Wir fuhren dann nach Büsum, noch einmal. Es gab ja noch etwas anzuschauen. Diesmal parkten wir am anderen Ende, in der Nähe der »Sturmflutenwelt ›Blanker Hans‹«. Natürlich so weit hinten, dass meine Gattin später meinte, wir wüssten ja nun, dass wir auch weiter vorne parken könnten.
Die »Sturmflutenwelt« ist ein Multimediaspektakel in einer Halle. Kostet Eintritt. Ob Hunde überhaupt mit reingedurft hätten, war nicht klar, das hätte sich vermutlich erst nach Buchung der Tickets herausgestellt. Die waren mit Gästekarte drei Euro günstiger (neun statt zwölf), und die Gästekarte hatten wir (noch) nicht (wenn wir überhaupt eine bekommen, aber diese Vermutung wage ich nicht, anzustellen).
Wir wollten dann Richtung Hundestand. Erlengrund oder so. Meinte meine Gattin. Wir gingen also los. Sie wollte mir eine Freude machen, also schlugen wir den Weg in Richtung einer Fischräucherei ein. Die kam aber nicht. Stattdessen liefen wir einen Kai entlang, bis zum Ende und drehten dann um, um auf der anderen Seite zurück zu laufen. Da kam dann auch die Fischräucherei. Aber den ganzen Tag mit einem toten Fisch – selbst einem geräucherten – in der Gegend herumzulaufen, das erschien mir suspekt. Und gleich verzehren … Das war eine Fischräucherei, kein Restaurant.
Und weiter –
Löwen im Schafspelz?
Irgendwann gelangten wir dann doch irgendwie rauf auf den Deich. Und wandten uns in die Richtung, in der der Hundestrand laut Kartensymbol liegen müsste. Ausgeschildert war nichts. Natürlich nicht, wie sich herausstellte. Denn in Büsum gibt es keinen wirklichen Strand, sondern nur Stein- und Grasflächen (allenfalls in der Perlebucht gibt es zukünftig einen Sandstrand, wenn die mal richtig fertiggestellt ist). Und es gibt vor allem an der Stelle, an der sich in der einen Karte ein Hundesymbol fand, keinen Hundestrand. In einer anderen Karte vielmehr gab es einen Hinweis, dass an genau dieser Stelle die Hunde eben nicht ins Meer und nicht ins Watt dürften, sondern auf Herrchen und/oder Frauchen warten müssten. (Nördlich der Perlebucht hätten sie es – versehen mit dem gleichen Symbol – durchaus gedurft, wenn auch ebenfalls nur an der Leine.)
Ich habe mir überlegt, mir einen Esel zu kaufen. Ich kenne bislang keinen Ort, an dem Esel nicht kacken dürfen, an dem Esel nicht ins Meer oder ins Watt dürfen, an dem Esel nicht mit in ein Restaurant, in einen Supermarkt, einen Metzgerladen oder sonst wohin dürften. Ich glaube, Esel sind die neuen Hunde.
(Immerhin bin ich überrascht. Insofern, dass Hunde in Kirchen mit hinein dürfen, sogar dann, wenn draußen ein Schild steht, dass sie es nicht dürfen. So geschehen in Rendsburg, Sankt Marien. [Und obwohl ich sicher kein religiöser Mensch bin, betrachte ich es doch immer kritisch, wenn Hunde, immerhin auch Gottes Geschöpfe, nicht mit in Kirchen dürfen.])
Wir kehrten also um. Nicht ohne Diskussion. Wohin nun? Naja, Richtung Ort. Wirklich? Es gab keine Alternativen – außer Wattwandern in der einen Richtung oder Hafenbeckenschwimmen in der anderen Richtung. Mein Gott –
Wir nahmen dann die Alleestraße. Fußgängerzone. Einkaufsstraße. Mit der für Büsum zu erwartenden touristischen Schlagseite (ich glaube nicht, dass Büsumer Einheimische dort einkaufen gehen). Am Anfang, noch beim Hafen, gab es jede Menge durchaus meerestierorientierte Lokalitäten, in der Alleestraße selbst dann eher buntes Programm bis hin zum unvermeidlichen Italiener. Es war viel los, zu sehen gab es letztlich aber nichts – außer ein paar mehr oder weniger gut aussehenden Hunden. (Ja, ab einem gewissen Alter und einer gewissen familiären Ausstattung schaut man auch als Mann nicht mehr jungen Mädchen hinterher – die es hier auch eher in nicht wirklich sehenswürdiger Ausgestaltung gab, wenn überhaupt -, sondern eher Hunden.)
Am Ende kehrten wir dann um. Sahen ein Schild. Für einen Hundefreilaufplatz im Rechenmeisterweg. Aha. Kein Ortsplan in der Nähe. Irgendwo gab es eine Touristinfo (was ist das überhaupt für ein Scheißwort?!). Nur wo?
Dann waren dann ja noch die Kirchen. Und wo waren die? Wenigstens die eine, Sankt Clemens, die meine Gattin notiert hatte?
Muff.
Wir fanden dann einen Plan. Der Rechenmeisterweg war praktisch am nördlichen Ortsaußenrand von Büsum. Natürlich. Wo gehören Hunde hin? Am besten weit weg!
Und es gab zwei Kirchen. Fragte sich nur, welche welche und wo war.
Wir hatten insofern Glück, dass Sankt Clemens, die uns reiseführerisch angedient worden war, die Kirche war, die in direkter Nähe der Alleestraße lag. Und sie war hübsch. Klein, eng, hell genug für vernünftige Fotos. Ein Kirchlein, dass ich als knuffig bezeichnen würde. Sie gefiel mir. Nur von außen war sie wegen der zahllosen Bäume nicht gut zu fotografieren. Aber gut. Man kann nicht alles haben.
Noch gänzlich ohne Mittagessen – ich hatte mir am Vortag einen leckeren Fisch eingebildet, meine Frau hatte sich längst irgendeine Brotstange eingepfiffen – entschieden wir, den Hundefreilaufplatz aufzusuchen.
Also: Zurück zum Auto, Erkenntnis mit den alternativen Parkmöglichkeiten anhören, Navi einschalten, los- und hinfahren.
Der Hundefreilaufplatz sah sehr gut aus. Sehr groß (der in der Nähe des Domizils meines Bruder in Langenfeld war allenfalls halb so groß), schöne hohe Zäune, die, wie der Augenschein ergab, in gutem Zustand waren, keine Lücken oder Löcher hatten und, wenn ich mich nicht getäuscht habe, sogar in den Boden versenkt worden waren. Es gab ein paar sehr feuchte, mitunter matschige Stellen, aber … hey … Gibt es ein schöneres Vergnügen, einen Hund zu duschen und nachher das Auto zu reinigen?
Nach uns kamen dann ratzfatz noch andere Hunde mit Menschen, wie sich herausstellte, alles Touristen (ich erinnere mich an ein Frankfurter und ein Solinger Kennzeichen, das dritte habe ich verdrängt [es war aber nicht aus Köln]).
Ein kurzes Weilchen war alles paletti, dann bekamen wir den Beweis, dass wir mit Naomi das bekommen hatten, was wir nicht wollten: einen unsicheren Hund. Und schlimmer noch: Kim geht voraus, das heißt: Wenn Naomi knurrt, weil ihr irgendwas (oder irgendein Hund) nicht passt, geht Kim los.
Schlecht. Arbeit. Viel Arbeit. Wie meine Gattin meinte: Nachdem wir Kim endlich so weit hatten, auf andere Hunde zuzugehen, fangen wir mit Naomi jetzt wieder von vorne an. (Aber gut, ich denke, es war eh klar, dass die Entscheidung, Naomi anzuschaffen, auch – wenn nicht gar vor allem – aus Langeweile geboren war, auf fehlender Beanspruchung basierte. Kein vernünftiger Mensch schafft sich wirklich einen zweiten Hund an, nachdem der erste ein anderthalbjähriger Exstreuner aus Ungarn war, ein Problemhund mit Angst vor Männern und noch ganz anderen, auch heute teilweise noch sichtbaren Problemen [Kim ist zum Beispiel kein Schmusehund; sie mag körperliche Nähe zum Menschen nur in sehr geringem Umfang; da hat sogar Naomi inzwischen mehr Möglichkeiten]. Und vor allem schafft sich so ein Mensch dann keinen Hund aus Griechenland an, von dem er außer Säuselgeräuschen und Süßholzgeraspel über den Hund keinerlei Fakten erfährt [z. B. eben, dass Naomi Autofahren nicht kennt oder jedenfalls nicht mag, z. B. eben auch, dass Naomi ein unsicherer Hund im Umgang mit Artgenossen ist usw. usf.].) Aber das ist eh ein anderes Thema.
Nun, nachdem es dann gut nach drei Uhr war und die Feststellung meiner Gattin, ich hätte ja dann wohl den ganzen Tag noch nichts gegessen, nicht als falsch zu kritisieren war, fuhren wir weiter. In Sachen Büsum immerhin habe ich eine Option gesetzt. Was ich heute sah, ließ sich auch durch meine bisweilen eher kritische Stimmung nicht als »unsympathisch« beschreiben, eher im Gegenteil. Und eine Gemeinde mit einem solchen Hundefreilaufplatz hat eine Option auf jeden Fall verdient.