Wenn du zu schwer bist, helfen die Flügel nicht

Günter von Lonski
MUT VERLEIHT FLÜGEL
Verlag Monika Fuchs, Hildesheim, 2017, Paperback, 160 Seiten, iSBN 978 3 947066 04 9

VORBEMERKUNG
Monika Fuchs ist eine Verlegerkollegin und wir sind bei Facebook in einer entsprechenden Gruppe. Da ich Allesleser bin, hatte ich mich angeboten, das Buch zu lesen und zu rezensieren. Wobei zu berücksichtigen ist – nicht nur, aber auch für mich selbst –, dass das Buch für Kinder-Schrägstrich-Jugendliche gedacht ist, ich mit 58 Jahren allerdings schon ein alter Sack bin. Aber gut …

WORUM GEHT ES?
Björn ist 15 Jahre alt und eine Sorte Schüler, die wohl die Mehrheit repräsentiert: wenig beliebt, fast unsichtbar, mit seltsamen Hobbys ganz sicher nicht geeignet, sich einer Clique anzuschließen, ergo ohne Clique, und für solche Schüler gibt es auch immer irgendwelche Arschgeigen, die ihre früh-, mittel- oder spätpubertären Unterdrückungsfantasien ausleben wollen.
Björns Vater ist Sportlehrer an Björns Schule und fußballgeil; Björn hasst Fußball. Und auch sonst gibt es die zwischen Vater und Sohn nicht ganz untypischen Diskrepanzen. Björn lernt Mell kennen, ein Mädchen, das sich auch für Fußball interessiert und spielt. Sie freunden sich an, doch Mell will bald mehr als Björn recht ist. Nicht nur, aber auch, weil da noch Sven ist, bei dessen Anblick Schmetterlinge in Björns Bauch flattern (so auch der Text auf der Buchrückseite).
Geo Chavez schließlich entpuppt sich als Björns Freund – auch wenn er längst tot ist und nur Björn ihn sehen kann. Aber Chavez, der 1910 als erster Mensch die Alpen überflogen hat, macht Björn klar, wo es lang geht und was es braucht, um sein Leben in die richtigen Bahnen zu lenken.

WAS GEFIEL?
Der Schreibstil ist routiniert und flüssig; zugegebenermaßen ist er für mich alten Sack manchmal zu sehr auf jugendlich getrimmt, aber ich bin ja auch nicht die Zielgruppe.
Nett fand ich, mich mit meinen Erinnerungen stellenweise wiederzufinden – obwohl es eigentlich nur wenig Berührungspunkte gab. Aber auch ich war so ein Schüler am Rande wahrnehmbarer Existenz, geplagt von prügelgeilen Mitschülern und gesegnet mit einem Klassenkumpel, mit dem ich täglich Fluchtwege für den Heimweg ausbaldowerte und auch realisierte. Mädchen gab es damals keine für mich, nicht mal eine wie die Mell aus diesem Roman. Aber gut – das Universum ist nicht zu jedem lieb.

WAS GEFIEL NICHT?
Die Figurenzeichnung ist ein wenig flach. Es ist okay, dass die Neigung Björns zum eigenen Geschlecht nicht breit ausgewalzt und in den Fokus gestellt wird, und es ist auch okay, dass Mell so ihre Wünsche in die Tat umgesetzt sehen möchte, aber ganz rund ist das Zusammenspiel der Charaktere in diesem Fall nicht. Und das hat nichts mit der Zielgruppe zu tun. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ein heutiger 15jähriger so einfach über kleine Unstimmigkeiten dieser Art hinwegsieht.
Die Figur des Geo Chavez wirkt wie ein völlig überflüssiges Element, wie ein Fremdkörper in der Geschichte. Ob sich der Autor damit ein fantastisches Element reinschreiben wollte oder was er genau damit vorhatte, weiß ich nicht. Auf jeden Fall funktioniert das überhaupt nicht – eine real existierende Figur mit lebensberatender Funktion hätte für mich ihre Pflicht besser erfüllt. Das Problem ist in meinen Augen nicht, dass es keine 15jährigen geben kann, die sich mit fiktiven Figuren unterhalten und sich von ihnen den richtigen Weg ins Leben erklären lassen. Das Problem ist, dass Geo Chavez als Figur aufgesetzt wirkt und ist. Sinnvoller wäre es vielleicht gewesen, Björn, der es mit der Mode hat, Karl Lagerfeld als Berater zur Seite zu stellen – oder irgendeinen anderen bekannten Modedesigner, der ebenfalls nicht mehr lebte.

ZU EMPFEHLEN?
Lasse ich die Diskrepanz zwischen der Zielgruppe und meinem Alter außen vor, dann ist das Buch immerhin ein Stück guter Unterhaltung und durchaus geeignet, einen modernen Jugendlichen für ein paar Stunden von seinem Smartphone und anderen Berieselungen loszueisen.

NOCH WAS?
Der Verlegerin sei empfohlen, eine zusätzliche Fahnenkorrektur durchführen zu lassen. Da war so der eine oder andere ziemliche Klopper in der Fehlerkorrektur drin.

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