Kurzweiliger Kafka

Uwe Durst
PHANTASMAGORIANA
Erzählungen
Books on Demand, Norderstedt, 2013, Hardcover m. Schutzumschlag, 113 Seiten, ISBN 978 3 7322 4300 6

VORBEMERKUNG

Uwe Durst hatte mir das Buch zur Lektüre und Rezension angedient. Eigentlich für Phase X … und auf eine Nachfrage meinte er, es handle sich nicht um SF-Geschichten. In der Tat …

WORUM GEHT ES?

Das ist richtig schwierig zu erklären. Die Handlungen der zwölf Geschichten wirken vordergründig gewöhnlich, alltäglich, aber sie verschränken sich eigentlich beständig mit skurril-fantastischen Ereignissen, Dingen, Handlungen, führen zu unerwarteten Wendungen, Abzweigungen, und am Ende zu einem Ende, das oft genug nicht wie ein Ende wirkt.

WIE IST DER STIL?

Sehr gut, sehr routiniert, insgesamt eher unauffällig und damit die einzelnen Geschichten und ihre Handlungselemente ganz besonders hervorhebend. Obwohl die Geschichten alles andere als einfach zu lesen sind – dafür sind sie trotz ihrer Kürze viel zu komplex –, bietet das Büchlein ein angenehmes und in der Tat kurzweiliges Lesevergnügen.

WAS GEFIEL NICHT?

Eigentlich nichts, außer, dass ich mir noch mehr solcher Geschichten gewünscht hätte.

WAS GEFIEL?

Besonders gefallen hat mir der immer wieder spontan aufkeimende Eindruck einer Erinnerung an Geschichten von Franz Kafka und an Bilder von Salvadore Dalí. Die einzelnen Geschichten erwecken nur oberflächlich den Eindruck, ein Abbild der Realität darzustellen. Die Verschränkung mit dem Skurrilen, dem Fantastischen führt zu einem surrealistischen Schimmer, der spätestens an jedem der ungewöhnlichen Enden der Geschichten nicht mehr zu übersehen ist.

EIN PAAR ZITATE GEFÄLLIG?

Madame Vitus roch nach dunklem Honig. Sie war ausnehmend schön und hatte ein sehr anziehendes Lachen, das ein Lied davon sang, was für ein Wunder an Gesundheit und Frische sie war. Der Busen war üppig, das braune Haar fiel ihr in reichen Locken über die Schultern, und in ihrem Blick funkelte etwas Ungreifbares, das die Seele meines Vaters erschreckt und mit Sehnsucht erfüllt hatte.
»Ausgezeichnet haben Sie das gemacht, Monsieur Mourguet«, lobte Madame.
Papa reichte ihr das Spielkreuz und der Pfarrer rannte auf sie zu.
»Wirklich ein kleiner Mensch«, rief Madame, und ich träumte, die Puppe zu sein und aus ihren gläsernen Augen hervorzublicken. Es war eine Vorstellung, wie ein Kind sie ersinnt. »Erlöse uns von dem Bösen», flüsterte ich.
»Als wäre sie lebendig«, bemerkte Madame Vitus anerkennend und zupfte an den Fäden.
(S. 51 f., aus: »Der Puppenmacher«)

ZU EMPFEHLEN?

Ja. Das Büchlein ist eine schöne Abwechslung selbst im abwechslungsreichsten Leseprogramm, das man sich gönnen kann. Und Fans von Dadaismus und Surrealismus sind hier auf jeden Fall an einer guten Adresse.

NOCH WAS?

Uwe Durst hat sicherlich recht, wenn er seine Geschichten nicht als SF einstuft, nicht einmal als Fantastik im eigentlichen Sinne sind sie m. E. einzustufen. Aber sie beinhalten fantastische Elemente, ganz unzweifelhaft.

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