, die Sterneeinteilung nach lokalem Standard kann man nach mitteleuropäischem Standard meist gut einen Stern nach unten korrigieren.«
Nach meinen eigenen Erfahrungen war das schon 1994 – zum Zeitpunkt meiner ersten Reise nach Malta – nicht richtig, wenn man das richtige Hotel wählte. Hofmann allerdings erwähnt im folgenden Absatz, im Qawra Palace in Qawra abgestiegen zu sein, einer Gegend Maltas, die sehr auf Tourismus ausgelegt ist; da glaube ich ihm seine Ausführungen gerne, wenn es um einzelne Hotels geht. Die wirklich guten Hotels, die ihren vier und fünf Sternen wirklich gerecht werden, liegen woanders: In San Giljan zum Beispiel (Westin Dragonara), oder auf Gozo (Ta Cenc, Kempinski), oder in anderen, touristisch eher weniger belagerten Gegenden der Inseln.
Auf Seite 14 finden sich gleich zwei Anmerkungen, die ich so nicht begleiten würde:
»Dazu kommt die gewaltige Siedlungsdichte der Insel, nach Liechtenstein und Moanco der am dichtesten besiedelte Staat der Welt! Natur pur wird man also nirgends finden, die Orte wachsen häufig schon fast ineinander, die Vororte von Valletta dehnen sich immer weiter aus und bilden einen Siedlungsbrei von bedrückender Tristesse.«
Einem möglicherweise Naturmenschen wie Hofmann sei dergleichen verziehen, auch wenn es das nicht richtiger macht: Das Städtekonglomerat um Valletta herum ist sicherlich für manch einen Urlauber eher beängstigend denn beeindruckend, aber von dieser Metropole vermeintlich unbesehen auf den Rest der Inseln zu schließen, das ist ein Fehler. Es gibt Natur pur in der Republik Malta: auf Gozo, auf Comino, auf Malta im Norden, Westen und Süden.
Und:
»Kein Wunder, dass das Wandern dem Malteser vollkommen unbekannt ist, beschilderte Wege gibt es nicht. Natürlich kann man verschiedene Routen auf kleineren Straßen und Trampelpfaden abgehen, verschiedene Reiseführer bemühen sich um Beschreibungen, aber rechte Freude wird nicht aufkommen.«
Auch das ist so korrekturwürdig. Die Malteser wandern durchaus – sie sind bei rund 400.000 Einwohnern eben zahlenmäßig eine kleinere Gruppe als die Deutschen mit ihren 80 Millionen Einwohnern. Und es gibt eine Reihe von einschlägigen Wanderführern, die sehr schöne Routen auf den Inseln beschreiben. Und inwiefern sich z. B. deutsche Wanderwege von maltesischen unterscheiden sollen, ist mir nicht eingängig. Kleine Straßen und Trampelpfade begeht man in Deutschland immerhin auch.
Zum »Hypogäum«, dem unterirdischen Tempel in Paola, schreibt Hofmann auf Seite 24:
»Das Sonnenlicht drang nur bis in die obersten Räume, die oberste Ebene war ursprünglich nach oben offen. Die inneren Kammern jedoch lagen im Dunkeln, erfüllt vom Geruch der verwesenden Körper. Im Verlauf von 1.000 Jahren wurden etwa 7.000 Menschen hier bestattet! Alte Knochen wurden dabei nicht entfernt, sondern nur zur Seite geschoben. Das Hypogäum wurde immer wieder erweitert. Fundgegenstände lassen darauf schließen, dass der soziale Rang der Toten beachtet wurde. Die Menschen verehren offenbar also ihre Toten stark.«
Ich habe hier zum ersten Mal gelesen, dass die oberste Ebene des Hypogäums ursprünglich nach oben offen gewesen sein soll, und ich wage das zu bestreiten, denn auch heute noch ist die oberste Ebene des Hypogäums deutlich erkennbar eine Höhle. – Darüber hinaus ist bis heute unklar, wozu das Hypogäum wirklich diente. Sicher ist nur, dass die eigentlichen Erbauer des unterirdischen Tempels denselben eben nicht als Begräbnisstätte nutzten, sondern dass dieser Missbrauch zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt von nachfolgenden Kulturen betrieben wurde, und hier auch von einer besonderen Achtung oder Verehrung der Toten im Großen und Ganzen nicht mehr, allenfalls in Einzelfällen die Rede sein konnte.
Auf Seite 69 schreibt Hofmann:
»Am 15. April 1942 verlieh König Georg VI. das Georgskreuz an Malta zu Ehren der tapferen Einwohner. Malta ist damit das einzige Land, dem diese besondere Auszeichnung verliehen wurde.«
Das ist falsch. König Georg VI. verlieh das Georgskreuz dem maltesischen Volk.
Eine tatsächlich völlig falsche Wegbeschreibung findet sich unter dem »Weg XII: Quasam Barrani – Im Tal der Höhlen«. Dort steht zu lesen:
»Verlässt man den Ort Mellieha« (im Norden Maltas gelegen) »auf der Straße Nr. 1 Richtung Norden, passiert man einen letzten Kreisel mit einer Tankstelle (südwärts zweigt die Straße 117 nach Manikata ab). Wenig später beschreibt die Straße eine S-Kurve, gleich danach rechts befindet sich eine Parkmöglichkeit an der Abzweigung eines kleinen Sträßchens zum Bauernhof San Niklaw. (Der Name ist auf der f&b-Karte verzeichnet, aber nicht das Gebäude.) Besser ist der Haltepunkt von Norden kommend anzufahren, weil dann in Fahrtrichtung (links!).«
Abgesehen von der Tatsache, dass Hofmanns Empfehlung der f&b-Karte (Freytag & Berndt, 1:30000) eine der schlechtesten Karten der maltesischen Inseln hervorhebt (das Kartenmaterial von Kompass ist auch nicht optimal, aber immer noch von allen verfügbaren Karten am besten; für die Bereiche in und um Ortschaften sind »The mAZe« bzw. die »RMF Road Maps« empfehlenswert), irrt der Autor bei den Himmelsrichtungen.
Der erwähnte Kreisverkehr mit Tankstelle liegt südlich bzw. südöstlich von Mellieha. Fährt man dort die Straße 1 quasi zurück nach Mellieha – sie fungiert als Umgehung des Ortes – gelangt man zunächst an eine Abzweigung (links) nach Zebbiegh, dann an die erwähnte Abzweigung nach Manikata – und dort gibt es einen weiteren Kreisverkehr, den Hofmann vermutlich meinte, an dem sich aber keine Tankstelle befindet und der gleichermaßen südlich von Mellieha liegt, nicht nördlich. (Auch an dem einzigen Kreisverkehr, den man nördlich von Mellieha liegend annehmen könnte, gibt es keine Tankstelle.)
Wenn man übrigens von Norden kommt, fährt man genau auf der gegenüberliegenden Seite der Straße – Linksverkehr!
Auf Gozo findet sich im Xagħra bzw. Brocktorff Circle angeblich ein weiteres Hypogäum, allerdings habe ich bislang in so ziemlich jeder Literatur nur Annahmen dazu gelesen, jedoch keine wirklichen Beweise, von Fotos ganz zu schweigen. Kein Wunder:
»Das Areal ist nicht zugänglich und wird noch erforscht. […]«
Das Areal ist nicht nur nicht zugänglich, es ist auch praktisch nicht zu finden, wenn man nicht gezielt – und hartnäckig – danach sucht. Es befindet sich an einem Punkt, den man über eine kleine Gasse an einem Gebäude vorbei erreicht und nachdem man einen Acker (!) überquert hat. Dann steht man vor einem umzäunten Gelände mit einem verschlossenen Tor, versehen mit einem Schild, wo man sich den Schlüssel holen könnte.
Ich habe mehrmals überlegt, das zu tun, aber schon vom Tor aus sieht man, dass die Anlage eigentlich uninteressant ist, jedenfalls in dem Zustand, in dem sie 1994, 1999, 2005, 2007 und 2009 war. Denn die Behauptung, dass dort geforscht würde, ist schlicht ein Witz.
Der »Weg XVIII« widmet sich dem »Azure-Window«, wohl die bekannteste Sehenswürdigkeit der Inselrepublik. Auf Seite 85 schreibt Hofmann:
»[…] Das umliegende Meer ist sehr tief und von tiefblauer Färbung, was den Namen Azure-Window erklärt (azure = himmelblau). Vor dem Azure Window liegen Blue Hole und The Chimney, zwei der beliebtesten Tauchplätze auf Gozo. […]«
Nach der mir bisher zugänglichen Literatur stammt der Name des »Azure Window« von der Farbe des Himmelsausschnitts, den man in dem Felsentor sehen kann. »Blue Hole« und »The Chimney« sind ein Tauchplatz, so weit ich informiert bin; »Blue Hole« wird der obere Teil, quasi der Einstieg ins Meer genannt, während der »Kamin« die Taucher in die Tiefe und ins eigentliche Meer geleitet. Der Tauchpunkt ist gerade an dieser schnell unruhigen Stelle sehr beliebt, weil »Loch« und »Kamin« einen gefahrloseren Einstieg auch bei stärkerem Seegang ermöglichen.
Auf Seite 88 findet sich ein durchgängig zu findender Schreibfehler: Die Bucht heißt nicht »Mgiarr ix-Xini«, sondern »Mgarr ix-Xini«; insgesamt fällt auf, dass Hofmann es unterlassen hat, sich bei den maltesischen Namen und Bezeichnungen der Verwendung der maltesischen Sonderzeichen zu befleissigen.
Letztlich findet sich in den Literaturhinweisen noch eine Anmerkung zu Ingeborg Tetzlaffs DuMont-Kunstreiseführer »Malta und Gozo«; zu der Ausgabe von 1986 schreibt Hofmann: »Guter Kunstreiseführer, in aktuellerer Fassung erhältlich, hier nur aus Gründen der Vollständigkeit angeführt.«
Tatsächlich ist dieser Reiseführer auch heute noch von hoher Qualität; erstmals erschien er 1977, 1986 in der 5. Auflage, und zum letzten Mal 1992. Die Gründe, warum dieser ausgezeichnete Reiseführer eingestellt wurde, sind mir nicht bekannt.
Zu all diesen Zitaten sei erwähnt, dass sie insgesamt nicht wirklich tragisch sind – sieht man vielleicht von dem Himmelsrichtungsfehler in Sachen Mellieha ab, der einen doch ziemlich in die Irre führen könnte. Aber insgesamt werfen sie ein Bild. Man könnte es »mangelhafte Recherche« betiteln. Oder dem Autor vorwerfen, dass er sich doch um die eigentlichen Objekte hätte kümmern, den Reiseführerteil jedoch den Profis – von denen er vor allem Michael Bussmann, der wirklich ein Profi in Sachen Malta ist (seine Reiseführer gehören neben denen von Werner Lips zu den Topreiseführern zu Malta), hervorhebt – überlassen sollen.
ZU EMPFEHLEN?
Ja. Für Malta-Fans, für Höhlenfans.
NOCH WAS?
Der Autor betreibt das »Netzwerk Mensch & Höhle« und hat das Buch wohl unter anthropospeläologischen Gesichtspunkten geschrieben. Tatsächlich geht das Werk über die weitesten Strecken an dieser Richtung vorbei. Was aber ein weiteres Mal nicht wirklich tragisch ist.