SHERLOCK HOLMES
(Guy Ritchie, USA/Deutschland 2009)
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Sherlock Holmes war nie meine Figur. Obwohl ich bekennender Krimi-Fan bin, habe ich nie eine Holmes-Story oder gar einen Holmes-Roman gelesen. Das, was ich im Laufe meines Lebens an Filmen zu sehen bekam, erzeugte in mir eher noch den Wunsch, mich eben nicht mit dieser Figur und den Geschichten um ihn herum auseinanderzusetzen. Da war mir Heinz Drache in den Wallace-Krimis lieber, und die gute alte Miss Margret Marple-Rutherford erschien mir sympathischer, gewitzter, geradezu genialer als jeder Holmes, den ich jemals zu sehen bekam. (Was zugegebenermaßen, wie ich heute weiß, auch am Zusammenspiel zwischen Holmes und Watson lag, doch dazu später noch ein paar Worte).
Dass ich mir diesen Sherlock-Holmes angesehen habe, lag an mehreren Dingen. Natürlich an meiner Freundin, die unbedingt mal wieder ins Kino wollte. Zum anderen an Guy Ritchie, dessen Filme ich im allgemeinen mag. Und vor allem an Robert Downey jr., den ich seit »Kiss Kiss Bang Bang« (2005) nicht genug sehen kann. Und auch diesmal sollte ich auf meine Kosten kommen …
Die Handlung (beschrieben von Anavyssos, IMDb.de): Nach der Ergreifung des Serienmörders und Okkultisten Lord Blackwood können der legendäre Sherlock Holmes und sein Assistent Dr. Watson einen weiteren erfolgreich abgeschlossenen Fall zu den Akten legen. Doch dann kehrt Blackwood auf mysteriöse Weise aus dem Grab zurück und weitere Morde fordern erneut Holmes‘ ganzen Scharfsinn. Beim Zusammensetzen des Puzzles – das ihn immer tiefer in ein Netz aus Mord, Verrat und schwarzer Magie führt ¬– muss er sich zudem noch mit der neuen Verlobten seines Partners und dem etwas einfältigen Chef von Scotland Yard auseinandersetzen. Und dann ist da noch die verführerische Irene Adler, die Holmes auf eine ganz andere Weise herausfordert …
Hätte ich diese Inhaltsbeschreibung vor dem eigentlichen Filmgenuss goutiert, hätte ich die Idee vielleicht zu den Akten gelegt; sicher dann, wäre nicht Downey jr. der Holmes gewesen. Diese Kurzfassung der Handlung erinnert mich so viel zu sehr an die Holmes-Streifen, die ich schon kannte. Aber ich wurde erfreulicherweise getäuscht.
Während die Holmes-Streifen meiner bisherigen Erfahrungen einen spröden, steifen, übertrieben britisch wirkenden Holmes mit einem körperlich, mental und verbal kleinen Dr. Watson zu zeigen schienen – so sind mir die alten Dinger halt in Erinnerung geblieben; ich glaube gerne, dass es da Facetten gab und gibt –, so war das Zusammenspiel Holmes vs. Watson in diesem neuen Streifen von Schnelligkeit, Witz und der Tatsache geprägt, dass sich beide Männer zwar mit unterschiedlichen Qualitäten, aber letztlich von ihrer Bedeutung her auf gleicher Ebene befanden und auch so miteinander umgingen, will meinen: Dr. Watson ist in diesem Streifen von Guy Ritchie nicht minder genial dargestellt denn Sherlock Holmes
Sehr angenehm empfand ich auch die Tatsache, dass Holmes durch Downey jr. nicht als dieser typische Brite, dieser Saubermann, dieses edel gesinnte geniale Gehirn dargestellt wird, sondern dass hier Downey jr.s Stärke, mehr oder minder abgefuckte Charaktere zu spielen, wunderbar herausgearbeitet wurde. Auf der anderen Seite stand ein Dr. Watson, der erkennbar und wohlgewählt das gesellschaftliche Gegenstück zu Holmes darstellte, ein Mann mit einem Sinn für Ordnung und in gewisser Weise ein geregeltes Leben, ein Mann mit Zukunftsab- und -aussichten. Die Art und Weise, wie in zwei, drei Szenen ausgeprägt dargestellt wird, wie Holmes‘ analytischer Verstand funktioniert, ist außergewöhnlich – und so sparsam eingesetzt, dass man sich am Ende des Filmes spontan mehr gewünscht hätte. Die Dialoge zwischen Holmes und Watson – der übrigens von einem in diesem Streifen richtig, richtig guten Jude Law gespielt wird – sind schnell, vollgepumpt mit Witz und Esprit, knackig, und bei diesen geht es einem genau so: Man wünscht sich mehr, mehr und noch mehr, und bitte, bitte, noch einen zum Schluss …
Sehr positiv fand ich für mich persönlich auch das, was mir in anderen Holmes-Verfilmungen – so weit ich mich an sie erinnere, natürlich – immer fehlte: Action. Während die Holmes-Filme in meiner Erinnerung immer sehr ruhig, sehr mental ausgelastet daher kamen, waren der Downey-Holmes und der Law-Watson energiegeladen, bewegungsbetont, agil – schnell. Schon die Tatsache, dass Holmes und Watson sich hier von sich aus mit teilweise wirklich sehr hübschen – und oft genug an Steampunk-Szenarien erinnernden – Waffen bestückten, machte für mich einen erkennbaren Unterschied zu anderen Plots aus diesem Reich der Kriminalistik aus. Es wurde geboxt, gefochten, geschlagen, gestoßen, es wurde geschrien und geblutet, es wurde gesprengt und eingerissen, ganze Gebäude wurden in Schutt und Asche gelegt – und ein ganzes Schiff mitten im halbfertigen Baustadium zu Wasser gelassen.
Das war ein anderer Holmes, als der, den ich zu kennen glaubte. Das war ein Holmes, der mir sehr gefiel. Das war auch ein Watson, der mit dem Gesicht und dem Auftreten eines Jude Law einfach gewinnen musste – und folgerichtig auch gewann.
Die anderen Figuren wirkten gegenüber diesem Team ein wenig blass. Watsons holde Maid, die er ehelichen wollte, sowieso: Kelly Reilly spielte Mary Morstan – und ich musste tatsächlich die IMDb konsultieren, um herauszufinden, dass es »Barcelona für ein Jahr« war, wo sie mir als Wendy das bislang einzige Mal wirklich aufgefallen war. Im »Holmes« hier ist sie blass und fast nichtssagend, was wohl auch an der kleinen Nebenrolle liegt.
Deutlich stärker spielt sicherlich Rachel McAdams die Irene Adler, die einen hübschen zusätzlichen Counterpart zu Holmes & Watson liefert, die aber bei mir an einem ganz persönlichen Problem zu knabbern hat: Ich mag die Schauspielerin nicht, und zwar nicht von ihren schauspielerischen Leistungen her, nicht von den Rollen, die sie so spielt – sie ist von der Optik her ein Typ Frau, den ich nicht mag. Naja, Pech – es wird sie nicht jucken …
Der Rest der Mannschaft … naja, erwähnenswert wäre noch Mark Strong als Lord Blackwood, der mich ein wenig an eine Mischung aus Andy Garcia und den Baldwins erinnerte – Strongs Mundpartie weist große Ähnlichkeit mit Garcia auf; sein Schauspiel war leider eher durchschnittlich, den rechten Bösewicht wollte man ihm nicht abnehmen, und mit seinen magischen Fähigkeiten machte er bisweilen den Eindruck, als hätte irgendjemand der an dem Film Beteiligten den einen oder anderen Harry-Potter-Streifen zu oft gesehen. Und dann ist da vielleicht noch Eddie Marsan, der den Inspector Lestrade als unsympathisches Arschloch eigentlich recht gut macht. Ansonsten war das nicht viel Herausragendes …
Der Film lebt unzweifelhaft von Holmes und Watson – was man erwarten können sollte – und er lebt noch unzweifelhafter von einem tollen Robert Downey jr. und einem Jude Law, der mir zum allerersten Mal ohne jeden Kritikpunkt gut gefallen hat. Was mir schon während des Films einfiel, das war eine Parallele – zu all den Star-Trek-Kinofilmen, von der 1 bis zur 10 und diesem fantastischen Reboot des elften Filmes. »Sherlock Holmes« von Guy Ritchie wirkte auf mich genau so – wie ein Reboot einer Thematik, die für mich immer so ein bisschen uninteressant, unspannend, unspektakulär war, hin zu einem Neuanfang, der Lust auf mehr machte und macht, der mich heute schon sicher wissen lässt, dass ich mir auch den nächsten Holmes, der schon in Arbeit ist (siehe IMDb, hier noch als »untitled Sherlock Holmes Sequel« für 2011 angekündigt), auf jeden Fall ansehen werde.
Empfehlenswert ist es, den neuen »Sherlock Holmes« mindestens zwei Mal zu goutieren, denn nicht nur die Dialoge sind bisweilen derart rasant, dass man beim Versuch, alles mitzubekommen und gleichzeitig zu genießen, schon mal in Schwierigkeiten kommen kann. Und darüber hinaus finden sich auch Anspielungen großer Zahl auf alle möglichen Dinge, die teilweise so überraschend abwegig daherkommen, dass einem schon einmal was durch die Lappen gehen kann. Das sollte man nicht akzeptieren, keinesfalls –
P.S.: Wer sich wundert, ja, Moriarty spielt in diesem Film zwar schon ansatzweise eine Rolle, aber als Widersacher Holmes‘ durchaus nicht die Hauptrolle. Noch nicht, denke ich.