Rauthriller mit Spannung und kleinen Schönheitsfehlern

G. Arentzen
ICH, KILLERIN
Ein 2098-Roman
Shut-Up Verlag P. Arentzen, Rülzheim, 2010, PDF-Datei, 286 Seiten, ISBN der Printausgabe: 978 3 00 032840 4

VORBEMERKUNG
Die Familienverhältnisse sind nicht ganz eindeutig, aber ich vermute, dass die Verlagschefin »P. Arentzen« mit G. aka Günter Arentzens holdem Eheweib identisch ist, dem das vorliegende Buch auch gewidmet ist. Günter ist durchaus bekannt, nicht nur durch geisterspiegel.de, sondern durch eine ganze Reihe von durchaus lesbaren Veröffentlichungen. Ich bekam das Buch als als eBook kolportierte PDF-Datei und las es mangels vorhandenem eBook-Reader auf Papier. Manchmal gönne ich mir sowas noch …

WORUM GEHT ES?
Julia-Jaqueline aka J. J. Simoni ist Killerin. Ausgebildet. Abtrünnig gegenüber ihren Ausbildern. Eine von diesen Kampfmaschinen, die man auch aus Filmen kennt – Ähnlichkeiten zu Alice aus »Resident Evil« sind vielleicht nicht gewollt, aber durchaus vorhanden und gut passend. Am Anfang ist sie nach einer mörderischen Tour de Force geschnappt und für alle Zeiten eingebuchtet worden, wird wieder aus dem Knast geholt, aus dem sie nie wieder entkommen sollte, um einen vermeintlich heiligen Revoluzzer zu erlegen. Aber so ziemlich alles läuft anders, als jeder Beteiligte sich irgendetwas vorstellt.

WIE IST DER STIL?
Hart, rau, gemein, fies, eindeutig. In einem amerikanischen Film nach diesem Drehbuch würden zahlreiche Textstellen weggepiept; in Großbritannien sicherlich auch. Das Lektorat von Anke Brandt (geisterspiegel.de, sic!) ist erkennbar und gut. Günters Schreibe ist dem Genre nicht angemessen – nein, seine Schreibe ist das Genre. Wenn man es genau nimmt, ist das das Problem mit dem Huhn und dem Ei. Wie man es dreht und wendet, wie man es mag oder auch nicht mag, der Roman liest sich wie ein Zäpfchen: Er flutscht.

WAS GEFIEL NICHT?
Das Korrektorat. Kleinigkeiten. Dummheiten. Überflüssiges. Mehr nicht. Der Roman ist nicht wirklich schön, aber das muss er auch nicht sein.

WAS GEFIEL?
Der Stil. Siehe oben.

EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?
Ja, aber die beziehen sich eher auf die Dinge, die nicht so gefallen haben. Dennoch:
Kleinkram, der meinen Lesefluss gestört hat (dank Günters Schreibstil nicht wirksam und endgültig, aber doch störend):
»Ich habe das Kommando über die Baracken acht bis zwölf.« – hier schreibt man die Zahlen als Ziffern, nicht als Worte (Seite 12). (Und das setzt sich im Folgenden fort. Dort, wo die Ziffern als Worte gelesen werden sollten, finden sie sich als Ziffern, dort, wo sie Ziffern sein sollten, finden sie sich als Worte. Da fehlt ein Plan.)
»So, als würde ich neben mir stehen, nehme ich es war.« – »wahr« schreibt sie immer noch mit »h», wie »Wahrheit«, von dem es stammt oder wohin es führt (Seite 20, vorletzter Absatz).
»›Vielleicht gehe ganz woanders hin.‹« – eine erkennbare fehlende Fehlerkorrektur (Seite 77).
»Ihre Tränen sind versiegt, der Blick noch immer weidwund.« – bitte! Es gibt einen Duden! (Seite 92)
Ein wundervoller Absatz, in dem gleich drei Böcke enthalten sind (Seite 94 unten, Seite 95): »Keine Sorgen. Die hat gut reden. Tatsächlich bestehe ich ausschließlich aus Sorgen. Um sie, um mich, wegen des Jobs, Saint Michael, Wortmann, wegen dem Leben und auch wegen dem Sterben.« Die erste Zeile auf Seite 94 unten ist ausgerissen, weil eine Trennung fehlt. Die letzte Zeile ist ein Schusterjunge, einsam auf Seite 95 oben. Und enthält noch einen stilistischen Fehler, denn es muss »wegen des Lebens und auch wegen des Sterbens« heißen. Da hatte irgendjemand einen ganz schlechten Moment.
»Wozu sich mit Wiederholungen, Schreibgehlern und Zeiten herumärgern? Wozu viel Geld für Lektoren ausgeben?« Das stand in einem fiktiven Handbuch für eine Maschine namens Psychomatic 2100 – und verdammt noch mal, ich liebe Maschinen, deren Handbuchschreiberfuzzis ihre dämlichen Fragen gleich selbst beantworten! (Seite 103)
»Lara hatte mich nach meinem Erwachen mit einem köstlichen Frühstück überrascht. Kaffee, Joghurt, Fürchte, Müsli, Brötchen und verschiedene Aufstriche.« – »Fürchte« … nein! (Seite 119)
»›Du nimmst mich nicht ernst‹, stellt er zornig fest. – ›Dafür solltest du froh sein. Würde ich dich ernst nehmen, …‹« – »Dafür solltest du froh sein …«; in welchen Gegenden der Welt spricht man denn so ein Deutsch? (Seite 258)

Zwei bemerkenswerte Textstellen:
»Schwer sinke ich in den Sessel und ziehe das schmutzige, zerrissene Oberteil aus. Die Wunde an der Schulter blutet, die Schrammen ebenfalls. Die Verletzung am Arm pocht, als würde sie sich entzünden. Der Einband der Bibel mag heilig sein, hygienisch ist er nicht.« (Seite 204) – Kein Kommentar dazu.
»Woher wusste der Schweinehund 1992, was mal sein würde – keine hundert Jahre später? Noch während ich darüber nachdenke, dämmert mein Bewusstsein weg.« (Seite 255) – Sie hätte mal besser weiter darüber nachgedacht, dann wäre ihr aufgefallen, dass der Roman 2098 spielt, also mehr als hundert und nicht »keine hundert« Jahre später (von was auch immer).

Der Bock zum Schluss (Seite 286):
»Life ist bitch – das Leben ist eine Schlampe.
Fuck, ich bin es auch!«
Die letzten beiden Zeilen hinterlassen einen enttäuschenden Nachgeschmack. Ausgerechnet. Ein Tippfehler. Ein dämlicher Spruch. Das hat nicht gefallen, sorry.

ZU EMPFEHLEN?
Ja. Trotz allem Kleinkram. Der Plot ist gut aufgebaut, gut durchgehalten, der Stil ist lesbar, gut, spannend. All meine Kritik ist Ameisenfickerei, aber da stehe ich drauf. Wer einen knallharten SF-lastigen Thriller mag, ist hier richtig. Die Klassifizierung als »Dark Fiction« sehe ich anders, aber manchmal überlege ich eh, was diese ganzen dämlichen Schubladen sollen, aus denen solche Werke immer noch mit zwei Buchecken herausragen, weil sie halt doch nicht richtig reinpassen.

NOCH WAS?
Wie immer bei solchen Produktionen habe ich am Layout zu bemeckern, dass es unprofessionell ist. Überschriften, die kursiv und gleichzeitig fett gestellt sind – no go! Subtitel, die unterstrichen werden – no no no go! An zahlreichen Stellen fehlen Trennungen, um aufgerissene Zeilen zu verhindern (z. B. auf Seite 19, gleich zweimal); besonders schön sind die in der ersten Zeile einer neuen Seite (hier: 177). Hurenjungen, Schusterkinder … ach nee, umgekehrt: Hurenkinder, Schusterjungen, und davon nicht zu wenige (und darunter ganz besonders krasse, wie das völlig vereinsamte »ist.« vor einer Leerzeile auf Seite 21 oben). Seitenzahlen unten auf Leerseiten. Fußnoten, die angebracht wurden, finden sich am Ende des Romans (also als Endnoten); keine gute Idee, den Lesefluss ungestört aufrechtzuerhalten.

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