Premiere einer zwiespältigen Figur

Kaja Evert
FLÜGEL AUS ASCHE
Originalausgabe Mai 2013, Knaur Taschenbuch, München, 2013, Taschenbuch, 444 Seiten, ISBN 978 3 426 51196 1

VORBEMERKUNG

Nach Andrea Bottlingers »AETERNUM« lag hier ein weiteres Debüt einer deutschen Autorin vor. Diesmal richtige Fantasy – ohne die klassischen Viechereien.

WORUM GEHT ES?

Adeen lebt in der fliegenden Stadt Rashija, von der aus der ansonsten namenlose Herrscher mit seinem Rat die Länder unterdrückt, die die Stadt überfliegt. Adeen ist Schreiber – und er schreibt magische Sprüche auf Papier. Rashija ist dabei, einen Landeplatz zu suchen und anzufliegen, um seinen Machtbereich auszudehnen und die Unterdrückung der Völker ggf. zu erneuern.
Adeen gerät mit dem Ratsmitglied Charral aneinander und wird von dessen Verlobter Talanna, einer Draquerin, gerettet. Über seinen väterlichen Freund Rasmi kommt Adeen in Kontakt mit einer Widerstandsgruppe, der auch Talanna angehört. Die Gruppe versucht, in Rashija verbotene Kunstwerke zu retten, und muss schließlich aus der noch nicht ganz gelandeten Stadt auf den Erdboden flüchten. Dort schließt man sich den Feinden des Herrschers an – und es kommt zum Kampf.
Adeen indes, der kleine Schreiber, Spross einer unerlaubten Verbindung einer Draquerin mit einem Erdbewohner, entdeckt seine magischen Fähigkeiten, den Aschevogel – Fähigkeiten, die ungewöhnlicher sind als alle anderen.

WIE IST DER STIL?

Angenehm. Die Autorin schreibt für einen Erstling schon recht routiniert, was vermutlich auch auf ein gutes Lektorat schließen lässt. Die Sprache ist unauffällig, nicht zu schnörkelig, nicht zu modern, ja, man könnte sagen: neutral. Das wirkt sich beim Lesen sehr positiv aus, weil die Ablenkungen fehlen, bei denen man sich gerne überlegt: »Was sollte das jetzt?«

WAS GEFIEL NICHT?

Im Grunde genommen: die Hauptfigur Adeen.
Ich kann nachvollziehen, dass jemand, der an sich selbst magische Fähigkeiten entdeckt und so seine Schwierigkeiten damit hat, sie unter Kontrolle zu bringen, schon ein wenig verunsichert ist. Aber die Figurenzeichnung Adeens ist nicht nur von dieser verständlichen Unsicherheit erfüllt, sondern zeigt dem Leser insgesamt eine Figur, die gespalten ist, wenig einheitlich, zerrissen, unklar, uneindeutig. Er hat Träume und Wünsche, und wenn sich die Möglichkeit bietet, diese zu erfüllen, dann hat er Skrupel, manchmal sogar wegen Dingen, die sowieso jenseits seines Einflusses liegen. Ich kann auch nachvollziehen, dass jemand, der ein Lebewesen töten muss, darüber nachdenkt und versucht, das zu verarbeiten; wenn mir aber jemand ans Leben will, dann stelle ich mir vorher wie nachher keine solchen Fragen.
Negativ aufgefallen sind mir auch die Klischees, die die Autorin nicht nur, vor allem aber auch bei ihrer Hauptfigur benutzt, diese typischen Verhaltens- und Reaktionsweisen, die man aus einschlägigen TV-Serien kennt: Ein Missverständnis führt zu Misstrauen, zur Abkehr vom anderen, zur Verzweiflung über den emotionalen Betrug – und das ist einfach unrealistisch. (Oder es liegt an mir.)

WAS GEFIEL?

Gefallen hat, dass sich die Autorin verkniff, die heute typischen Fantasyrassen zu verwenden. Im Grunde tritt nur eine nichtmenschliche Rasse, die Draquer, auf – und die sind so nichtmenschlich nicht. Die Autorin hat hiermit gezeigt, dass man heutzutage Fantasygeschichten auch noch schreiben kann, ohne in jeder zweiten Zeile darstellen zu müssen, dass man Tolkien mal gelesen (oder gesehen?) hat, und auch, dass man annehmen kann, dass ein Fantasyroman auf dem Markt auch ohne Vampire, Werwölfe und anderes Viechzeug funktionieren kann.
Gefallen hat mir auch das Magiekonzept. Neben den rashijanischen Magiern gibt es vor allem die magischen Schriftrollen, die von den Schreibern erstellt werden, mit denen der Einsatz von Magie auch solchen Menschen möglich ist, die selbst über keine magischen Fähigkeiten verfügen: Richtige Rolle auswählen, das Schriftstück aufrollen, den ersten Satz laut anlesen … voilà! Interessanter entwickelt sich dann allerdings die anfänglich noch nicht erkennbare Trennung zwischen Luft- und Erdmagie, und die Tatsache, dass Erdmagie nur auf der Erde, Luftmagie nur in der Luft funktionieren – und Adeens magische Fähigkeiten aufgrund der Tatsache, dass sie sowohl als auch wirksam sind, wirklich etwas Besonderes sind.

ZU EMPFEHLEN?

Durchaus, ja. Für ein Erstlingswerk ist der Roman gelungen, die kritisierten Punkte mögen einem anderen Leser nicht so (wichtig) erscheinen, und Geschichte und Hintergrund unterscheiden sich wirklich angenehm von vielen Fantasywerken, die ich in den letzten Monaten gelesen habe, oder auch solchen Werken, die man mir in den letzten Monaten als Fantasy unterschieben wollte.

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