Schweriner Stimmungen

Tagebuch eines Ostseeurlaubs, 12.10.2011

Heute war Schwerin an der Reihe. Das Wetter war schön, strahlendblauer Himmel, Sonne pur, kühle Temperaturen (unter zehn Grad jedenfalls). Wir brachen um zehn Uhr auf und waren eine gute halbe Stunde später schon in Schwerin.

Wir näherten uns vom anderen Ende des Schlossgartens her, fanden einen guten, kostenfreien Parkplatz und spazierten zunächst durch den Schlossgarten, zum Schloss, umrundeten es – und es gelang mir, die Teile ohne Baufolienverhängung zu fotografieren, die 2006 gerade nicht sichtbar waren – und eroberten dann die Fußgängerzone. Im Schweriner Dom waren wir auch. Ich mag Kirchen, und die norddeutschen Kirchen der sogenannten »Backsteingotik« haben es mir in ihrer Nüchternheit und in ihrem sparsamen Schmuck sehr angetan. Der Schweriner Dom gehört zu den schönsten Kirchen dieser Art, die ich bislang gesehen habe. Ich war mir zunächst nicht ganz sicher, ob ich seinerzeit drin war, was sich allerdings änderte, als ich das große Modell am Eingang zu Gesicht bekam. Aber gut: ein paar Fotoupdates im Abstand von fünf Jahren können nicht schaden. – Möglicherweise erwähnte ich es in diesen Notizen schon einmal, aber ich halte es für fraglich, ob der Herrgott Hunde wirklich nicht in seinen Kirchen haben möchte. Immerhin handelt es sich nicht nur um seine Geschöpfe, sondern um des Menschen besten Freund. Und es ist mir auch nicht ganz erklärlich, wo das Problem eines Hundes in einer Kirche zu suchen sein soll. – Problematischer ist da die ausgemachte Dummheit der Menschen, die einem Hund den Besuch einer Kirche verwehren wollen. Schon in St. Marien in Wismar gab es keine diesbezüglichen Schilder, sondern nur einen Ex-SED-Kader (wie anhand des Tonfalls und Auftretens zu vermuten war). Hier in Schwerin schafften die zuständigen Hundeablehner ein Toppergebnis sondergleichen: Das Schild, das darauf hinwies, dass Hunde nicht erlaubt seien, ebenso das Fotografieren verboten sei und einige Dinge mehr, war so angebracht, dass man es erst sehen konnte, wenn man den Dom nach der Vollendung einer Runde – mit Hund und reichlich Fotos – verlassen wollte.

Einigermaßen ziellos stromerten wir hin und her, kreuz und quer. Im Schlosspark Center gab es einen »Thalia«, in dem ich mir zwei Bücher als restliche Urlaubslektüre zulegte (die Bücher, die ich von daheim mitgenommen hatte, hatte ich alle durch). Danach aßen wir in einer kleinen Pizzeria direkt gegenüber des Schlosspark Centers, dem La Fenice; hier zeigte sich, was S. mit den Entfernungen gemeint hatte, als sie die letzte Pizza hier hatte: Italien ist in der Tat so weit weg, dass die Pizza hier oben ganz anders gemacht wird als z. B. in Bayern. Aber schlecht war sie nicht. Wir kurvten noch mal in Richtung Park, als S. einfiel, dass sie eigentlich noch in das Café Röntgen am Markt gewollt hatte. Kehrt, marsch – und das neue Ziel in Angriff genommen. Ich gönnte mir nur ein Schöfferhofer – im La Fenice gab’s König Ludwig Weißbier! – und stellte einmal mehr fest, dass die wirklichen Weißbierkünstler eben doch und ausschließlich in Bayern sitzen (und zwar im richtigen Bayern; selbst die Kulmbacher können es schon nicht mehr richtig!). Danach ging es gemächlich durch den Park zurück zum Auto und Richtung Heimat.

Im »Thalia« hätte ich viel Geld lassen können. Trotz allem ist es immer noch schön, ein neues, ungelesenes Buch in die Hand zu nehmen, die Seiten vorsichtig aufzuschlagen und es mal eben anzulesen. Das hat was, was alles andere – Hörbuch, eBook – einfach nicht toppen kann (und daran wird sich auch nichts ändern). Aus guten Gründen habe ich mich auf zwei Bücher beschränkt. Zum einen ist der Urlaub übermorgen zu Ende, so dass eh anzunehmen ist, dass eines der Bücher auf meinem heimischen SUB (Stapel ungelesener Bücher) landen wird (aber vorsichtshalber wollte ich zwei mitnehmen, man weiß ja nie …). Und zum anderen habe ich eben daheim schon einen umfangreichen SUB zur Verfügung, von dem ich hoffe, dass ich ihn in den nächsten Wochen und Monaten doch systematisch dezimieren kann. (Die Idee, meinen Verlag zu schließen, ist im Grunde vom Tisch; aber ich werde einiges ändern, Projekte abblasen, Termine verschieben, vielleicht auch das eine oder andere Manuskript doch nicht realisieren. Man wird sehen. Und ich werde mir meine Zeit einteilen. Zukünftig wird der Sonntag – denke ich mal – gänzlich Dingen vorbehalten bleiben, zu denen ich keinen Computer benötige, also vor allem auch dem Lesen. Mein Plan ist, meinen SUB, so wie er heute da liegt, bis Ende 2012 vollständig abgebaut zu haben – und das ist ein durchaus stolzer Plan.) Aufgefallen ist mir, was andere wohl längst wissen, aber ich war lange nicht in einem Buchladen: Beim »Thalia« gibt es keine SF, keine Fantasy, keine Spezialgenres fantastischer Provenienz, sondern allenfalls »Spannung«. Ich habe nicht intensiv gesucht, ob sich darunter SF oder Fantasy fand, aber auf den ersten Blick ist einem nichts aufgefallen. In der Hauptsache habe ich Thriller aller Art erkannt, worunter möglich auch etwas Fantastik zu finden gewesen wäre. Ganz vorne am Eingang, auf dem Neuheitentisch lag ein Jasper Fforde, »Grau« hieß er, glaube ich. Den hatte ich für einen Augenblick in Erwägung gezogen, mir jedoch dann nur eine geistige Notiz gemacht, mir den Roman als eBook zu besorgen (um dann auch endlich meinen Kindle und das Pocketbook zu testen und zu nutzen). Entschieden habe ich mich letztlich für zwei Thriller: »Ausgelöscht« von Cody McFadyen (Bastei Lübbe, ISBN 978 3 404 16581 0); der Rat der »Bunte« hat mich dazu bewogen: »Nicht lesen, wenn Sie alleine sind!« Und der zweite Roman ist »Ich. darf. nicht. schlafen.« von S. J. Watson (Scherz, ISBN 978 3 651 00008 7; Scherz gehört zu S. Fischer).

Heute war ich zum vierten Mal in Schwerin; es waren immer nur Tagesbesuche, einige Stunden. Aber immer hat mich die Stadt in ihren Bann gezogen. Ich weiß nicht, was sie an sich hat, aber sie zieht mich sehr magisch an. Ich finde Schwerin schön, klassisch nordisch, nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu lebhaft, nicht zu lahm, genau das richtige Maß einer Stadt, das ich mir zum Leben wünschen würde. Der ganze Innenstadtbereich scheint mir in großem Maße bewohnenswert; zwei Ecken von einer der Einkaufsstraßen weg befindet man sich in Wohnstraßen von besonderem Flair. Es ist wahrlich schwer zu beschreiben. Wenn ich die Wahl zwischen Wismar und Schwerin hätte, würde ich Wismar wählen – wegen der Nähe zum Meer. Müsste ich mich ohne Alternative mit Schwerin abfinden, fiele mir das leicht, glaube ich. Hamburg ist eine Stadt, die einen sehr großen Reiz auf mich ausübt, aber als Wohnort, als Ort zum Arbeiten, als Lebensmittelpunkt würde Hamburg gegen Schwerin und Wismar noch verlieren. (Zumal Hamburg durch die neuen Autobahnen ja nicht mal mehr weit weg ist.)

Vorhin, als wir heim kamen, hat es dann doch noch mal geregnet. Ein Schauer nur. Am Himmel schweben jetzt dicke, fette Wolkenschiffe zwischen blauen Lücken dahin, immer noch Richtung Osten. Mal sehen, wie es morgen wird. Unser letzter Tag …

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