Aquarienblubbern und andere Musik

Thomas C. Breuer
HITZE IN DOSEN
Ein Soundtrack
MaroVerlag, Augsburg, Juni 2007, Paperback, 185 Seiten, ISBN 978 3 87512 284 8

Das Buch hat mir MaroChef Benno K. aus A. einer Bestellung beigelegt. Sonst hätte ich es vielleicht nie gelesen. Nicht, dass ich Breuer nicht kennen würde. Ich glaube, ich habe sogar mal mindestens einen Text von ihm für Maro erfasst, ich meine, es wäre »Säntimäntls Reise« (auch bei Maro, 1998) gewesen.

Ein Soundtrack im eigentlichen Sinne ist das Buch nicht. Auf dem Klappentext steht zu lesen: »Dieses Buch soll irgendwelche blöden Memoiren ersetzen, der Mann ist ja erst Mitte fünfzig, und weil sein Leben nicht so reichhaltig ist, wie das von Paris Hilton, hat er beschlossen, seine Erinnerungen zu faken. Teilweise jedenfalls.«
Das Buch enthält in der Tat memoirenhafte Erlebnisschilderungen aus dem Leben des Autors. Mal eindeutig wirklich erlebt, mal nicht so eindeutig ungefaked. Wirklich erkennbar schwärzt TCB den Leser nirgendwo an – man muss sich wirklich von der eigenen Ahnung leiten lassen, wenn man entscheiden möchte, was er nun wirklich erlebt hat, was nicht.
In den Episoden spielt Musik in fast allen Fällen eine wichtige Rolle, wenn nicht gar die Hauptrolle. Es ist nicht mein Musikgeschmack, den Breuer da zelebriert und präsentiert – und in der Tat auch in Form von Songlists oder Tracklists im Anschluss an die jeweiligen Kapitel notiert. Es ist in den allermeisten Fällen nicht einmal Musik, von der ich jemals zuvor gehört hätte. Aber das ist nicht einmal wichtig.
Das Buch ist auch ohne die möglicherweise unterstellten Musikkenntnisse so amüsant, dass ich festhalten darf, lange nicht mehr so bei der Lektüre eines Buches so häufig gelacht zu haben. Und zwar richtig, nicht nur ein wenig amüsiert, sondern richtig aus vollem Hals und aus dem Bauch heraus. Zur Musik einer Zeit gehört nicht nur die Zeit, sondern auch die Gesellschaft drumherum, die eine Musik eigentlich erst möglich, erfolgreich, hörbar macht. Und über solche Dinge – die Zeiten, die Gesellschaften, und manchmal dann erst über die Musiken – schreibt Breuer auf eine Art und Weise, die man eigentlich nicht beschreiben kann.
Deshalb zwei Zitate. In »Satori« geht es um esoterische Musik. Kennen wir alle. Walgesänge. Oder Aquariengeblubber:

[…] Seit jenem schicksalhaften Tag im Juni 1989 hat Transcendental Properties eine Reihe von Alben auf den Markt geworfen, die als Oasen der Stille kaum mehr aus dem öffentlichen Leben wegzudenken sind. Eso-Tankstellen in einer unruhigen Scheinwelt. Dabei war bei Satori die Innerlichkeit früher eher außen vor gewesen.
»Ich konnte das ehrlich gesagt lange gar nicht auseinander halten. Spirituelles hatte für mich immer was mit Campingkocher zu tun, Tao war für mich ein chinesischer Kommunist, Sufi japanische Fischhäppchen und Tantra ein tschechisches Automodell. Kosmos und Todtmoos konnte ich nur deshalb unterscheiden, weil ich in Todtmoos ins Internat gegangen bin.«
»Gibt es spirituelle Schlüsselerlebnisse?«
Satori: »Am ehesten ein Satz aus dem Buch Schicksalsimprovisationen zwischen Instant Karma und Deli Neuform von Dorothée Koechlin de Bizemont. Sie hat geschrieben: ›Das Leben ist nicht immer eine Wünschelroute!‹«
»Nun hat aber auch A. J. Bauer in seiner Biographie über die Maharani von Minneapolis festgehalten: ›Irgendwann ist alle Vergänglichkeit passé!‹«
Satori: »Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Herbert von Eschnapur hat dazu einmal bemerkt: ›Das Leben ist nur eine flüchtige Bekannte!‹«
»Nicht schlecht. Aber wie stehen Sie zu Schwitters‘ Bemerkung, Unsterblichkeit sei nicht jedermanns Sache?«
Satori: »Wissen Sie – immer häufiger entdeckt man am Wegesrand Tankstellen ohne Zapfsäulen!«
»Eine ausgereifte Metapher. Oder, um einmal mit Eiermann zu sprechen: ›Ein gutes Resultat ist immer ein schönes Ergebnis!‹«
Satori: »Ja. Auch sehr schön.« […]

Und auch zu meiner Lieblingsmusikrichtung, der elektronischen Musik, hat Breuer eine eindeutige Meinung (in »Das grüne Auge« [mit dem schönen Eingangszitat »Commercial Radio Sucks« nach einer T-Shirt-Aufschrift des Senders KZSC, Santa Cruz, USA]), von der ich mich zwar leicht distanzieren kann, die ich aber dennoch nicht ganz falsch finde:

[…] Wer so etwas noch nicht gesehen hat, hat es zumindest gehört, wenn so ein Vehikel vor einer roten Ampel zittert. Ein Hartschalensitz, vier Räder, acht Boxen: umpf-umpf-umpf-umpf. Eine Power, die einem das Dach wegbläst, manche benötigen nicht einmal Benzin, die bewegen sich durch schiere Eigenvibration. Mitunter ist die Energie so stark, dass das Dach weggelupft wird. So werden Cabrios gewonnen, das Cabrio als Triumph des unbedachten Augenblicks. Womöglich arbeitet der jnge Mensch in einer Boutique: Umpf-umpf-umpf-umpf! Nach der Arbeit zurück ins Auto: umpf-umpf-umpf-umpf! und ab zum Workout: umpf-umpf-umpf-umpf! Anschließend was essen gehen, da geht’s gedämpfter zu – mit gedämpften Kartoffeln z. B.: Mpf-mpf-mpf-mpf. Hinterher zum Abdampfen ins Technoland: umpf-umpf-umpf-umpf! Selbst der Chillout wird geumpft. […]

Und das waren nun nur zwei Stellen, die ich amüsant fand. Wollte man alle amüsanten Stellen zitieren, müsste man das Buch hier einstellen. In mindestens jedem zweiten Satz steckt eine witzige Breuersche Betrachtung der Welt, der Gesellschaft, der Menschheit – letztlich auch der Musik. Selbst jemand, der mit Musik gar nichts anfangen kann, ist mit Breuers »Hitze in Dosen« bestens bedient, wenn er nach literarischem Amüsement sucht. Und wer zudem auch noch Musik mag, kann sich mit den Tracklisten seinen eigenen Soundtrack, passend zum Buch, zusammenstellen.

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