The Return of Michael Flatley as
LORD OF THE DANCE
Meine Holde hatte einen Termin in ihrem Outlook stehen, der eindeutig war: 23.11.2010, 20 Uhr, »Du hast einen Termin. Unaufschiebbar. Nicht abzusagen. (Notfalls schlepp ich deinen Sarg hin.)« Der Ort war der Louis-Spiridon-Ring 21 in München – die Olympiahalle.
Ich bin eigentlich DivXer von ganzem Herzen. Sämtliches geeignete Material landet bei mir als DivX auf einem für solche Zwecke eigens hingestellten Rechner. Es gibt nur ganz wenige DVDs, die einen besonderen Status, kurz als »all time favourite movies« (ATFM) bezeichnet, bekommen – und im Original in meinem Regal stehen. Es sind derzeit nicht einmal 15 Stück (irgendwann mache ich dazu mal einen eigenen Blogbeitrag ‹g›). Neben Michael Flatleys »Gold« und »Feet of Flames« gehört dazu natürlich auch – »Lord of the Dance«.
Dieser Umstand beschreibt die Bedeutung einer DVD für mich. Und ich liebe diese Flatley-DVD heiß und innig – und der letzte Genuss des Werkes (auf einem 26“-TFT an meinem PC-Arbeitsplatz, zwischen zwei 450-Watt-Sinus-Lautsprechern; das Ganze »nicht leise«) war der Anlass dafür, im Internet nach einer aktuellen Tournee zu sehen.
Es gab sie – und nicht nur einfach »Lord of the Dance«, sondern mit dem zurückgekehrten Michael Flatley, der sich laut Presseinfos der Rückkehrforderungen von Fans per Brief und Mail nicht mehr erwehren konnte (und wohl auch nicht mehr wollte). München liegt natürlich in günstiger Nähe, die Olympiahalle kannte ich von anderen Konzerten (Tina Turner, Phil Collins) als mehr als geeignet – und die nicht günstigen Ticketpreise konnten an meiner Entscheidung nichts ändern.
Dann war es so weit. Es gab noch die Frage zu klären, wie wir genau zum Olympiapark kommen wollten. Von Fürstenried aus mit der U3? Oder direkt vom Olympiaparkplatz? Ich checkte verschiedene Möglichkeiten, machte Notizen, und –
Ich holte meine Holde direkt von der Arbeit ab, und wir waren zeitig – kurz nach 19 Uhr – auf dem Parkplatz direkt am Olympiagelände. Überall im Internet liest man, dass bei Großveranstaltungen empfehlenswert sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen – möglicherweise wirkt das inzwischen, denn einen Parkplatz zu bekommen, war kein Problem. Kosten: vier Euro. Akzeptabel.
Wir waren um ca. 19.15 Uhr auf unserem Platz. L2, Reihe 11, 6 und 7. Die Halle war noch zu zwei Dritteln leer, füllte sich aber rasch. Und unsere Position war nicht schlecht. Flatley nutzte natürlich eine Kopfbühne – aus Platzgründen, wegen der Beleuchtung, der Kulisse. Dadurch ging ein nicht unerheblicher Teil der Bestuhlung verloren. Unser Platz war praktisch genau gegenüber der Bühne – was von der Entfernung her ein Opernglas sinnvoll gemacht hätte (wir haben es im Auto vergessen ‹g›), andererseits aufgrund zweier Leinwände rechts und links der Bühne nicht problematisch sein sollte.
Laut eventim.de war die Veranstaltung ausverkauft, obwohl reichlich leere Plätze zu sehen waren. Und die Show begann mit etwa zwanzig Minuten Verspätung …
Die Show selbst bestand aus zwei Teilen, einmal rund 40, zum zweiten rund 50 Minuten, dazwischen 20 Minuten Pause. Sie war nicht mehr mit der Show identisch, die ich von der DVD kannte – nicht ganz. Zum einen war die Besatzung eine andere, neuere – natürlich, die DVD war immerhin 12 Jahre oder älter. Die Sängerin war eine andere, ihre drei (statt früher zwei) Titel neu. Es gab Variationen der ganz bekannten Stücke, vor allem bei denen der Flötenspielerin – sie wirkten insgesamt ein wenig getragener. Dazu gab es mindestens zwei (ich glaube sogar, drei) neue Tanzstücke. Und eine etwas geänderte Reihenfolge gegenüber der DVD.
Aber all das machte wenig Unterschied. Das »Original« war wiedererkennbar. Und das auch trotz einer deutlich aufwendigeren Kulisse gegenüber dem DVD-Original: Scheinwerfer, die aus dem Hintergrund ins Publikum strahlten (und mit Spiegeln bzw. Filtern auf Laser aufgemacht werden konnten), sieben senkrecht hängende Leinwandbahnen, auf denen digitale Videos abgespielt wurden (während gleichzeitig hinter ihnen eine weitere Ebene für digitale Projektionen genutzt werden konnte), und letztlich eine mehrstufige Treppe, deren Front gleichfalls die Videopräsentationen abbilden konnte. Das war vor zwölf Jahren alles nicht der Fall (und meine Holde fand, dass das oft ein wenig zu viel des Guten war …).
(Michael Flatley bei der Tourpremiere in Belfast,
Foto von Brian McEvoy, geholt von michaelflatley.com)
Michael Flatley ist zurückgekehrt, aber er ist auch nicht mehr derselbe. Er ist älter geworden, er hat erkennbar zugelegt (weshalb die DVD-Szenen mit blankem Oberkörper nicht mehr zu sehen sind) und seine Leistungsfähigkeit hat nachgelassen; seine Präsenz hat im Publikum immer noch Begeisterungsstürme hervorgerufen, seine akrobatischen Leistungen in den entscheidenden Plotszenen – der Kampf gegen den Dieb des LOTD-Gürtels! – sind immer noch beeindruckend, aber insgesamt … Auch an Michael Flatley ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Und es war trotzdem ein Genuss, ihn zu sehen – und seine Steps zu hören.
Es gab nur zwei Zugaben, ein weiteres Zeichen vielleicht für die Zeit, die vergangen ist (es war das gleiche Stück wie auf der DVD, eben nur zwei Mal). Die Sängerin bekam ordentlichen Applaus mit Höflichkeitscharakter, ebenso das Mädchen mit der Flöte. Auch die einzelnen Tänzerinnen, die Geigerinnen … Getobt hat das Publikum bei den großen Stepgruppen … und direkt hinter uns saßen ein paar scheinbar beinharte Flatley-Fans :), ein unverzichtbarer Teil des Erlebnisses.
Ansonsten war das Publikum vielleicht einen Ticken zu alt. Während noch die erste Zugabe lief, standen schon die ersten älteren Herrschaften auf und gingen; und während ich mich daran erinnerte, wie sich BAP in Augsburg – irgendwann in den 80ern – auf die Bühne zurückklatschen, -brüllen und -trampeln ließ, war hier halt nach der zweiten und mit dem optischen Trick des Verschwindens beendeten Zugabe Schluß.
Insgesamt bin ich … hm, unschlüssig. Ich fand es toll, aber das Erlebnis war ein derart anderes (als nur die DVD zu schauen), dass ich wohl an der Verarbeitung noch arbeiten muss. Es war auf eine so völlig unerwartete Weise anders, dass es nicht enttäuschend sein konnte und kann, aber eben unerwartet. Das war auf der einen Seite wirklich überraschend, auf der anderen Seite gab es Reaktionen, die ich erwartet hatte –
Und ja. Auch wenn Flatley älter geworden ist, auch wenn ich das 1:1-Abbild der DVD, die ich schon so oft sah, ein wenig vermisste – auch die Show, die ich sehen durfte, hatte es gesteckt in sich. Es war einfach gut.
Eigentlich würde ich noch einmal hingehen wollen. Es stehen jetzt noch jede Menge Deutschland-Termine an (siehe eventim.de; da kann man ggf. auch gleich buchen), aber außer Stuttgart ist das alles deutlich nördlich von hier, Frankfurt am Main und noch weiter im Norden. Ich würde mir das Ganze gerne noch mal mit einer Spiegelreflexkamera ‹g› »anschauen« … aber gut, muss auch nicht sein. Erwartungsgemäß habe ich von dem Event geträumt. (Und, Manu, ja, ich habe auch dabei nicht getanzt und gesteppt – obwohl ich es vielleicht mal probieren sollte … ‹vbg›)
Achja. Der seltsame Titel dieses Blogbeitrags entstand am Morgen danach. Meine Holde hat die Angewohnheit, die Ecken der abgelaufenen Tage in ihrem Kalender abzureißen; sie sind vorperforiert (was für mich nie Grund genug war …). Die Lady am Einlass der Olympiahalle gestern riss auch die Ecken (links unten, im Scan nicht zu sehen) der Tickets ab, statt den vorgesehenen – vorperforierten, sic! – Abriss zu nutzen.
Links:
https://www.michaelflatley.com
https://www.lordofthedance.com
https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Flatley
https://en.wikipedia.org/wiki/Michael_Flatley
Was mir nachher noch einfällt: In der Show wird das Böse ja nicht nur durch den LOTD-Gürtel-Dieb und seine Mannen repräsentiert, sondern auch durch die Verführerin. Auf der DVD war es eine Tänzerin mit langen schwarzen Haaren, südländischer Typ, in einem knallroten Kleid. In der Show nun hatten sie eine Schwarzhaarige mit kurzen Haaren – für mich eher hübscher :) -, die jedoch in den meisten Auftritten in … hm … knallengen Leder- oder Latexdresses auftrat. Das mag so manch altem Hasen vor Ort das Sabbern, wenn nicht in den Mundwinkel, so doch ins Hirn gerufen haben, aber ganz speziell dieser Punkt hat mir definitiv nicht gefallen. Die Tänzerin der DVD war die deutlich bessere Wahl. Kurzhaarfrisur hin oder her.