Bevor mir so einer in den Verlag kommt, verzichte ich lieber auf Buchkäufer …
Zu empfindlich für Literatur
Anstößige Stellen streicht der Sensitivity Reader an. Das ist eine Person und die ZEIT stellt Marius Schaefers als einen solchen Leser vor (Anmerkung: auf Deutsch Sensibilitätsleser oder Empfindsamkeitsleser). Schaefers prüft neu erscheinende Bücher und Geschichten auf ihre mögliche diskriminierende Wirkung hin, oder ob sich Leser beim Lesen unwohl fühlen könnten. Wichtig sei bei dieser Aufgabe, an die Werke mit Sensibilität heranzugehen: Manche Leser empfinden ihre Ansprüche bereits als zeitgemäß und normativ; sie würden durch Formulierungen nach herkömmlichen Normen verletzt werden. Das seien z. B. Formulierungen wie „man“, denn hier könnte das Wort als „Mann“ missverstanden und allein auf männliche Personen bezogen werden: Der Sensibilitätsleser erkennt „Rassismus, Transfeindlichkeit, Neurodiversität, Hochsensibilität und Queerness. Das heißt: Er schaut auf Diskriminierungen nach Hautfarbe, Geschlecht, psychischer Gesundheit und sexueller Orientierung“, schreibt die Zeit. Er sehe sich als spezialisierter Lektor, der keine ganzen Texte lektoriere, sondern bloß die bestellten Aspekte. Ziel sei es, Verlage vor Shitstorms (Anmerkung: auf Deutsch Stürme aus Scheiße) zu bewahren, also vor dem Furor der Allgemeinheit, der unerwünscht und meist beleidigend ist. Beim Ravensburger Verlag, so Schaefers, wäre eine solche Vorablesung der beiden neuen Winnetou-Bücher sinnvoll gewesen. Aber nicht die Angst vor Shitstorms solle Anlass für das Engagieren eines Sensitivity Reader sein, „sondern der Wunsch, mit Texten nicht zu verletzen.“
Über die entfernteste Gegenposition zum Empfindsamkeitslesen berichtet Irina Rastorgujewa in der NZZ in Form einer Collage über Presseberichte in Russland: „Witali Milonow, Mitglied der Staatsduma, schlägt vor, eine spezielle Organisation zur Erkennung von LGBT-Propaganda einzurichten, damit Videospiele, Bücher, Filme und andere Medienprodukte überprüft werden können.“ (zeit.de (Bezahlschranke), nzz.ch)
Das ist keine „ideologische Verbrämung“. Das ist keine „Manipulation“. Das ist schlicht Zensur. Solche Sensitivity Reader (deutsch: Weicheiwächter) auf einen Text loszulassen, ist nicht nur das Ende der Kunst, der künstlerischen Freiheit, sondern auch der Realität und ihrer Abbildung. Endlos lange hat man sich über die Fälscher im Journalismus (Stichwort: BILD, Spiegel etc.) aufgeregt; jetzt sollen die Täter dafür bezahlt werden?
Das fand ich heute zu diesem Thema – und ich empfinde das Geschilderte als erschreckend und höchst alarmierend, weil Sensitivity Readers unsere Welt zwar nicht ändern, sie allerdings ideologisch verbrämen und in aggressiver Weise den Zugriff auf die Wirklichkeit manipulieren:
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