Von Tuten, Blasen und totalem Blödsinn

Alexander Knörr
HAGAR QIM
Auf den Spuren eines versunkenen Kontinentes | Rätsel um die Insel Malta
Ancient Mail Verlag Werner Betz, Groß-Gerau, September 2007, Paperback, 283 Seiten, ISBN 978 3 935910 46 0

VORBEMERKUNG
Alexander Knörr hat sich ja inzwischen auch als Autor von SF-Romanen betätigt, nachdem er zuvor mit diversen Titeln wie diesem auf dem zweifelhaften Markt der schreibenden Laienwissenschaftler aufgetreten ist. Das Buch habe ich mir aus zwei wesentlichen Gründen vorgeknöpft: Es gehört zum einen in meine Malta-Sammlung; und zum anderen empfinde ich mitunter – und gerade wieder in dieser Zeit – perverses Vergnügen daran, Bücher zu lesen, die man nur verreißen kann. Aber ich greife vor …

WORUM GEHT ES?
Vordergründig sollte es laut Titel – Ħagar Qim ist einer der bekanntesten »Tempel« Maltas –, Untertitel und Buchrückseitentext um Malta und seine Geheimnisse gehen.
Tatsächlich geht es um andere Dinge. Es geht unter anderem um das in dieser Schreibermischpoche übliche Wissenschaftlerbashing, denn selbstverständlich ist es das unverbrüchliche Hauptziel aller arrivierten Wissenschaftler, neue Erkenntnisse zu verdammen, die Wahrheit zu verheimlichen und die Menschheit nach Strich und Faden zu verarschen. Was man von Laienwissenschaftlern eben nicht behaupten kann.
Und es geht um Ägyptens und Europas Pyramiden als Beweis für die Existenz einer Hochkultur – selbstverständlich am Ende auch mit außerirdischen Wurzeln – vor Urzeiten. Was Pyramiden mit Maltas Geheimnissen zu tun haben, wird freilich nicht erläutert. Aber wozu auch – in jedem Buch aus der Feder eines Laienwissenschaftlers gehört mindestens eine Erwähnung der ägyptischen Pyramide – die Cheops allen voran –, verbunden wiederum mit dem schon erwähnten Wissenschaftlerbashing.
Und in einem letzten Kapitel geht es dann noch um »Neuigkeiten aus Visoko«, von einer Pyramide in Bosnien, die wie schon angedeutet mit Malta nicht die Spur zu tun hat.

Zugegebenermaßen widmet sich der Autor auch Maltas Geheimnissen. Da sind zum einen die sogenannten »Cart Ruts«, die Karrenspuren, die, wie der Autor auf einer ausführlich beschriebenen, von schlechtem Wetter gebeutelten Reise selbst feststellen konnte, in ganz Europa und sonst wo auf der Welt zu finden sind. Das Problem ist, dass niemand weiß, was diese »Cart Ruts« hervorgerufen hat; das andere Problem ist, dass Laienwissenschaftler das zwanghafte Bedürfnis zu verspüren scheinen, eine möglichst blödsinnige, aber jedenfalls auf eine Hochkultur vor Urzeiten – sic! – hinweisende Erklärung zu finden, gleichgültig, wie sehr die Haare, an denen sie herbeigezogen wurde, zu leiden hatten.
Und die sogenannten »Tempel« Maltas sind natürlich keine Tempel gewesen, sondern Observatorien – und bei der Gelegenheit lässt sich dann gleich wieder die ganze Menschheitsgeschichte von Anbeginn an neu datieren, denn die Datierungen, mit denen wir bislang leben müssen, weil uns die arrivierten Wissenschaftler ja verarschen, können natürlich nicht richtig sein.
Und natürlich sind auch nachweislich natürlich entstandene Höhlen – wie Għar Dalam – oder die sogenannten Katakomben nicht das, wofür sie bislang gehalten werden. Und so weiter, und so fort … Die letzten beiden Kapitel vor den »Neuigkeiten aus Visoko« heißen »Auf den Spuren vergangener Technologie« und »Versunken im Atlantik«, und ich muss nicht einen der darunter beschriebenen Dinge beim Namen nennen, weil jedermann schon am Titel dieser Kapitel erkennen kann, worum es geht.

WAS GEFIEL?
Nichts. Es ist nicht so, dass ich Autoren mit Fantasie nicht zu schätzen wüsste. Aber das hier ist nicht das Produkt einer wie auch immer gearteten Fantasie. Ich glaube eher, das wäre korrekt mit einer Reihe von Fachbegriffen umschrieben, deren ich mangels Psychologiestudium nicht mächtig bin.

WAS GEFIEL NICHT?
Abgesehen von dem Unsinn, den der Autor in diesem Buch verzapft hat, und abgesehen davon, dass es ihm nicht nur offensichtlich schwer gefallen ist, sich ein thematisch einen roten Faden bildendes Konzept zu gönnen, sondern er auch einfach alles tabula rasa in das Buch gepackt hat, was andere Autoren aus dieser Laienwissenschaftlersippschaft schon irgendwann irgendwo verzapft und zusammengestoppelt haben, abgesehen davon, dass das unabhängig vom Namen und der Herkunft eines Autors und unabhängig vom vermeintlichen Thema eines solchen Buches immer gleiche Vorgehen solcher Schreiberlinge tödlich langweilig ist, wenn man zwei oder drei von diesen Schwarten gelesen hat, abgesehen von all dem stören mich zwei Dinge.
Das eine ist die immer wiederkehrende Frage, warum ein Verlag, der solche Bücher veröffentlicht, verdammt noch mal nicht in der Lage ist, seinem Buch ein Layout zu gönnen, das den Namen verdient hat, nicht in der Lage ist, einen Text Korrektur zu lesen – die Fähigkeit, ein Lektorat durchzuführen, erwarte ich ja schon gar nicht mehr – und ganz offensichtlich zu findende Fehler auch auszumerzen. Immerhin, das muss ich zugeben, wusste der Autor augenscheinlich, wie man die automatische Silbentrennung in seiner Textverarbeitung einschaltet.
Das andere ist die in meinen Augen ans Bodenlose heranreichende Unverschämtheit, mindestens jedoch verdammungswürdige Achtlosigkeit, die maltesischen Namen und Bezeichnungen nicht in der korrekten Schreibweise des maltesischen Alphabetes aufzuschreiben, und sie zudem noch mal in der, mal in einer anderen Schreibweise zu präsentieren.

ZITAT GEFÄLLIG?
Um Gottes willen – NEIN!

ZU EMPFEHLEN?
Ja, allerdings allenfalls für Leute, die ebenso pervers veranlagt sind wie ich, Bücher mit Vergnügen zu lesen, die man am Ende nur verreißen kann. Die Leute, die wirklich etwas über Malta und seine Geheimnisse wissen möchten, sind selbst mit den hauchdünnen Polyglott-Reiseführern aus den 60ern und 70ern des letzten Jahrhunderts besser bedient.

NOCH WAS?
Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass alle arrivierten Wissenschaftler mit dem, was sie als die Wahrheit erachten, immer recht haben. Es hat in der Menschheitsgeschichte genug Beispiele gegeben, bei denen sich die Wahrheit der einen Zeit in einer anderen Zeit anders darstellte, weil neue Erkenntnisse erlangt wurden. Aber die gewaltsamen Versuche dieser Laienwissenschaftler und Hobbyschreiberlinge, für alles, was möglicherweise noch nicht zur Gänze schlüssig erklärt ist, unbedingt eine Erklärung finden zu wollen, sind nervtötend; umso mehr, als dass jede dieser Erklärungen nie in Erwägung ziehen, dass es ganz natürliche Erklärungen geben könnte – z. B. für die sogenannten »Cart Ruts« –, dass es möglicherweise auch einfach Erklärungen geben könnte, auf die wir ums Verrecken mit all unserem Gehirnschmalz – jedenfalls dem einwandfrei funktionierenden – einfach nicht kommen können, sondern dass diese Erklärungen immer und unbedingt nur ein Ergebnis haben können: Wir stammen von Außerirdischen ab oder wurden jedenfalls von ihnen beeinflusst, gepimpt, was auch immer, Atlantis ist untergegangen, und alle Verschwörungstheorien dieser Welt sind wahr und richtig.
Ich für meinen Teil bin inzwischen felsenfest davon überzeugt, dass zu viel Science-Fiction krankmacht. Und ich kann es beweisen!

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