Matthias Falke
DER ECHO-KOMPLEX
Erzählungen. BoD, Norderstedt, 2010, Hardcover mit Schutzumschlag, 155 Seiten, ISBN 978 3 8423 2583 8
VORBEMERKUNG
Matthias Falke ist einer meiner Autoren, und ich bin stolz darauf. Ich bin auch stolz darauf, dass er meinen Verlag p.machinery (www.pmachinery.de) als seinen Verlag bezeichnet, obwohl er als Selbstverleger (bei BoD, Norderstedt) sehr viel fleißiger ist als ich. Und ich halte Matthias Falke für einen Autoren weit jenseits der Science Fiction oder überhaupt fantastischen Literatur, der über viel breitete, viel größere schreiberische Fähigkeiten verfügt, als für SF und Fantastik notwendig wären.
WORUM GEHT ES?
Ja, das ist es. Matthias macht es einem nicht immer leicht. Er lässt sich nicht in Schubladen stecken, auch wenn es manchmal so aussieht. Und er macht es einem nicht immer einfach, zu beschreiben, worum es in dem Werk geht, das man gerade gelesen hat.
Der Klappentext ist in diesem Falle nicht hilfreich. Es scheint mir um einen Mann und eine Frau – Echo – zu gehen, wobei der Mann auf eine seltsame, niemals definitiv erklärte Art und Weise unsichtbar ist. Er wird von der Frau nicht wahrgenommen – und doch wieder, er wird von den Menschen nicht wahrgenommen – und das scheint ihm nach einer Eingewöhnungszeit gut so, und am Ende ist er allein – auch Echo ist fort.
WIE IST DER STIL?
Wie bei Matthias Falke manchmal üblich sehr bildhaft, sehr wortschatzumfangreich – bis hin zu Eigenschöpfungen, die ich stellenweise nicht akzeptieren will. Und leider unlektoriert, denn da sind eine ganze Reihe Fehler durchgeflutscht, die man hätte vermeiden können.
WAS GEFIEL NICHT?
Das weiß ich hier gar nicht. Normalerweise fällt es mir leicht, einem Falke vorzuwerfen, dass er mir nicht gefällt, wenn er mir nicht gefällt. Aber auch wenn ich diesen Echo-Komplex für alles, nur nicht für SF, Fantastik oder sonst was in der Richtung halte, sondern für ein philosophisches Stück Literatur über Literatur, Wissenschaft, Philosophie und das Theater letztlich der menschlichen Gesellschaft, dann heißt das noch nicht, dass es mir nicht gefallen hat. Es war, wie oft in diesen Falke-Werken, nicht einfach zu lesen; es ist ein Hardcore-SF-Roman aus seinem Enthymesis-Universum oder aus der Star-Voyager-Ecke, in der auch ein Matthias Falke Hardcore schreibt. Und dennoch …
WAS GEFIEL?
Auch das weiß ich nicht. Das Buch, bestehend aus drei Geschichten, die zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden und die im Laufe der kommentierten und zerteilten Handlung – sofern man von einer solchen sprechen möchte – klarer und deutlicher werden, lässt sich gut lesen, auch wenn man sich als Leser nicht selten fragt, was man da eigentlich liest. Man merkt dem Werk an, dass es nicht einfach als lose Gedankenabfolge heruntergeschrieben wurde, aber an manchen Stellen zweifelt man ein wenig daran, auch wenn man gleich darauf wieder eines anderen überzeugt wird.
Am besten gefallen hat mir eine sehr, sehr surrealistische Szene am Anfang der dritten Geschichte »Winter ohne Echo«, als Echo und der Protagonist, der unsichtbar, an sich namenlos war, aber manchmal als Gregor bezeichnet wurde, in einer Hotelsuite ankommen und sich darauf vorbereiten, es miteinander zu treiben, bis sie entdecken, dass in der Ecke des Zimmers ein Paternoster läuft, in dessen jeglicher Kabine alte, unbekleidete Menschen herauf und herunter fahren und dann auch aussteigen, bis die ganze Szene zu einem gigantischen Eklat führt, der Gregor fliehen und Echo verlieren läßt.
EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?
Ja, eine Stelle, in der es auch und vor allem um die Frage geht, warum sie – Echo – ihn nicht sehen kann.
Während wir den See durchmaßen, stelle ich dann doch wieder überflüssige und komplizierte Grübeleien an. Hätte sie, wenn sie zur Seite blickte, nicht die Hohlform sehen müssen, die mein unsichtbarer Körper in das Wasser pflügte? Hätte sie die Wellen nicht, die meine starken und verzweiflungssatten Züge auslösten und die mit den ihren liebevolle Interferenzen bildeten, wahrnehmen müssen? Das Nass, das mein asketischer Leib verdrängte und das wieder zusammenflutete, als ich an Land stieg, hätte es sich ihr nicht mitteilen, sie stutzig machen müssen? Aber so war es eben nicht. Sie sah ganz einfach nicht herüber, sondern schwamm schweigend und doch zielbewusst geradeaus. Sie war wie ein Tauber, der nicht hört, was ich sage, auch wenn ich nichts sage. Wie ein Blinder, der mein Gestikulieren so wenig wie mein Stillhalten realisiert. Sie war wie jeder Mensch, der nicht sieht, was in seinem Rücken geschieht – und der sich darüber doch nicht die geringsten Gedanken macht. Ich saß in ihrem blinden Fleck und sang in einer Frequenz, die sie nicht hören konnte. Im Rücken war ich von Echos Seele gestrandet und im Rücken der Welt, die immer in die andere Richtung blickte, was ich auch fuchtelte und anstellte.
(Seite 70)
ZU EMPFEHLEN?
Ja, ich denke schon. Das Buch ist kein Actionstück und es ist keine SF, es ist keine Fantastik. Es ist ein wenig surrealistisch und es ist sehr metaphysisch in Bezug auf Literatur, Wissenschaft, Philosophie, und – vor allem auch – Theater und das, was zum Theater dazu gehört.
NOCH WAS?
Nicht viel. Die übliche Kritik nur daran, dass Matthias seine selbst veröffentlichten Bücher nicht wirklich Korrektur liest, redigiert, auch nicht lektoriert, wie es scheint, und sein Layout vor allem darunter zu leiden hat, dass er nicht einmal die automatische Silbentrennung von MS Word benutzt. – Aufmachung und Handwerk des BoD-Hardcovers sind allerdings völlig in Ordnung.