Warum Verleger Autoren ausbeuten

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich bin Verleger. Kleinverleger. Ich mache also Bücher von Autoren. Dass die meisten nicht wirklich viel Geld bringen, ist ein Thema. So oder so werden die Autoren an meiner Tätigkeit als Verleger finanziell beteiligt. In Form von Honoraren, bisweilen auch als Tantiemen bezeichnet.

Die Einrichtung der VG Wort ist mir eigentlich ein bisschen ein Rätsel. Ich bekomme mehr oder weniger regelmäßig Post, vor allem einmal im Jahr, wenn es gilt, Publikationen zu melden, für die man mit Ausschüttungen aus dem VG-Wort-Tantiementopf rechnen kann. Ich fühle mich dann immer sehr fehl am Platz, weil von meinen Büchern keines in das Abfrageschema der VG Wort passt. Oder auch nur zu passen scheint.
Trotzdem erhalte ich dann oft irgendwann noch einen Scheck. Nichts Weltbewegendes. Es sind meist 20, 25 oder 30 Euro im Jahr. Ich weiß auch nicht genau, wofür. Das steht in den Begleitunterlagen nicht dabei. Ich löse den Scheck ein und weiß, dass das Geld direkt oder indirekt sowieso wieder in meinen Verlagsprodukten landen wird.

Vor geraumer Zeit – ich habe die Entwicklung nicht wirklich verfolgt, mich nie um Detailkenntnisse bemüht – war ein Autor offensichtlich der Ansicht, dass Verlage es nicht verdient hätten, an den Erlösen der VG Wort beteiligt zu werden, weil dies – seiner Ansicht nach – alleine den Autoren, den Urhebern zustünde. Das Ganze ging vor Gericht. Natürlich, wir sind hier in Deutschland. Und eine Entscheidung ist, glaube ich, noch nicht gefallen; die bisherigen Ergebnisse sehen allerdings wohl so aus, als würden die Richter die Ansicht des Klägers begleiten.

Nun denn. Dann werde ich zukünftig eines der wöchentlichen Arbeitsmittagessen mit meinem hauptberuflichen IT-Kollegen aus eigener Tasche bezahlen müssen. Und vielleicht ein, zwei Rezensionsexemplare pro Jahr weniger verschicken. Ich glaube nicht, dass das in meinem Verlag viel ändern wird.

Grundsätzlich aber finde ich die Denkweise dieses Klägers und der Gerichte nicht nur bedenklich, sondern ziemlich weltfremd. Denn es ist nicht so, wie in diesem Zusammenhang auch dargestellt wurde, dass Verlage Autoren ausbeuten und sich an ihnen über alle Maßen bereichern. Das mag in Einzelfällen zutreffen – Stichwort z. B. Druckkostenzuschussverbrecher –, aber die Regel ist es nicht. Und Verlage und Autoren arbeiten ja zusammen. Der Autor schreibt ja im Grunde »nur« sein Werk. Schon beim Lektorat und Korrektorat kommen Verlagsmitarbeiter mit ins Spiel. Natürlich kann der Autor einen auf Selfpublisher machen und auf Lektorat und Korrektorat verzichten. Was dabei herauskommt, kann man sich zuhauf bei Amazon und BoD anschauen. Dass solche Autoren jemals mit Ausschüttungen der VG Wort rechnen dürfen, halte ich für zweifelhaft. Und natürlich wird der Autor ohne Layout und vernünftige Druckvorlagen genau so wenig Ausschüttungen erhalten, geschweige denn überhaupt Einnahmen – vulgo: Tantiemen – verzeichnen können. Wenn ein Verlag das macht – und damit mit einem weiteren Punkt an dem Erfolg eines Werkes, der sich auch in den VG-Wort-Ausschüttungen manifestieren kann –, dann bedeutet das noch nicht zwingend, dass das Buch ein Erfolg wird; die Chancen sind aber eindeutig besser als im Selfpublishing-Bereich.

Ich weiß nicht, was den Kläger geritten hat, wie gesagt, ich habe mich nicht um Details bemüht und werde das auch nicht nachholen. Ich halte es für einen Fehler, Verlage und Autoren auseinanderdividieren zu wollen. Beide gehören zusammen, beide leben und existieren füreinander, beide sind ohne den anderen nichts – jedenfalls, was die Chancen auf Erfolg angeht. Mir persönlich ist es gleich, ob man mir auch zukünftig 20, 25 oder 30 Euro im Jahr zukommen lässt, wofür genau auch immer. Aber es wird letztlich nicht zum Vorteil der Autoren gereichen, wenn den Verlagen immer wieder Vorwürfe gemacht werden – und ihnen zusätzlich noch mehr und mehr kleine Stücke der eigenen Motivation, gute Arbeit zu leisten, genommen wird.

Wie ich eigentlich darauf komme? Am 23.03. bekam ich per E-Mail den VG-Wort-Newsletter März 2016. Darin ging es um den Jahresauftakt der VG Wort in Berlin, eine Veranstaltung, die unter dem Motto „Am Anfang war das Wort“ stand. Da ging es unter anderem um das Thema der Verlagsbeteiligungen an den VG-Wort-Ausschüttungen. Ich darf zitieren:
»Die Autorin Judith Schalansky, Schriftstellerin und Herausgeberin der Reihe ›Naturkunden‹, und der Verleger Andreas Rötzer, Matthes & Seitz, sprachen über das besondere Verhältnis von Autor und Verleger, von ›Wortschöpfung‹ und ›Wertschöpfung‹. Moderiert wurde das Gespräch von der Literaturkritikerin Frauke Meyer-Gosau. ›Ich würde das Miteinander von Autor und Verleger als symbiotisch bezeichnen. Es ist ein zusammen denken, zusammen werken, und jeder bringt das ein, was er kann und was er hat‹, sagte Judith Schalansky. Andreas Rötzer betonte, dass die VG WORT-Ausschüttung für die Verlage von großer Bedeutung ist. Ein Wegfall der Verlegerbeteiligung würde zu ganz erheblichen Schwierigkeiten führen.«
Das ganze Gespräch, das da geführt wurde, kann man hier nachhören (und anschauen: Es ist ein Video).

Wie auch immer das ausgehen wird, die Welt wird danach nicht mehr die gleiche sein. Dass Verlage Autoren ausbeuten, wird sich in den Köpfen mancher Autoren noch mehr festgesetzt und der Kreis der Anhänger solcher Denkweisen wird sich vergrößert haben. Und ich werde auch weiterhin nicht mit Autoren zusammenarbeiten, die so von mir denken. Das habe ich nicht nötig.

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