Küsschen lesen und hören

Wie genau die Idee zustande kam, weiß ich nicht mehr. Simone Edelberg, Kopf der Crew der »Wortküsse« genannten Veranstaltungen im »Literaturkeller« des Stemmerhofs in München (Jägerwirtstr. 4, das ist erwähnenswert, weil man wissen sollte, dass der »Literaturkeller« quasi auf der Rückseite des Stemmerhofs liegt, nicht ganz einfach zu finden, wenn man nicht sucht …), war Autorin in den beiden STORY-CENTER-2009-Ziegelsteinen »Das Wort« und »Boa Esperança«, und ihre Idee war es wohl, daraus einen SF-Abend in der Reihe »Wortküsse« zu machen.

Gesagt, getan, oder so. Naja, ganz so einfach war es wohl nicht. Im Gegenteil. Sie hat nach eigenen Aussagen – und es gibt keinen Grund, zu zweifeln – einen Haufen Werbung gemacht, allein, der Erfolg der vorherigen Veranstaltungen zu anderen Themen wollte sich mit nur 10 bis 11 Besuchern – neben der Crew – nicht wirklich einstellen. Was möglicherweise in der Tat daran liegt, dass München zwar in mancher Hinsicht zu anderen Zeiten schon ein Zentrum der – wenn auch zweifelhaften – Moderne war, aber mit Modernität wenig am Hut hat. Anders ausgedrückt: Simone war (und ist natürlich noch) der Ansicht, dass München, was SF angeht, ein schwarzes Loch ist, in dem sich nichts abspielt – außer nichts eben. Und das, obwohl – wie ich feststellte – hier in München mal die großen Verlage der SF saßen (und noch sitzen): Heyne, Goldmann, Knaur … Aber das ist lange her, wie es scheint, und so wie die alten Münchner Männer der SF – Jeschke, Jeschke, Jeschke! – zwar nicht biologisch, aber doch literarisch tot sind, so ist es wohl auch endgültig die Münchner SF-Szene. (De facto kenne ich eine Reihe Münchner SF-Namen und weiß eben: das sind alles alte Männer. Immerhin: Ralf Bodemann, Ex-SFCD-Mitglied und kulturbeflissener Einschlägiger, war mit seiner holden Gattin – was sie mir wieder übel nehmen wird :) – zugegen … Simone stellte später übrigens fest, daß es auch an der Konkurrenz gelegen haben könnte: mehrere andere Literaturveranstaltungen und das Münchner Krimifest …)


Simone Edelberg & Michael Haitel; im Hintergrund: Helmfried Protsch,
Barbara Wagner, Karin Jakob

Das Thema des Abends am 27.03.2010 war »Science Fiction«. Neben der Literatur – auf die ich noch komme – gab es Musik von Wolfgang Hilmer (Eingeweihten unter dem Namen »Coup de Foudre« bekannt; ich überlege immer noch, wo ich den Mann schon gesehen habe; ich hätte ihn fragen können, aber ich bin ziemlich sicher, wir wären gemeinsam nicht drauf gekommen …) auf der Gitarre und von Barbara Wagner auf verschiedenen Querflöten. Beides war nicht wirklich mein Fall, aber als Trance- und House-Fan bin ich in der Beziehung sowieso ein Banause, also: Ei drüber. Gut gemacht haben sie’s trotzdem – nur ein paar Bemerkungen zu der gespielten Musik wären interessant gewesen, um den Bezug zur SF nachvollziehen zu können.


Wolfgang Hilmer, Coup de Foudre

Des Weiteren gab es ein Gemälde von Markus Zechmann zu bestaunen, eine wirklich hübsche, sehr ansprechende Arbeit, eine digital produzierte Collage unter anderem unter Verwendung eines Bildes von Simone Edelberg, und ich – als alter Herausgeber einschlägiger Blätter im Print- und eFormat – wünsche mir da mehr.


Das Grafikwerk von Markus Zechmann

Auf literarischer Seite gab es zwei Werke von Helmfried Protsch zu hören, das eine – »Geburt eines Planeten« – recht philosophisch, das andere – etwas mit »Papierkrieg«, den genauen Titel erinnere ich nicht – bös-satirisch (und gerechtfertigt böse, jaja!). Amüsant, weil vor allem humoristisch angelegt war auch Martin Skerhuts Beitrag über unerwartet physikalische Phänomene (nein, in den letzten drei Worten gibt es keinen Fipptehler) im Zusammenhang mit einem telepathischen Chor; mutig und genial waren Martins Sangeseinlagen, so sehr, dass man Absicht vermuten durfte.
Simone selbst las mit Unterstützung – Karin Jakob, glaube ich – zwei ihrer Geschichten aus STORY CENTER 2009.


Haitel und der Hund; Tzina war eine besondere Attraktion auf der Veranstaltung.

Dank Simone stand STORY CENTER 2009 und meine Wenigkeit im eigentlichen Mittelpunkt der Veranstaltung, der zur Freude meines Lampenfiebers nicht allzu sehr herausgehoben wurde. Anfangs hatte ich Gelegenheit, etwas zum SFCD und zu STORY CENTER zu sagen, ging aber nicht zu sehr in die Tiefe, weil die Feinheiten … Nun, Ralf kannte sie wohl, den Rest dürften sie nicht wirklich interessiert haben.
Gelesen habe ich zunächst »Das Wort ist schärfer« von Arno Endler, die Titelstory zu »Das Wort« (AndroSF 4) und da es sich hier um der kürzesten Storys eine nicht handelte, kam ich bis zur Hälfte, als die zwanzig veranschlagten Minuten herum waren. Ralf Bodemann fand, dass der Break an einer dramaturgisch günstigen Stelle stattfand, was ich weder am Samstagabend noch heute wirklich nachvollziehen kann, weil es sich mir einfach verschließt, eine Story an einem wie auch immer gearteten Punkt abzubrechen. Aber gut … Auch laut Simone zeigt die Erfahrung, dass das Publikum in seiner Aufmerksamkeit nach zwanzig Minuten erlahmt – und ich war es dankbar, weil ich viel mehr hätte trinken, denn reden wollen, so trocken war meine Kehle von der ungewohnten Anstrengung. (Ich habe an dem Abend mehr akustische Laute von mir gegeben als sonst in einer Woche.)
Wie Arnos Story wirklich angekommen ist, konnte ich nicht feststellen. Das böse Los des Lesenden ist der gebannte Blick aufs Manuskript, und dann war da noch der Hund …


Haitel, Edelberg, STORY CENTER 2009

Aus dem zweiten STORY CENTER-Band (»Boa Esperança«, AndroSF 5) gab es dann nach und nach noch drei kürzere Storys, von denen zwei eindeutig humoristischeren Zielen folgen wollten. Zunächst gab es Ian Ulsters »Willkommen«, eine Kurzgeschichte über die Verhängnisse, die sich einem Außerirdischen bieten können, wenn er selbst nicht den ganzen Durchblick hat und sich zu sehr darauf konzentriert, die Menschen nett und niedlich zu finden. Rainer Innreiters »Nächster Schritt« war eine eher nachdenkliche Story mit einer bösen, aber höchst wichtigen Endformulierung im allerletzten Satz, bei der ich mir nicht sicher bin, ob alle sie mitbekommen haben. Und den Abschluss bildete Chris Linds »Der iridianische Kreidekreis«, der sowohl Simone – als Hundebesitzerin – als auch mir – als Hundefan – eigentlich gegen den Strich hätte gehen sollen.


Haitel bei der Lesung; Edelberg & Jakob bei der harmloseren Geschichte :)

Auch ich hätte mir und vor allem Simone eine größere Ansprache bei dieser Veranstaltung gewünscht. Aber, mein Gott, es hat nicht sollen sein. (Dass das Münchner Volk ein wenig störrisch und langsam ist, ist jedenfalls hierzulande in Oberbayern bestens bekannt. Immerhin besteht die Münchner Bevölkerung ja nur noch aus »Zuagroastn«; was will man da erwarten.)
Ein netter, schöner Abend war es trotzdem. Mein über die Tage zuvor sorgsam gepflegtes und gehegtes Lampenfieber verpuffte erwartungsgemäß, als es losging. Die Leserei, das viele Sprechen am Stück, war schon anstrengend, aber das Fehlen eines Weißbiers war dann so übel doch nicht, wie ich hinterher feststellte; Mineralwasser machte es besser. Zum Abschluss gab es noch ein Gespräch mit Torsten Low, den ich bislang nur von Emails und Kontakten in Bezug auf Anzeigenschaltungen in den ANDROMEDA NACHRICHTEN – und vom Sehen auf dem BuchmesseCon – kannte; da gibt es noch Vertiefungspotenzial, denke ich.


Simone Edelberg & Karin Jakob bei der Lesung der erotischen Story »Ice, Ice, Baby!«

Und den Abend rundete noch ein Meeting mit den Bodemännern oben im Restaurant ab – nachher fiel mir ein, dass das einer der wenigen unbestrittenen Vorteile von München ist; solche Lokale haben in Murnau bei Weitem nicht so lange geöffnet … Und um ein Uhr dreißig (Winterzeit) war ich dann auch daheim …


Der Herausgeber beim Nachlesungsbodemännertermin

Trotz der geringen Resonanz des Abends werde ich mit Simone noch einen Wortkuss machen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Ein Thema haben wir schon, den Termin suchen wir noch. Man wird sehen.

(Die Fotos in diesem Artikel stammen allesamt von Ralf Bodemann. Vielen Dank, Mann. Zwei weitere Links gäbe es noch:

Tina Low in einer Nachlese;
die Veranstalterin Simone E. aus M. auf ihrem eigenen Blog).

4 Replies to “Küsschen lesen und hören”

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