Solche Geschichten, meist kurz nach irgendeiner Katastrophe von jemandem geschrieben, der nicht betroffen ist, triefen allzu oft vor infamer Betroffenheitsheuchelei. Die Medien mit ihrer verkappten Mitleidsorgie sind schon schlimm genug, aber irgendjemand ist da immer, der meint, noch einen drauflegen zu müssen. Seuchengeschichten, Kriegsstorys, all das bekommt einen unverdienten Hype. Nur die guten Dinge, die beschreibt niemand. Die interessieren auch niemanden.
Aber man kann auch anders damit umgehen:
Meine Hand umklammert ein Hasenohr. Der Plüschhase mit den langen Beinen und Armen, den umgeklappten Ohren und dem Puschelschwänzchen ist halb so groß wie ich und schleift mit seinen Hinterpfoten im Dreck, wenn ich mit ihm durch die Straßen ziehe. Der Hase hat vorher einem anderen Kind gehört, das Kind hat ihn nicht mehr genug liebgehabt, also hat es ihn hergegeben. Meine Mutter hat mir gesagt, dass das fremde Kind mich lieber gehabt hätte als den Hasen, und ihn mir deswegen schenken wollte. Aber das glaube ich nicht. Denn wie sollte mich das andere Kind liebhaben? Es kannte mich doch gar nicht. Wir haben uns nie gesehen. Der Hase hatte auf dem Berg anderer Spielzeuge gesessen, er hatte nicht gewusst, dass er zu mir kam, und ich hatte das auch nicht gewusst, aber jetzt hielt ich mich an seinem Hasenohr fest und wanderte durch diesen neuen Platz, der nun mein Platz werden sollte, so lange, bis wir einen besseren fanden.
Gabriele Behrend
»Der Ort meiner Träume«
Die ganze Geschichte: hier.