Das Dreieck. Eine Erinnerung

Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war. Zwölf vielleicht, dreizehn. Es ist über vierzig Jahre her. So viel ist sicher. Ich war nie oft im Krankenhaus. Ich bin in einem geboren worden. Und mit zwölf oder dreizehn war ich noch mal drin. Danach –
Keine Ahnung.

Damals war ich auf der Realschule. Freiherr-vom-Stein-Realschule in Düsseldorf. Färberstraße soundso war die Adresse, denke ich. Meine Schulzeit war nicht aufregend. Im Gegenteil. Ich war einer von den »Kleinen«, die oft genug einen auf die Mappe bekommen haben. Aber trotzdem gab es Freundschaften. Kameradschaft. Damals war das noch so. Ob das heute noch so ist, weiß ich nicht. Manchmal würde ich es eher bezweifeln.
Egal.

An irgendeinem Tag waren wir mit den Fahrrädern unterwegs. Ich weiß nicht mehr genau, wer alles dabei war. Nur an zwei Namen erinnere ich mich. Peter Schröder und Wolf-Dieter Coelius. Die Düssel in Düsseldorf-Bilk war an einer Seite mit einem Spazierweg eingefasst, daneben ein Gefälle mit Wiese, oben dann die Karolingerstraße in der einen Fahrtrichtung (die andere lag gegenüber, aber da war kein Spazierweg unten). An den Querstraßen führte der Spazierweg nach oben, es gab Büsche, Bäume, ausgetretene Pfade von Kindern, die dort oft spielten. Wir gurkten mit den Rädern an so einem Kopfende herum, immer zwischen den Büschen durch, die kleinen ausgetretenen Pfade entlang.

Und ratsch – Augenblicke später lief mir das Blut in Strömen über das Gesicht. Ich hatte die Berührung kaum mitbekommen, und auch Schmerz spürte ich nicht. Aber ich hatte mir an einem quer hängenden Ast den Kopf verletzt, aufgerissen. Und es blutete wie Sau.

Wolf-Dieter war der Mitschüler, der dabei war, der am nächsten wohnte. Wir fuhren auf dem Rad dort hin, er brachte mich nach oben, zu seiner Mutter, die zuerst dafür sorgte, dass mir das Blut nicht ständig über das Gesicht lief und ich nicht alles vollsaute.
Dann rief sie ein Taxi und ich erinnere mich, dass sie den Taxifahrer, der uns erst nicht befördern wollte, ziemlich rundmachte. Er nahm uns dann doch mit. Sie fuhr mit mir ins Krankenhaus, das Evangelische Krankenhaus in Bilk, wenn ich mich recht entsinne.

Und an viel mehr erinnere ich mich nicht. Außer, dass ich erst, als ich auf der Liege in den OP geschoben wurde, das Bewusstsein verlor – und erst auf dem Krankenzimmer wieder erwachte. Sieben Stiche haben sie gebraucht, und heute noch sieht man das Dreieck auf meinem Schädel, wo sie den aufgerissenen Hautlappen wieder angetackert haben, sprichwörtlich. Und ich erinnere mich an den alten Mann auf meinem Zimmer, der mich nicht mochte.

Was ich nicht vergessen werde, ist, dass es ausgerechnet der immer sehr coole Wolf-Dieter war, der mir in dieser Situation half. Gut, Peter hätte es auch getan, aber er wohnte sehr viel weiter weg. Aber aus der Rücksicht auf diese Zeit, die so lange zurückliegt, wundert es mich immer noch. Wolf-Dieter war cool. So cool, dass so ein kleines Lichtlein wie ich schon froh war, überhaupt wahrgenommen zu werden.

[Und wenn ich so darüber nachdenke: Er kann auch Wolf-Dietrich heißen, geheißen haben. Im Web findet man nur einen Eintrag in Langenfeld. – Und nach Peter Schröder muss man freilich gar nicht erst suchen.]