Allergernste Bücher

Ich mache Bücher gern. Manche gerner. Und es gibt welche, die mache ich am allergernsten. »Vergangene Zukunft« gehört zur letzteren Kategorie. Die von Rainer Schorm und Jörg Weigand herausgegebene Sammlung von Essays und Storys sind Thomas R. P. Mielke gewidmet, der am 12.03.2020 achtzig Jahre alt geworden ist.

Details zum Buch findet man hier. In der Liste der Beiträger taucht mein Name nicht auf. Das ist durchaus Absicht. Immerhin bin ich der Verleger. Aber ganz entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten fiel mir mein Beitrag sogar leicht:

Ich bin ein schlechter Archivar
oder
Zweieinhalb Erinnerungen aus einer Zukunft
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buchtalk.de, der Weihnachtskalender: Türchen 1

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Michael Haitel
GALAKTISCHE WEIHNACHTSMÄNNER

Für Siegrun!

Ein Planet schwebte in der samtenen Schwärze des Alls unter der metallenen Kugel eines Raumschiffes. Die gelbe Sonne warf spiegelnde Reflexe auf der Metalloberfläche und ließ ab und zu eine grüne Tenne auf der Oberfläche sichtbar werden.
Die TANNIA 143, eines der vielen Tausend Weihnachtsschiffe des Helkt Xsmas, hatte einen Planeten angeflogen, auf dem die Weihnachtszeit herangezogen war.
Langsam drehte es sich um den Planeten. Auf der Nachtseite waren die Lichter zahlreicher Städte zu sehen. Das Leben pulsierte auch des Nachts noch auf dieser Welt.
Der Kommandant der TANNIA 143 blickte auf eine Digitaluhr. Es waren noch zwei Stunden bis zur Bescherung. So lange würde die TANNIA noch ihre Orbitalrunden um diese Welt drehen, von der man nur die galaktische Koordinatenbezeichnung kannte.
Der Name interessierte nicht.
Der Kommandant hieß Pelot Sinnh. Er dachte gerade an ganz andere Dinge, daran, dass er Weihnachten diesmal nicht zu Hause sein konnte, bei seiner Frau und seinen Kindern, weil er Dienst tun musste, Dienst, damit andere Menschen auf fremden Planeten eine frohe Weihnacht feiern konnten. Er arbeitete seit vierzehn Jahren im Dienste Helkt Xsmas’ und hatte schon viele Einsätze geflogen, doch Weihnachten war er bisher immer zu Hause gewesen.
Einmal trifft es wohl jeden, dachte er. Aber ausgerechnet dieses Jahr …
Erneut blickte er auf die Uhr. Noch eine Stunde und fünfundvierzig Minuten. Die Weihnachtsschiffe von Helkt Xsmas waren jetzt an vielen Orten des Universums unterwegs. Zum Teil mochten sie ihre Transmitter schon entleert haben, zum Teil warteten sie noch auf den auslösenden Moment – wie die TANNIA 143. Doch alle hatten sie den gleichen Auftrag. Anfliegen der Planeten, in den Orbit gehen, die Transmitter beladen und einstellen, auf Sendung stellen und dann irgendwann den Knopf drücken.
Sinnh hatte versucht, den Auftrag für die Erde zu bekommen. Doch viele seiner Kollegen hatten sich darum gerissen. Doch nur vier Schiffe hatten ihn bekommen und seines war nicht dabei gewesen.
Wieder beendete die TANNIA 143 eine Umkreisung des Planeten und tauchte in die Nachtseite ein. Die glitzernden Lichter der Städte zeugten von Leben und Erwartung, von gespannten Kindergesichtern und leuchtenden Kerzen auf Weihnachtsbäumen.
Friede hatte die Welten der Weihnachtszeit heimgesucht. Krieg war in dieser Zeit verpönt und selbst die barbarischsten Völker des Universums hielten sich an den Jahrtausende alten Brauch, zur Weihnachtszeit die kriegerischen Handlungen einzustellen.
Zur Weihnachtszeit wurden die größten Feinde Freunde. Warum konnte es auch sonst nicht so sein, dachte Pelot Sinnh.
Ein erneuter Blick auf die Uhr ließ ihn aufstöhnen, denn es waren immer noch einundneunzig Minuten, die nicht vergehen wollten.
Die Zeit floss dahin wie dicker Sirup. Pelot Sinnh ließ zum x-ten Male die Transmittereinstellungen prüfen. Keine Abweichungen, alles war in bester Ordnung.
Plötzlich hatte er große Lust, den Impuls bereits jetzt auszulösen. Er dachte amüsiert an die gespannten Gesichter und die Überraschung, die sich darauf abzeichnen würde, wenn die tannengeschmückten Kisten mitten auf dem Dinertisch materialisieren würden.

Doch das konnte er nicht tun. Es würde Beschwerden hageln und er würde seinen Job ganz schnell los sein und das war das Letzte, wonach es ihn verlangte. Trotz aller Unannehmlichkeiten, die er in Kauf nehmen musste, liebte er seine Arbeit in der Weihnachtsflotte.
Noch zweiundsechzig Minuten, sagte ihm die Uhr bei einem weiteren Blick. Seine Augen hefteten sich an die flimmernden Digitale. Die Sekunden verstrichen träge, die Minuten noch träger und die Stunden fast gar nicht.
Dann bellten die Sirenen auf.
Mit einem Ruck richtete sich Pelot Sinnh auf. »Was ist los?«, fragte er.
»Energieausfall in den Transmittersektoren 12 und 13, Sir!«, antwortete der LG im Maschinenraum. »Wir haben Schwierigkeiten mit den Reaktoren, Sir.«
»Scheiße!«, fluchte Sinnh lautstark. Ausgerechnet jetzt, dachte er. »Versucht, den Fehler zu finden. In sechzig Minuten wird der Impuls ausgelöst. Bis dahin müsst ihr es geschafft haben.«
»Das wird nicht hinhauen, Sir, zwei Reaktoren sind völlig durchgegangen.«
»Dann legt die Transmitterversorgung der beiden Sektoren auf die anderen Reaktoren.«
»Dann riskieren wir, dass die anderen Reaktoren auch noch durchgehen.«
»Egal, dann werden wir die Energie für die beiden Sektoren erst im letzten Moment zuschalten. Auf jeden Fall müssen die Sachen alle im gleichen Moment raus.«
»Wir versuchen, was wir können, Sir.«
»Das reicht nicht. Ihr müsst euer Letztes geben.«
»Jawohl.«
Der LG schaltete ab. Jetzt würden die Techniker wie emsige Ameisen damit beginnen, den Fehler zu suchen und zu beheben.
Zwei Reaktoren waren durchgegangen. Die Transmitter liefen seit sechseinhalb Stunden im Leerlauf, so war es im Grunde kein Wunder. Die Reaktoren mussten auch noch das restliche Schiff mit Energie versorgen. Pelot Sinnh hatte seit jeher das Gefühl gehabt, als wären die Weihnachtsschiffe energetisch unterversorgt.
Er dachte wehmütig an die Kampfeinheit zurück, mit der er gegen die Xalks geflogen war. Die Energie in diesen Reaktoren hätte für zehn der Weihnachtsschiffe ausgereicht. Doch die Weihnachtsschiffe hatten ja keinen Kampfauftrag, sondern den Auftrag, Frieden und Freude zu bringen.
Ein Blick auf die Uhr ließ ihn auffahren. Noch siebzehn Minuten. Plötzlich schien die Zeit dünnflüssig geworden zu sein. Sie schoss dahin wie ein reißender Bergbach. Er glaubte, die Sekunden nicht mehr zählen zu können, so schnell liefen sie.
Zwei Minuten vor dem Auslösezeitpunkt meldete sich der LG aus dem Maschinenraum.
»Sir, wir haben es geschafft. Die Reaktoren laufen wieder, wenn auch noch ziemlich schwach. Ich würde vorschlagen, dass wir noch fünfzehn Minuten warten, bis sie wieder richtig in Gang sind.«
»Fällt aus, wir müssen in anderthalb Minuten auslösen. Räumen sie die Maschinenhalle, falls irgendetwas passiert. Sie haben noch eine Minute.«
Pelot Sinnh löste die Alarmsirenen aus. Die Männer aktivierten ihre Körperfelder und stülpten die mentalen Kontaktspangen über.
Zehn – neun – acht – sieben – sechs – fünf – vier – drei – zwo – eins –
Impuls!
Pelot Sinnh schlug den Aktivierungsschalter der Transmitter mit voller Wucht in die Schalttafel. Tief im Innern des Schiffes begannen die Reaktoren zu donnern und versetzen die Kugelhülle in Schwingungen. Die Körperfelder der Mannschaft schützten sie vor diesen Einwirkungen, doch die Frequenzen im hörbaren Bereich ließen sich nicht vollständig tilgen und das, was durchkam, ließ einen Weltuntergang vermuten. Die Sirenen übertönten die tosenden Energielieferanten.
In der Transmitterabteilung flammten die grellgrünen Abstrahlfelder auf und umfassten die Warentürme, die zwischen den Gitterkäfigen aufgetürmt waren. Die fiktiven Finger der Transmitter packten sie und rissen sie aus dem Einsteinkontinuum.
Und überall auf dem Planeten, in allen Wohnungen und Häusern, in kleinen Zelten, auf freien Plätzen, zwischen jubelnden Menschenmassen und im Zimmer einer einsamen alten Frau materialisierten die mit Tannenzweigen geschmückten Kisten der Weihnachtsflotte.
Die galaktischen Weihnachtsmänner waren da gewesen. Pelot Sinnh glaubte den Jubel der Milliarden Menschen zu hören, als er die Triebwerke auf Vollschub hochjagte und auf den Transitionspunkt 14a zusteuerte.
Die Arbeit rief und gönnte ihm keinen Moment Ruhe.

GALAKTISCHE WEIHNACHTSMÄNNER
Michael Haitel
Düsseldorf, 25.04.1979
Murnau am Staffelsee, 29.11.2013

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Es gibt etwas hinter dem Türchen … einen Gewinn: Ich fange gleich mit einem Schwergewicht an, mit einem knapp 10 kg schweren Buchpaket (quer Beet aus meiner Sammlung, nagelneue, einmal gelesene, aber auch gebrauchte Bücher unterschiedlicher Genres und Provenienz). Wenn ihr die Frage

Wer ist der Helkt Xsmas?

richtig beantwortet und die richtige Antwort an kontakt@buch-talk.de mailt, dann kommt ihr in den Lostopf. Die Frage ist ein wenig knifflig. Die Antwort steckt nicht direkt in dem Text, aber mit ein wenig Intuition kommt man drauf :)
Eure Antwortmail könnt ihr bis morgen, 02.12.2013, 24.12.2013, 24 Uhr, absenden. Vergesst in eurer Antwortmail die ggf. gewünschte Lieferanschrift nicht; mein Preis kommt per DHL-Paket.

Das zweite Kalendertürchen erreicht ihr morgen bei den Seitenflüsterern, wenn ihr auf die 2 klickt:

Ich wünsche euch einen angenehmen Advent und eine schöne Vorweihnachtszeit. Gehabt euch wohl und viel Spass mit den weiteren Türchen des buchtalk.de-Adventskalenders.