Geraubte Hoffnung? Jeinchen

Dr. rer. nat. Johannes F. Coy
DAS ANTI-KREBS KOCHBUCH
Gräfe und Unzer Verlag, München, 2010, Paperback mit Klappbroschur, 192 Seiten, ISBN 978 3 8338 2082 3

VORBEMERKUNG
Ich hatte – oder habe noch – ein kleines gesundheitliches Problem. Der Arzt, den ich konsultierte, empfahl mir ein Buch, »Das Antikrebsbuch« von David Servan-Schreiber (das ich derzeit lese; rezensiert wird es hier auch noch). In dem Zusammenhang fiel mir auch dieses Kochbuch auf.

WORUM GEHT ES?
Um die Vermeidung von Krebs durch die Veränderung der Lebensumstände und vor allem der Ernährung.

WIE IST DER STIL?
Einem populärwissenschaftlich aufgemachten Buch ebenso angemessen wie einem Kochbuch.

WAS GEFIEL NICHT?
Der populärwissenschaftliche, einleitende Teil. Unter Überschriften wie »Gesund essen – eine Kunst?«, »Heilmittel Ernährung« und »Wie unser Zellstoffwechsel funktioniert« werden wissenschaftliche Informationen in zwangsläufig so kurzer und dadurch oberflächlicher Fassung präsentiert, dass man sie sich aufgrund der Massierung von darin störend wirkender Fremdwörter und Fachausdrücke vielleicht besser hätte sparen sollen.
Ebenfalls nicht gefallen hat die wie so häufig starre Einteilung von Lebensmitteln in »gut«, »naja« und »böse« – und dann die Empfehlung eines »bösen« Lebensmittels als bestes Lebensmittel für einen Schrankvorrat (hier: Honig).

WAS GEFIEL?
Der eigentliche Kochbuchteil. Die Fotos sind sehr ansprechend, und auch wenn die meisten Rezepte sicherlich nicht nach meinem Geschmack sind, wenn es schon um die Ingredienzien geht, so sind doch eine ganze Reihe dabei, bei denen mir das Wasser im Mund zusammenläuft und ich mir vorstellen könnte, sie doch einfach mal zu goutieren.

EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?
Gerne.

INFO Schon der deutsche Arzt Christoph Wilhelm Hufeland (1762–1836), der das Buch »Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern« veröffentlichte, […] (S. 9)
Auch wenn das Buch mit diesem Titel (für das Jahr 1842) sogar in der deutschen Wikipedia genannt wird, wage ich zu bezweifeln, dass Hufeland den Begriff Makrobiotik kannte, geschweige denn verwandte. Nicht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Eisen ist am Transport von Sauerstoff im Blut beteiligt und ein wichtiger Baustoff des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin (aus: […] Spinat […]). (S. 19)
Es ist längst erwiesen, dass Spinat alles ist, nur kein besonders reichhaltiger Eisenlieferant.

Selen […]. Aufgrund der hochindustrialisierten Landwirtschaft herrscht in Europa ein weitreichender Selenmangel, weshalb neben dem häufigem Verzehr selenhaltiger Nahrungsmittel oft eine Substitution in Tablettenform erforderlich ist. (S 20)
Diese Substitutionsidee ist sicherlich in den umsatzorientierten Marketingetagen einschlägiger Nahrungsergänzungsmittelhersteller entstanden.

ZU EMPFEHLEN?
Jeinchen.
Als Ratgeber und wirkliche Anleitung, Krebs zu vermeiden: nein.
Als Kochbuch: naja. Ausprobieren kann man es ja, schaden dürfte es wohl eher nicht. Und wie gesagt, eine ganze Reihe Rezepte sehen nicht nur lecker aus, sie lesen sich auch so.

NOCH WAS?
Meine Frau hat mir allerdings alle Hoffnung geraubt. Sie gedenkt nicht, jemals nach diesem Kochbuch zu kochen.

2 Replies to “Geraubte Hoffnung? Jeinchen”

  1. Nein, sie kocht durchaus. Ja, die Abbildungen sind einwandfrei, sehr ansprechend. Und nein, die Rezepte sind weder aufwendig – ganz im Gegenteil, finde ich (sofern ich das als Nichtkoch beurteilen kann) – noch sonderlich schlecht erklärt. Eigentlich ist alles völlig in Ordnung. – Aber sie mag nicht. Sie ist über die erwähnten Widersprüchlichkeiten gefallen und meint, ich würde diese Sachen sowieso nicht essen (wollen) . – Naja. Ich werde zugegebenermaßen auch so nicht verhungern :)

  2. Das Problem bei einem derartig reißerischen Titel ist sicherlich, dass die Erwartungen gar nicht erfüllt werden können. Zumal es hier wohl auch nicht um Risikofaktoren geht, im Sinne von Krebsvorsorge wäre wohl der hauseigene Geigerzähler zur Überprüfung von Nahrungsmitteln vor dem Verzehr wohl sinnvoller als mehr Fisch zu essen oder auf was auch immer das Kochbuch hinausläuft. Oder nichts zu essen, was in x-fach widerverwertetem Frittieröl herausgebacken wurde – im Haushalt hat man dieses Problem aber ohnehin im Normalfall nicht. Vielleicht wäre es besser, nicht zu viel zu versprechen: Eine gute Ernährung tut dem Körper nun mal gut. Eine zielgerichtet wirkende Waffe gegen Krebs ist das wohl nicht.
    Das mit der Einteilung in „gute“ und „böse“ Nahrungsmittel ist so eine Sache. Im Alltag ist das durchaus hilfreich, wenn auch alles andere als korrekt. Ich greife mir aber auch immer wieder an den Kopf, wenn dann jemand so Sachen wie: „Aber ich habe doch gehört, dass Eier so gesund sind!“ – Ich esse nämlich relativ selten Eier, obwohl sie mir schon schmecken. Aber Eier sind doch ohnehin in so vielen Nahrungsmitteln versteckt drin, dann isst man auch manchmal welche, weil man halt den Genuss möchte – da ist das Maß an Cholesterin sicherlich auch ohne tägliches Frühstücksei voll, zumindest, wenn man auch noch Fleisch isst. Und das verstehen viele nicht. Entweder was ist gesund oder ungesund, basta. Grundsätzlich sind aber die meisten Bestandteile unserer Nahrungsmittel eben grundsätzlich zum Verzehr geeignet (Ausnahmen sind vielleicht irgendwelche Stoffe, die rein optischen Zwecken oder zur Konservierung beigefügt wurden) und somit, wenn man will, auch „gesund“. Salz, Zucker, Fett … das alles wird vom Körper benötigt, aber eben nicht in den Mengen, wie man sie in der Zivilisationsgesellschaft bekommt. Und natürlich gibt es Nahrungsmittel, bei denen man mehr aufpassen muss, als bei anderen. Es gibt halt recht wenige (keine???) Menschen, die gesundheitliche Probleme vom übermäßigen Verzehr von Sellerie haben.
    Warum will Deine Frau eigentlich nicht danach kochen? (Ich nehme mal an, dass sie sonst kocht und es daher kein generelles Problem ist …) Wirken die Zutaten nicht appetitlich oder sind es zu aufwändige Rezepte, diese zu schlecht erklärt …?