Meine Kleinfamilie besteht aus Blackberry-Nutzern. Torch. BB abgekürzt, Blödbeere bekosenannt. Das Nutzerverhalten ist unterschiedlich. Frau arbeitet sehr viel intensiver damit. Mails, SMS, Termine. Ich lese meist nur Emails. Und hasse es, wenn man mich auf dem Ding anruft.
n einem Morgen lief der Hund weg. Im Wald. Ein bisschen Jagen. Kann ja nicht schaden, oder? Kann es doch. Zum einen ist es etwas unpraktisch, wenn der Hund weg ist und Frau hat wieder die Blödbeere daheim gelassen. Sie kann nicht Bescheid sagen. Verspätet sich, weil der Hund im Augenblick ganz andere Prioritäten hat. Zum anderen erweist es sich als ungeschickt, in den Wäldern des Murnauer Mooses stiften und jagen zu gehen. Landschaftsschutzgebiete wechseln sich mit Naturschutzflächen ab. Und irgendwo gibt es immer einen Jäger. Auch an diesem Morgen. Knapp war das. Ganz knapp. Und es hätte keine Möglichkeit gegeben, mich zu informieren. Weil die Blödbeere noch in ihrem Bettchen lag.
Abends am Staffelsee, Südufer. Ich lasse den Hund ungern frei laufen. Angewohnheit. Unsicherheit. Am Staffelsee ist es eh verboten, weil das Südufer noch zu Seehausen gehört, dem Eldorado deutscher Verbotsschilderhersteller. Wir laufen da so. Es geht immer schön geradeaus. Naja, ab und zu ein leichter Knick. Übersichtlich. Angenehm. Keine Steigungen. Abends recht schattig. Nur an wenigen Stellen bricht die Abendsonne heftiger zwischen den Bäumen hindurch.
Am Naturfreundehaus wenden wir. Halbe Stunde hin, halbe Stunde zurück. Irgendwo mitten drin hupft direkt vor uns ein Eichhorn auf einen abgestorbenen Baum. Der ist so zweieinhalb Meter hoch. Das Eichhorn hockt sich genau oben hin und blickt argwöhnisch auf den Hund, der von unten heraufschaut. Und Geräusche macht. Hunds Geräusche sind eine akustische Wonne. Sie kann sich nicht entscheiden, ob sie bellen, jaulen, winseln oder was auch immer machen soll, also macht sie alles durcheinander und gleichzeitig. Der Schwanz rotiert wie ein angehender Propeller, die Muskeln der Hinterbeine zucken vor Freude und Spannung.
Ich lasse Hund sitzen. Die Geräusche gehen weiter. Der Argwohn des Eichhorns bleibt ungebrochen. Ich weiß nicht genau, wie weit Eichhörner springen können, aber eigentlich hatte ich erwartet, es würde zumindest versuchen, einen der nebenstehenden Bäume zu erreichen. Aber nichts dergleichen …
In dem Augenblick, in dem ich endlich auf die Idee komme, die Blödbeere zu ziehen und ein Foto zu machen, springt das Eichhorn – nach hinten, ins Wasser … ins Wasser? Ich kann es nicht glauben. Die Blödbeere ist nicht bereit, und da schwimmt ein Eichhorn ein paar Meter mit strammen Beinbewegungen und auf dem Wasser liegendem Schweif, um in einiger Entfernung von Hund und mir ans Ufer zu krabbeln und einen Baum hinaufzuschießen.
Mist, denke ich nur. Und: Blöde Beere …
Später sitze ich am Platzerl und trinke ein Weißbier. Der Hund liegt unter der Bank. Es ist warm, schattig, schön. Ein Auto hält, eine Frau steigt aus, will Zigaretten kaufen. Am Platzerl scheint das ein wenig umständlich. Sie bezahlt am Kiosk, bekommt eine Karte, geht um das Gebäude herum, um die Zigaretten zu holen, kehrt zurück, um die Karte zurückzugeben. Irgendwie so. Während der ganzen Zeit steht ihre Schüssel in der Nähe unseres Sitzplatzes herum. Mit laufendem Motor.
Zur Beunruhigung aller Ökofuzzis, die jetzt aufbegehren wollen: Es sind nicht nur Raucher, die sich ökologisch so wertvoll verhalten. Besonders herausragend zeigen sich hier Traktor-, Bus- und LKW-Fahrer. Ich überlege immer, ob man den Motor vielleicht ausbauen muss, um ihn anzulassen, weshalb sie ihn laufen lassen, um ihn nicht ständig aus- und wieder einbauen zu müssen.
Keine ernsthaften Überlegungen. In Wirklichkeit wünsche ich mir bei so einer Gelegenheit eher eine kleine EMP-Kanone, mit der man den Motor – inklusive vor allem der Zündung – für lange, lange Zeit außer Gefecht setzen könnte. Oder wenigstens eine beeindruckendere Statur und ordentlich Muckis, um nach dem Ausschalten des Motors jemandem die Fresse polieren zu können.
Was das Letzte mit der Blödbeere zu tun hat? Nichts. Ich hätte vielleicht jemanden anrufen können, der sich damit auskennt. Polizei oder so. Aber bis die da gewesen wären … Außerdem war der Akku leer …