Andreas Brandhorst
OMNI
Piper, München/Berlin, 2016, Klappenbroschur, 551 Seiten, ISBN 978 3 492 70359 8
VORBEMERKUNG
Ein neuer Brandhorst, also auch ein Buch für den Deutschen Science-Fiction-Preis. Und ich fürchte schon ein wenig, es könnte der nächste Preisträger in der Sparte »Roman« sein.
WORUM GEHT ES?
Forrester und seine Tochter Zinnober haben Mist gebaut und verstecken sich auf einem Planeten, den sie »Verlorenes Paradies« nennen. Verloren geht es auch, denn die »Agentur«, Forresters früherer Arbeitgeber, findet ihn und zwingt ihn, einen außergewöhnlichen Auftrag anzunehmen. Er soll Aurelius entführen, einen von nur sechs zehntausendjährigen Menschen, die Zugang zu Omni, dem Zusammenschluss diverser Superzivilisationen, haben. Die Entführung dient einem simplen Zweck: Aurelius soll Benedikt und seiner »Agentur« die Nutzung eines besonderen, eines ganz besonderen Artefakts ermöglichen, mit dessen Hilfe Benedikt die Menschheit in den Rang einer Superzivilisation erheben will.
Der Plan ist einfach, scheitert aber an Forresters Sturheit. Statt die Menschheit retten zu wollen, will er erst seine Tochter retten – was auch gelingt. Aber es vergeht zu viel Zeit, sie rennt quasi davon, es gibt zu viel Durcheinander, Lebewesen sterben, und am Ende ist die entscheidende Kurve nur noch mit größter Mühe zu kratzen.
WAS GEFIEL?
Brandhorsts Schreibstil ist weitgehend über Kritik erhaben.
Über seine Figurenzeichnung kann man sich streiten, aber das »sture Arschloch« Forrester, der einfach nicht auf das hören will, was weisere Menschen und Lebewesen ihm klarzumachen versuchen, ist ihm gut gelungen. Auch Forresters Tochter Zinnober – so ihr Rufname – ist Brandhorst gut gelungen: Ein kleines Miststück, letztlich dem Vater sehr ähnlich, und man weiß nie genau, ob sie noch pubertiert oder schon erwachsene Frau mit eigenem Dickschädel ist.
Aurelius, der Zehntausendjährige, ist ihm ein wenig flach und farblos geraten, aber ein wirkliches Problem ist das nicht.
Brandhorsts neues Universum, sein »Omniversum«, hat mir sehr gut gefallen. Der Omni genannte Zusammenschluss von Superzivilisationen, der für allmächtig gehalten wird, es aber durchaus nicht ist, ist ebenso fantasieanregend wie KopKo, die Korporationen und Kooperativen, die die Menschen im Universum repräsentieren und mal nicht einfach nur Planeten oder Sonnensysteme darstellen, die miteinander Handel treiben oder auch konkurrieren und sich auch mal gegenseitig auf die Nerven gehen. Es gibt reichlich Fremdrassen, und es gibt viel Supertechnik in Form von Artefakten, die viele außergewöhnliche Dinge bewirken können, wenn sie dann einmal da sind, wo sie wirklich gebraucht werden (was zumindest im ersten Roman aus diesem »Omniversum« in der Regel genau nicht der Fall ist).
Die Handlung ist spannend geschildert, spannend ausgedacht, einfach spannend. Es gibt jede Menge Winkelzüge, Wendungen, die man eigentlich als Leser gar nicht haben will, man wird immer wieder gezwungen, hinzunehmen, dass der Autor seine Figuren auf jedem Weg, nur nicht auf dem geradesten zum Ziel zu schicken gedenkt, und man kann nichts dagegen tun. Außer vielleicht Fingernägel kauen, mitfiebern, zittern, bibbern, hoffen und beten, dass es nun doch endlich weiter geht und nun doch endlich wenigstens einmal so aussieht, als könnte alles gut gehen, einmal doch wenigstens … bitte, bitte …
Am Ende gibt es ein Happy End, allerdings ohne großen Bombast, sondern fast ein wenig entspannend, so wie man sich nach dieser Par-force-Jagd durch den eigenen Gehirnkasten ein Happy End vielleicht wünscht. Oder wahrscheinlich wünscht. Das Buch ist zu Ende, alles ist gut, man legt wohlig seufzend das Buch zur Seite, und man weiß …
Tja. Was weiß man denn? Stand in diesem Buch wirklich alles, was man wissen musste, sollte … wollte?
WAS GEFIEL NICHT?
Nix.
ZU EMPFEHLEN?
Aber auf jeden Fall! Für mich ist »Omni« bislang das beste SF-Buch eines deutschen Autors, das 2016 erschienen ist. Für mich ist »Omni« mein Nominierungskandidat Nummer eins für den DSFP 2017, und von mir wird »Omni« als bester Roman des Erscheinungsjahrs 2016 die volle Punktzahl erhalten. Das ist mal sicher.
NOCH WAS?
Ich glaube, irgendwo gelesen zu haben, dass Brandhorst mit »Omni« ein neues Universum aufgelegt hat, in dem noch weitere seiner Romane handeln werden. Ich würde mich sehr darüber freuen. Das »Omniversum« gefällt mir.
Ein Bonmot noch zum Abschluss: Ich meckere ja gerne über die Layouts anderer Bücher, anderer Verlage. Piper hat mit »Omni« ein Buch mit einer sehr schönen, wenn auch nicht ganz einwandfrei lesbaren Schrift vorgelegt; sie ist gewöhnungsbedürftig, aber durchaus angenehm. Und der »Setzer« (oder wie immer die Leute nennt, die heute den Umbruch machen) hat sich einen lustigen Klops geleistet.
Man sollte Worte nicht über einen Seitenwechsel hinweg trennen. Von der linken zur rechten Seite kann man das gerade noch verkraften. Von der rechten zur nächsten linken Seite ist das schon happiger. Köstlich ist es aber nachgerade, wenn das Wort »Holodeck« über einen Seitenwechsel getrennt wird: »Hol-« auf der rechten Seite, und »odeck« auf der nächsten linken.