Angriffsflächen

Wenn man aktiv ist, wenn man mehr macht, als seinem Broterwerb nachzugehen, daheim den Garten zu pflegen, seine Frau zu ärgern und vor der Glotze zu hocken, dann bietet man zwangsläufig umso größere Angriffsflächen, umso vielfältiger und umfangreicher die eigenen Aktivitäten sind. Ich denke, ich biete eine hinreichend große Angriffsfläche mit den vielen Dingen, die ich unternehme: mein Verlag, meine Aktivitäten als Herausgeber und Chefredakteur einer Vereinszeitschrift, die Aktivitäten in diesem und für diesen Verein, meine Hobbys – wie Malta zum Beispiel –, da bieten sich viele Ansatzpunkte für Angriffe.

Manchmal jedoch ist man einfach nur überrascht, obwohl man sich im Laufe der Zeit ganz sicher an so einige Dinge gewöhnt hat.
Im Zusammenhang mit meinen publizistischen Aktivitäten gab es vor geraumer Zeit mal einen Kontakt, der eigentlich nur aus drei Emails bestand. Ich schrieb, um mich über etwas zu informieren, über das ich im Netz gelesen hatte, und um zu überprüfen, ob es da vielleicht Ansätze gab, um mich damit weiter und intensiver zu beschäftigen. Ich erhielt auch eine Antwort. Und antwortete auf diese. Danach wäre die Sache eigentlich erledigt gewesen, denn der Tenor der Antwort war geeignet, anzunehmen, dass da b. a. w. nicht viel mehr passieren würde, es also nicht nötig wäre, noch mit aller Macht Emails austauschen zu wollen. Deshalb war ich auch keinesfalls überrascht, als auf meine Antwort keine weitere Reaktion mehr kam. Es war zunächst mal alles gesagt.
Welch ein Irrtum, offensichtlich –

Heute morgen, 06.51 Uhr, erhielt ich eine Nachricht mit diesem Wortlaut:

Nur mal nebenbei bemerkt:

Was für ein dämlicher Volltrottel bist Du eigentlich?
Du schreibst mich an, machst mir Arbeit, indem Du mich zu einer ausführlichen Antwort veranlaßt, und dann läßt Du nie wieder von Dir hören. Was glaubst Du eigentlich, wer Du bist? Meinst Du, ich habe nichts Besseres zu tun? Riskier’s bloß nicht, mir bei einem Con über den Weg zu laufen, sonst setzt es einen Satz heiße Ohren. Blödes Arschloch.

Da liest man gerne zwei, drei Mal hin und überlegt, was man wohl verbrochen hat. Nun bin ich zwar weit in der zweiten Hälfte meines Lebens angelangt und habe so meine Bedürfnisse, wenn es um die Unterstützung meines Erinnerungsvermögens geht – Outlook-Kalender, Blackberry usw. usf. –, aber ich bin nicht verkalkt. Zumal der Betreff der Email sehr eindeutig war und hilfreich, mich sofort zu erinnern.
Was auch immer mir der Absender der Mail mit seinen Worten unterstellen wollte – es ist eine meiner unangenehmeren Eigenschaften, dass ich gerne das letzte Wort habe – oder jedenfalls eines der letzten –, und so wusste ich, dass die in der Mail enthaltene Unterstellung einfach nicht korrekt sein konnte. Und auch nicht ist. Und wie um dies zu beweisen, antwortete ich schon um 07.14 Uhr:

Ähm,

ja? Guten Morgen? Gut geschlafen? Na, offensichtlich nicht …

>Nur mal nebenbei bemerkt:
>
>Was für ein dämlicher Volltrottel bist Du eigentlich?
>Du schreibst mich an, machst mir Arbeit, indem Du mich zu einer
>ausführlichen Antwort veranlaßt, und dann läßt Du nie wieder von Dir
>hören. Was glaubst Du eigentlich, wer Du bist? Meinst Du, ich habe
>nichts Besseres zu tun? Riskier’s bloß nicht, mir bei einem Con über
>den Weg zu laufen, sonst setzt es einen Satz heiße Ohren. Blödes
>Arschloch.

Der Tenor deiner Mail war damals – entschuldige bitte, daß ich sie auf die Schnelle nicht aus dem Archiv wühle -, daß das Projekt umfangreich und langwieriger wäre, daß es da noch einige Dinge zu klären gäbe – ich erinnere nicht, ob bei dir oder an anderer Stelle -, und daß auch noch nicht wirklich klar sei, wie es weiterginge.
Ich habe damals sinngemäß meinem Verständnis Ausdruck verliehen und vermerkt, daß ich mich freuen würde, Weiteres dazu zu erfahren, wenn es Weiteres dazu zu erfahren gäbe.

Darauf habe ich keine Antwort erhalten, bislang. Was mich nicht wunderte und auch nicht wundert, denn irgendjemand muß ja einen möglicherweise gar nicht mehr inhaltserfüllten Mailwechsel (ggf. auch nur vorläufig) beenden, weil man sonst nur inhaltsleere Mails hin und her schickt. Insofern –

Aber gut. Es ist okay, wenn du mich für ein Arschloch hältst. Damit hast du immerhin noch eine bessere Meinung von mir als ich, der ich – seit inzwischen 51 Jahren – _WEISS_, daß ich eines bin.

Willkommen im Club.

Gruß
My.

P.S.: Und wenn dir schon Emails Arbeit machen … Mal dran gedacht, einer Sekretärin mit einem 400-Euro-Job eine Freude zu machen?

Man ist und bleibt ja sehr lange in seinem Leben Optimist, wenn man einmal mit diesem Unsinn begonnen hat, und so konnte auch ich mich von der Überlegung nicht befreien, dass hierauf sich vielleicht herausstellen würde, dass der Autor der Mail meine Antwort einfach nicht erhalten hätte.
Aber gerade als Optimist bietet man eben auch große Angriffsflächen, in diesem Falle weniger für Angriffe, als für Enttäuschungen.
Die Antwort von 08.56 Uhr lautete:

Ich geb Dir einen guten Rat:

Spar Dir jeden weiteren Kommentar, Du dämlicher Hirnkrüppel und wage Dich niemals in meine Nähe, wenn Dir Deine Gesundheit lieb ist. Solche Leute wie Dich habe ich gefressen. Anderen Arbeit machen für nichts und wieder nichts.

Nun gut. Feige bin ich nicht. Ich habe mit dem Mann im Grunde nichts zu tun. Bisher. Und wohl auch in Zukunft nicht. Und selbst wenn ich dem Mann auf einem Con [für die Nicht-SF-Fans: das ist eine Convention, eine Veranstaltung, wo man sich trifft, Programm goutiert usw. usf.] begegne, gehe ich davon aus, dass er letztlich doch an sich halten wird. Und wenn doch nicht … mein Gott, die Letzte, die ich aufs Maul bekommen habe, ist viele Jahre her, vielleicht stellt sich ja heraus, dass mir da einfach was fehlt.
Andererseits bin ich so einfach ja nun doch nicht zu haben. Bevor ich mich entschloss, diesen Text hier zu verfassen, habe ich meine Möglichkeiten genutzt und einiges überprüft. Und es sieht nicht danach aus, als ob der Autor der Emails, der als Absender derselben angegeben war, gefälscht gewesen wäre. Die Emailadresse war im Internet im Zusammenhang mit seinem Namen aufzufinden, die Header der Email:

Return-Path: <xxx@xxxx.de>
Delivery-Date: Fri, 16 Apr 2010 08:55:47 +0200
Received-SPF: fail (mxeu2: domain of iacd.de does not designate 217.113.33.218 as permitted sender)
client-ip=217.113.33.218; envelope-from=xxx@xxxx.de; helo=mailout.iacd.net;
Received: from mailout.iacd.net (mailout.iacd.net [217.113.33.218])
by mx.kundenserver.de (node=mxeu2) with ESMTP (Nemesis)
id 0LxQ0E-1NNfeS40PC-016ogT for michael[@]haitel.de; Fri, 16 Apr 2010 08:55:47 +0200
Received: from mail.iacd.net (mail.iacd.net [217.113.41.129])
by mailout.iacd.net (Postfix) with ESMTP id 9EDC2E68AA
for <michael[@]haitel.de>; Fri, 16 Apr 2010 08:56:56 +0200 (CEST)
Received: from linux-unqe.localnet ([85.181.164.150])
by mail.iacd.net (IceWarp 9.4.2) with ASMTP (SSL) id YKT98045
for <michael[@]haitel.de>; Fri, 16 Apr 2010 08:55:45 +0200
From: [Name ist bekannt] <xxx@xxxx.de>
To: „Michael Haitel“ <michael[@]haitel.de>
Date: Fri, 16 Apr 2010 08:46:55 +0200
User-Agent: KMail/1.12.2 (Linux/2.6.31.5-0.1-default; KDE/4.3.1; i686; ; )
MIME-Version: 1.0
Content-Type: text/plain;  charset=“iso-8859-1″
Content-Transfer-Encoding: quoted-printable
Message-Id: <201004160846.55961.xxx@xxxx.de>
X-UI-Junk: AutoMaybeJunk +26 (SPA);
V01:CO4XLutq:tDUegHMWe1lmAyBRvjzOsUInRE6yTmwMs8JMWQYvUwGDQsw3LKR
UzMD47nQDLOeaWmLuZ4fATterOgdZQX1lHZ8f2/xddqTlAJHuly1q+ckdp2cERoL
p+tyGyhebAbzd4gM0gkWjZW6XWq+aCZkn4JJkrSqkfJQR4XTsAZFVbdA=
Envelope-To: michael[@]haitel.de

(abgebildet ist der der zweiten, verändert wurden von mir die Emailadresse und der Name des Absenders, »entschärft« wurde meine Emailadresse durch ein [@] statt einem einfachen @, gelöscht wurden die Angaben meines Antivirenprogramms) sehen koscher aus – und es bleibt vor allem der Betreff, den ansonsten wohl nur jemand hätte herausfinden und verwenden können, der das Notebook des Autors geklaut oder seine Mailbox geknackt hat. Unwahrscheinlich, würde ich sagen.

Nun. Jeder Mensch hat seine Schwächephasen. Jeder Mensch hat seine Schwächen. Jeder Mensch hat etwas, was man als negativ bezeichnen kann. Jeder Mensch ist nicht nur gut, sondern auch böse, nicht nur weiß, sondern auch schwarz. Das ist in meinem Falle auch nicht anders.

Pikant an dieser Geschichte ist, dass der Autor der beiden oben zitierten Emails Mitherausgeber eines derzeit sehr bekannten und auf dem deutschen Markt sehr angesehenen Science-Fiction-Magazins ist.

2 Replies to “Angriffsflächen”

  1. Ja, das Fandom ist keine aggressionsfreie Zone! ;-)
    Aber solch eine Nachricht ist schon heftig!

    Gruß
    Ralf,
    erinnert daran, dass bellende Hunde meist zu viel Schall in der Schnauze haben, um noch kraftvoll zubeißen zu können

  2. Lustig, diese Geschichte. Vor allem bin ich, bis ich zum ersten Mal auf das Wort ‚Mann‘ stieß, davon ausgegangen, es könne sich nur um eine Schreiberin handeln.
    Beschimpfungen aus dem Mund gewisser Leute fasse ich grundsätzlich als Kompliment auf.