[Kim] Faible fürs Apporteln

»Apporteln« ist der leicht bayerisch angehauchte Fachbegriff für das Apportieren von Gegenständen durch den Hund. Kim war nie ein verspielter Hund. Sie besaß keine Spielzeuge und hatte auch nie das Bedürfnis, sich Gegenstände anzueignen und sie als ihr Eigentum zu betrachten und zu bewahren. Aber sie hatte indirekt schon solche Spielzeuge, Gegenstände, die sie apportieren sollte. Und das machte sie sehr gut (und deutlich motivierter als Naomi zum Beispiel). Und sie stellte sich auch anspruchsvolleren Herausforderungen:

Das Video wurde im September 2016 in Murnau aufgenommen.

Kim 11

Nein. Sie ist nicht jünger geworden. Leider. Sie ist immer noch 12 Jahre alt. 12 ½ inzwischen.
Aber heute vor 11 Jahren haben wir sie zu uns geholt. In einem kleinen Tierheim in Odelzhausen (bei München) abgeholt. Da war sie gerade mal einen Tag in Deutschland. Mit einem Transporter aus Ungarn gekommen. Wir hatten vorher Bilder von ihr bekommen. Nachdem wir zuvor schon einmal dort gewesen waren. Da war sie noch nicht da. Und die Hunde, die da waren, waren nicht unser Fall.

Kim 2011, eines der Fotos, die wir bekamen, bevor wir uns für sie entschieden. Eines der Fotos, wegen denen wir uns für sie entschieden.

Als wir sie holten, war sie irgendwie klein. Unscheinbar. Müde von der langen Fahrt aus Ungarn. Sie nahm ein paar Leckerlis. Und wirkte abwesend. Wir hatten noch nichts. Keine Box, keine Ausrüstung im Wagenheck. Sie lag zwischen den Füßen meiner Frau im Fußraum. Was in den ersten Stunden daheim passierte, daran erinnere ich mich nicht mehr.
In den ersten Tagen zeigten sich die bei Hunden aus den ehemaligen Ostblockstaaten typischen Probleme. Angst vor Männern, jedenfalls Abneigung gegen diese. Kein Wunder. Die Tierfänger in diesen Ländern sind nicht nur ausnahmslos Männer, sondern auch Arschlöcher. Nicht nur, dass Kim – die eigentlich Gigi heißt, aber so nennt man keinen Hund – von einem Metzger sterilisiert wurde: Die Narbe ist gute zwanzig Zentimeter lang (heute sieht man sie kaum noch). Später erfuhren wir, dass auf sie geschossen wurde – nicht ungewöhnlich nach einem anderthalbjährigen Leben auf der Straße (zwei Diabolos wurden entfernt, der dritte sitzt verkapselt und harmlos direkt an der Lunge).

Kim 2011. Noch eines der »Werbefotos«. Hier hatte sie sehr große Ähnlichkeit mit meiner ersten Kim …

Kim zeigte mir meine Grenzen. Der Umgang mit ihr war schwierig. Ich dachte nach der ersten Kim, die ich hatte, ich würde mich auskennen. Aber ich machte Fehler. Die Teleskopleine, die mir aus der Hand fiel und hinter dem armen Hundemädchen herjagte, die erfolglos zu flüchten versuchte, zum Glück nur bis zur Haustür. Es gelang mir zwar, als Futtermeister eine Rolle zu spielen. Aber es blieb schwierig. Einmal biss sie mich in die Hand – mein Fehler, eindeutig.
Am Ende war es eine Hundetrainerin, die den richtigen Weg zeigte. Mit einer Wasserpistole. Durch sie – die Trainerin und die Wasserpistole – lernte Kim, dass ich derjenige war, bei dem sie in Sicherheit war. Und das war der Hebel, der umgelegt werden musste.

Kim im Februar 2022. (Hinter ihr Naomi.)

Heute ist Kim alt. Ich liebe sie. Wir lieben sie. Sie ist immer noch kein vollständig einfacher Hund. Sie lässt sich ungern knuddeln. Aber sie ist ein wundervoller Hund geworden, wundervoller, als wir jemals vermutet hätten.
Und heute ist sie alt. Sie schläft viel. Wenn sie nach dem Schlaf aufsteht, ist sie wackelig. Und auch draußen läuft sie eher wackelig. Und nicht mehr so lange. Längst nicht mehr so lange. Fünfzehn, zwanzig Minuten, selten mehr. Kurze Strecken, manchmal nicht mal mehr ein Kilometer.
Sie ist alt. Wir vermuten, dass sie uns in absehbarer Zeit verlassen wird. Über die Regenbogenbrücke gehen wird, wie man als Hundebesitzer sagt. Wir hoffen, dass sie einfach einschlafen wird, dass wir sie nicht wegen irgendetwas einschläfern lassen müssen. Und irgendwie stehen die Chancen gut. So alt sie ist, eines ist unverändert: Ihr Hunger, ihr Appetit auf alles, was essbar ist – inklusive Obst und Gemüse in jeder Form.
Heute vor elf Jahren haben wir sie zu uns geholt. Es war eine gute Entscheidung. Es ist noch immer eine gute Entscheidung. Und es wird eine gute Entscheidung bleiben.

Es ist schön, dass du bei uns bist, Moppelkäfer.

Drei Jahre

Beinahe hätte ich das Datum verpasst. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Aber gut … noch haut es hin.

Heute vor drei Jahren war der erste Tag in Winnert, den man als regulären Tag nach  unserem Umzug bezeichnen kann. Natürlich standen noch massenhaft Kartons herum, wie das nach einem Umzug so ist, aber im Grunde waren wir am 09. Dezember 2018 angekommen.

Am 05. Dezember kam der Umzugswagen und postierte sich vor dem Firmengebäude meines damaligen Nocharbeitgebers, in dem sich unsere Wohnung befand. Die Jungs waren fleißig und so konnte ich nach der Wohnungsübergabe um 15 Uhr aufbrechen und Murnau für alle Zeiten den Rücken kehren. Meine Frau und die Hundemädchen Kim und Naomi waren schon am 02. Dezember aufgebrochen und bei meinem Bruder im Rheinland eingekehrt. Dort schlug ich am 05. Dezember auch auf – um 22.30 Uhr.

Am Nikolaustag 2018 trafen wir uns morgens mit meiner Mutter im Café Heinemann in Düsseldorf.
Um 12 Uhr brach ich dann alleine nach Winnert auf.
Nach rund 300 Kilometern meldete der VW Passat eine Motorstörung. Er zog nicht mehr, mehr als 2500 Umdrehungen brachte der Motor nicht. Da ich nicht wusste, woher der Fehler kam, wagte ich nicht anzuhalten und den Motor auszuschalten. Sogar während einer Pinkelpause ließ ich den Motor laufen. Zum Glück kam niemand auf die Idee, den Wagen zu klauen. (Und hätte ich gewusst, dass es auch im Norden der Republik Usus ist, einen Motor im Leerlauf stehen zu lassen, hätte ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht.)
Gegen 18 Uhr kam ich in Winnert an, machte den Motor aus – ich hätte halt im leeren Haus übernachtet, irgendwie –, startete ihn erneut … und er lief, einwandfrei, ohne den Motorfehler. »Arsch!«, dachte ich. (Später stellte sich heraus, dass das Problem mit dem Turbolader zu tun hatte; ein Ventil, das sich nicht mehr richtig öffnen wollte oder so.)
Nach der Schlüsselübergabe durch den Vorbesitzer übernachtete ich in einer Pension in Friedrichstadt, einem Nachbarort von Winnert. Der Ort war mausetot. Ich gönnte mir einen Döner auf die Hand, nahm noch zwei Flaschen Bier mit und zog mich dann zurück. Zu entdecken gab es ja nichts.

Am 07. Dezember kam der Umzugswagen morgens gegen acht Uhr. Wieder waren die Jungs fleißig und gut drauf.
Es ergab sich die Notwendigkeit einer spontanen Umplanung. Hatten wir unsere Arbeitszimmer im Obergeschoss vorgesehen, stellte sich heraus, dass die zwei Teile meines Riesenschreibtischs nicht durchs Treppenhaus nach oben zu bringen waren. Also plante ich spontan und kurzerhand um, informierte meine Gattin von der Änderung … und aus heutiger Sicht erweist sich das als Vorteil, denn zum einen müssen die Hunde nicht ständig Treppen steigen – Kim könnte das schon gar nicht mehr –, zum anderen hat meine Holde nun das Obergeschoss als Praxis für ihre Heilpraktikerinnenkarriere für sich.
Gegen 14 Uhr waren alle Sachen ausgeladen, der Umzugs-Lkw leer und die Jungs rauschten ab, nachdem ich ihnen ein ordentliches Trinkgeld gegönnt hatte. Den Rest des Tages verbrachte ich mit einer Tour nach Husum und ersten Aufräumarbeiten. Am Abend lief schon der Fernseher – ab diesem Zeitpunkt war ich offiziell in Winnert im Norderweg 31 angekommen.

Am 08. Dezember nahm ich meinen PC-Arbeitsplatz in Betrieb – immerhin ein zentraler Punkt meines Arbeitslebens –, und gegen 14 Uhr kamen dann meine Weibsbilder an.

Und ab 09. Dezember begann dann das »normale« Leben in Winnert.

Drei Jahre ist das also nun her. Drei Jahre Winnert. Drei Jahre Nordfriesland. Mir taugt es immer noch, und meine Frau vermisst immer noch Berge, Nadelwälder (weil die im Winter nicht kahl werden) und Schnee. Und den Hundemädels ist es wurscht – solange es Leckerlis und genug zu futtern gibt …

Umgenietet

Es gibt ja viele Dinge, mit denen man nicht einverstanden sein kann. Deutschland ist voll davon. Und Deutschland ist voll von Menschen, die immer was finden. Ich nehme mich da nicht aus.

Ich kann Jäger nicht leiden. Es mag sicher welche geben, die eine ordentliche Arbeit machen und dabei auch einen vorhandenen Grips anstrengen und dessen Erkenntnisse umsetzen. Die meisten, die ich kenne, halte ich für Arschlöcher. Nicht nur, aber natürlich auch, weil so ein Penner mal auf mich und meine beiden – mit neonfarbenen Biotane-Leinen angeleinten – Hunde geschossen hat. Allein die Behauptung, Jäger seien für den Erhalt der Natur wichtig, halte ich für bei den Haaren herbeigezogen. Als es die industriell veranstaltete, institutionalisierte Jagd noch nicht gab, ging es der Natur eindeutig besser. Bestes Beispiel: Füchse. Es ist sittsam bekannt, dass der größte Teil der Jägerschaft einfach nicht kapiert, dass Füchse umso mehr Nachwuchs bekommen, je mehr ihr Bestand dezimiert wird. Ergo: Statt dass die Jäger die Füchse in Ruhe lassen (und Hühnerhaltern vielleicht beibringen, wie sie ihr Federvieh effektiv vorm Reineke schützen), erschießen sie sie reihenweise und verpesten die Natur mit ihrer umweltschädigenden Drecksmunition.

Nun gut. Für ein militantes Gegnertum Jägern gegenüber habe ich keine Zeit. Brauche ich auch nicht. Es gibt offensichtlich andere Leute, die sich darum kümmern. Wie die, die diese Jagdsitze umgenietet haben. Ist schon Jahre her. Das war in der Nähe von Westried, wo ich damals lebte. Wo genau die Jagdsitze standen bzw. lagen, weiß ich nicht mehr; irgendwo hier.

Die Aufnahmen sind aus 2016, Spätsommer, Frühherbst. Mir hat’s jedenfalls gefallen.

Dummparker in der Fremde

Aufgenommen im November 2016 in Grafenaschau, Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Grafenaschau liegt in der Nähe meines damaligen Wohnortes in Murnau-Westried und wurde von mir als Neureichengetto eingeschätzt. Ich vermute, der Krefelder auf dem Bild fühlte sich einfach wie daheim. Auf der falschen Rheinseite parkt man halt so.

Einheit

Die deutsche Einheit ist 30 geworden. Heute.

Interessanterweise verbinde ich mit dem 3. Oktober 1990 praktisch kaum Erinnerungen. Es war ein juristischer Vorgang, die Zusammenführung zweier Staaten zu einem neuen Gebilde. Oder besser: die Vereinnahmung eines Staates durch einen anderen.
Die ganzen Probleme sind natürlich bekannt. Ossis vs. Wessis. Solidaritätsabgabe. Die Entwicklung von Löhnen und Renten. Die wirtschaftliche Lage im Osten. Ach, all die Dinge, die einen zweifeln ließen und manchmal noch immer lassen, ob es eine Einheit wirklich gibt, jemals geben wird.

Es wird sie vermutlich nicht so geben, wie sich das Politiker und Journalisten vorstellen und mit ihrem Gerede von »blühenden Landschaften« den Menschen unsinnige Flausen in den Kopf setzen, von Vorstellungen, die sich so niemals realisieren lassen. Es gab schon im Westen keine Einheit, und es wird sie auch im vereinten Deutschland nicht geben. Denn die Menschen sind unterschiedlich. Die Gegenden sind unterschiedlich. Alles ist unterschiedlich.
Ich denke an Murnau zurück. Westried, der Ortsteil, in dem ich lebte, der »Seniorensumpf« Moosrain, in dem nur alte Leute zu leben schienen, und der Nachbarort Grafenaschau, das »Neureichengetto« – drei Örtlichkeiten, die sich grundsätzlich voneinander unterschieden und wohl immer noch unterscheiden. Je nachdem, welchen Aspekt man ins Auge fasst.
Und so ist es doch überall. München, Nürnberg, Düsseldorf, Hamburg, Berlin – alles nicht vergleichbar. Bayern, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen – nicht vergleichbar. Und das nicht, weil die Versprechungen von Politikern und Journalisten nicht eingetroffen sind – sondern weil sie von vornherein unsinnig waren, sind und immer sein werden.

Für mich ist die Einheit vor allem eines: Ich kann nach Wismar fahren, in eine Stadt, die ich sehr mag, ich kann mit Bewohnern von Leipzig und Dresden nicht nur kommunizieren, ich kann sie auch besuchen. Es gibt immer noch unterschiedliche Dialekte, aber eine Vereinigung der beiden deutschen Teile hat niemals zum Ziel gehabt, ostdeutsche Dialekte zu zerstören oder auszutauschen. Für mich ist die Einheit Freizügigkeit, ein Teil der Freizügigkeit, die ich auch in den Staaten genieße, die dem Schengener Abkommen beigetreten sind.
Ich erinnere mich an die Wochen nach der Grenzöffnung – und das sind die intensiveren Erinnerungen –, an das Wochenende, als ich mit meiner damaligen Lebensgefährtin – die ihren Vater für einen Nazi hielt, selbst aber von den neuen Ländern als »Dunkeldeutschland« sprach; der Apfel und der Stamm … – nach Berlin fuhr, nach Ostberlin; ich erinnere mich an die Autobahnbaustelle – die Ostautobahnen waren sofort nach der Grenzöffnung durchgehend Baustelle –, in der ein tschechischer Omnibus beide Spuren blockierte, während er Richtung Berlin zockelte, zwei hinterher fahrende Pkws auf der Stoßstange, Lichthupe und Hupe ignorierend,; ich erinnere mich an die vierspurigen Kreuzungen in Ostberlin, die zwanzig, dreißig Meter hinter den Ampelanlagen nur noch zweispurige Straßen waren, an die Straße in der Plattenbausiedlung, die plötzlich – ohne Absperrung, Beschilderung, Beleuchtung – in einer riesigen Baugrube endete (und wir landeten nur deshalb nicht in derselben, weil es neblig war und ich nicht sehr schnell fuhr).
Ich erinnere mich an herzliche Ostberliner, die uns Kost und Logis fürs Wochenende boten. (Lustigerweise erinnere ich mich nicht, warum wir überhaupt in Ostberlin waren …)

Die europäischen Bemühungen einer europäischen Einheit leiden unter dem Schwachsinn, den Boris Johnson und seine Schergen angezettelt haben, der unter der unsäglichen Wortschöpfung »Brexit« bekannt ist. Sie leiden unter Viktor Orban und der polnischen Rechten. Es gibt Strömungen in manchen Ländern, die daran zweifeln lassen, dass es eine europäische Einheit jemals geben wird. Und doch – ich denke, es gibt sie schon, soweit sie möglich ist, und wenn Politiker und Journalisten aufhören, Unsinn über die Aspekte einer Einheit zu verbreiten, die sie für richtig halten, deren Richtigkeit aber unbewiesen ist und bleiben wird, dann wird sich die Erkenntnis der europäischen Einheit auch in den Köpfen der Menschen festsetzen.
Und wie auch immer separatistische Bestrebungen – Stichwort: Katalanien – in Europa aussehen: Deutschland wird Einheit bleiben. Es gibt keinen vernünftigen Grund, anderes anzunehmen. Sieht man vielleicht davon ab, dass unsere beiden Freistaaten anderes im Sinn haben könnten. Aber da stellt sich dann die Frage, was wir wirklich verlören …

Ein Weg für ein Schild

Man fragt sich unwillkürlich, wie das Fahrzeug im Hintergrund da hingekommen ist. Wurde es mit einem Hubschrauber geliefert? Oder in Einzelteilen durch Amazon … aber nein, die hätten gegen das Zufahrtsverbot verstoßen müssen.

Fragen bleiben. Der Weg ist keine Sackgasse. Wozu aber dieser Weg, wenn man ihn nicht benutzen darf. Dass er für Fahrzeuge geeignet ist, erkennt man an der Breite und an der Oberflächenstruktur. Und an dem Fahrzeug im Hintergrund.

Fragen.

Vielleicht war das Schild einfach nur übrig. Und bevor es im Keller oder auf dem Dachboden vergammelt …

Standort des Schildes: hier.

Was ein Schild sagen will

Was mir das vor langer Zeit aufgenommene Schild sagen wollte, war mir schon damals unklar. Es wurde irgendwo in der Gegend von Murnau-Westried aufgenommen. GPS-Koordinaten hat der Blackberry Leap, der Fotoapparat, nicht verzeichnet.

An der Stelle gab es keinen Weg. Nicht mal einen Trampelpfad. Man hätte sich durch das Grün schlagen können, hinein in den Wald, das Wäldchen, zwischen die Bäume, aber wozu? Das denkbare Ziel dahinter hätte man bequemer erreichen können. Und ohne, gegen das ansonsten sinnlose Verbot des Durchgangs zu verstoßen.

Wobei das Schild sowieso widersprüchlich ist: Ein Durchgang würde unterstellen, dass man am Ende irgendwo anders herauskommt. Man müsste durchgehen können, hindurch durch Grün, Wald, Bäume. Aber wozu, wenn es am Ende eine Sackgasse ist und der Durchgang nirgendwo hin, nirgendwo hindurchführt? Wenn man sowieso gezwungen ist, umzukehren und nur dorthin gelangt, wo man herkommt?

Ein deutsches Hobby

Die Deutschen lieben es. Das Absperren. Vermutlich hätten die Deutschen es erfunden, wären sie die erste Hochzivilisation auf der Erde gewesen. Da sie das nicht waren, nicht sind und – zum Glück – auch nicht sein werden, haben sie es abgekupfert. Und ganz sicher perfektioniert. Erfahrungen haben sie ja auch dank ihrer Historie. Ich denke da an die Berliner Mauer. An die Zonengrenze.
Aber auch im Kleinen sind sie nicht pingelig. Ganz im Gegenteil. Mauern, Zäune, Ketten, Leinen, Absperrbänder aus Plastik. Die Mittel, die der Deutsche für sein Hobby nutzt, sind vielfältig. Die Gründe auch.

Dieser Platz, zwischen Murnau und Westried – hier – gelegen, direkt an der Staatsstraße 2062, war in den meisten Jahren, die ich in Westried wohnte, unauffällig. Nichts wies darauf hin, dass hier besondere Ansprüche vorlagen, Nutzungsabsichten herrschten.
Irgendwann tauchte eines der typischen, schwarz-gelben »Privat«-Schilder auf. Wozu auch immer. Ich habe in all den Jahren nur einmal einen Wagen dort stehen sehen, einen ScheißUV von einem Pilzsammler mit Hund, der aber sonst weiter im Wald parkte. Der Weg neben diesem Platz führt in den Wald, gabelt sich und endet an beiden Enden als Sackweg. Ein Trampelpfad verbindet beide Enden miteinander, sodass man mit einem Hund eine Runde gehen kann.

Dass ich nie jemanden dort stehen sah, heißt natürlich nichts. Die meisten offensichtlich illegalen Parker werden vermutlich nachts ab 1.30 Uhr dort gestanden und morgens um 5.40 Uhr verschwunden sein. Denn nur durch solche Übeltäter ist zu erklären, dass eines Tages die Steine auftauchten, die auch auf dem Foto noch zu sehen sind. Es waren freilich anfangs mehr. Sie lagen dort herum, im Weg, verhinderten, dass jemand dort seinen Wagen – ScheißUV oder was auch immer – abstellen konnte.
Möglicherweise stellte jemand fest, dass es umständlich ist, die Steine wegzuräumen, um dort zu parken. Der Eigentümer dieses Fleckchens vermutlich. Ist ja auch doof, wenn der zu vermutende eigene ScheißUV nicht über genügend Bodenfreiheit und gestählte Reifen verfügte, um über die Steine zu fahren.
Am Ende führte es zu der Kette.

Ich habe nie verstanden, was das sollte. Ich bin vermutlich nicht dumm genug, um das zu verstehen. Muss ich ja auch nicht mehr, nachdem ich dort nicht mehr lebe.
Immerhin war es manchmal ganz lustig. Einmal versperrte ein Transporter einfach den Weg vor der Kette. Auch eine Möglichkeit. Mehr als einmal hatte der Fleckchenbesitzer offensichtlich vergessen, die Kette wieder einzuhängen und mit einem Schloss zu verriegeln – sie lag auf dem Boden. Und mindestens einmal hat jemand den Pfosten in dem Betonsockel einfach umgekippt.
Wie anarchistisch manche Menschen mit solchen deutschen Leidenschaften doch umgehen, nicht wahr?

Der Wunsch, etwas abzusperren, ist kein bayerisches, sondern ein deutsches Phänomen. Deshalb findet man es auch in Nordfriesland. Die Kette oben ist irgendwo bei Lehmsiek gespannt, dort, wo ich gerne mit den Hunden gehe. Es wird ein Stück Weg … naja, Weg … es wird eine Grasfläche abgesperrt, die nach einem Weg aussieht, der allerdings nach wenigen Metern endet. Nirgendwohin führt. Nicht mal als Trampelpfad.

In Ostfriesland haben wir mal in der Nähe von Norden Urlaub gemacht. Leybuchtpolder hieß der Ort, eigentlich eine Mischung aus Straßendorf und Streusiedlung. Die Grundstücke waren alle nicht eingezäunt. Zwischen Straße und Grundstück gab es Abflussgräben. Die Einfahrten waren mit meist weißen Steinen begrenzt, nicht, um sie zu versperren, sondern um sie auch im Dunkeln sichtbar(er) zu machen. Ansonsten … nichts. Keine Zäune, keine Mauern, keine Ketten. Bepflanzung, ja. Aber selbst die war eher unauffällig, niedrig gehalten. Die großzügigen, schönen Grundstücke und die darauf stehenden, nicht minder ansehnlichen Häuser lagen offen vor den Augen des Betrachters. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, aber niemanden gefragt, um herauszufinden, wie es die Bewohner von Leybuchtpolder – und auch anderer Gegenden in Ostfriesland – schaffen, ohne Absperrungen ein normales Leben zu führen.

P.S.: Ja. Auch mein Grundstück hat einen Zaun. Wir haben Hunde. Und der Norderweg wird von Bescheuerten und Bekloppten, von des Lesens und Verstehens von Zahlen Unfähigen befahren, von Menschen, die sich für fremde Hunde vermutlich einen Scheißdreck interessieren – ich will es nicht ausprobieren. Und immerhin hat mir der Zaun erlaubt, Verbotsschilder für das Parken auf dem Grünstreifen vor meinem Haus anzubringen.

 

DB = Dummbahn?

Vermutlich. Vielleicht auch FB. Faulbahn. Jedenfalls seit vielen Jahren. Und vielleicht heute nicht mehr. Keine Ahnung. Das war noch in Murnau-Westried. Hier. Da stellte irgendein Bahnbonze fest, dass dieser Übergang, der auch von Schülern genutzt wurde, gefährlich sei, weshalb man dieses Verbotsschild aufstellte. Mit der zu erwartenden Wirkung. Ignoranz. Das Kalkül der Bahn: Für eine Entschärfung des Gefahrenherds zu sorgen, würde Geld kosten. Und Zeit, also noch mal Geld. Wer jedoch das Verbotsschild ignorierte, tat das auf eigene Gefahr – sprichwörtlich. Wer beim unerlaubten Überqueren von der Ammergauer Scheißbahn (andere Geschichte) erwischt würde, hätte schlicht Pech gehabt, jedoch keine Ansprüche gegenüber der Bahn. Geschickt. Und typisch Bahn. Einer der zahllosen erfolgreichen Versuche, Intelligenz durch Dummheit zu ersetzen.