Schändliche Beschädigung

Matthias Falke
DAS DYSON-SEGEL
Eine Erzählung aus dem ENTHYMESIS-Universum. SF-Erzählung. Illustrationen: Michael Mittelbach. Books on Demand, Norderstedt, 2009, Taschenbuch, 81 Seiten, ISBN 978 3 8391 2401 7

Dass ich den Falke kenne, weil wir was miteinander machen, erwähnte ich schon. Möglicherweise kann sich das nach dieser Rezension noch verstärken, denn da gäbe es das eine oder andere Hühnchen, das man zum gegenseitigen Vorteil produktiver und effizienter rupfen könnte. Aber dazu nachher mehr.
Das Buch »Das Dyson-Segel« schickte er mir zu, damit ich mir das Papier anschaute, als wir zu klären versuchten, auf welchem Papier wir das Buch »SAJAMA« machen lassen wollten. Gleich vorweg: Das »Dyson-Segel« ist auf weißem Papier gedruckt, wodurch die farbigen Illustrationen von Michael Mittelbach gut zur Geltung kommen.

Dessen Werke passen stimmungsmäßig gut zur Geschichte, sind aber insgesamt ein wenig eintönig – nicht einmal so sehr im Sinne von »langweilig«, als vielmehr von der Farbgebung her, die insgesamt relativ kontrastarm wirkt und deshalb auch das weiße Papier gebraucht haben dürfte, damit die Bilder überhaupt einigermaßen zur Geltung kommen. Schade auch, dass BoD bei den Bildern auf den Seiten 24 und 25 wieder einmal drucktechnisch geschludert hat; nun, die drucken vermutlich nicht selbst, sondern nutzen Dienstleister, die bei ihren Preisen so gedrückt werden, dass der Druck insgesamt zu schwach ist – nicht nur bei diesem Buch, auch bei solchen aus meinem eigenen Verlag ist mir das aufgefallen –, was man vor allem am Text sieht, und dass aus den Tonerpatronen der Digitaldruckmaschinen das Letzte herausgeholt wird, so dass auch solche Streifigkeiten wie im vorgenannten Falle einfach mal so durch die – möglicherweise auch gar nicht vorhandene – Qualitätskontrolle gekickt werden.
Aber gut –

Worum geht es überhaupt? Der Klappentext sagt:
»Als die junge Wissenschaftsjournalistin Triinu Ouahir auf der zentralgalaktischen Forschungsstation THE BULGE eintrifft, steht sie vor einem Schwarzen Loch offener Fragen. Wer ist der attraktive Reporter Lonard Qose, der ihr am ersten Abend vorgestellt wird? Was hat es mit der gewaltigen Konstruktion dem Dyson-Segel auf sich, an der die geheimnisvollen Borq angeblich schon seit Jahrmillionen arbeiten? Und wie real sind die Drohungen, die vor unmittelbar bevorstehenden terroristischen Anschlägen warnen? Ein rasantes Abenteuer nimmt seinen Lauf, hart am Ereignishorizont der galaktischen Singularität, wo Raum, Zeit und Kausalität ihre Verbindlichkeit verlieren. Eine abgeschlossene SF-Erzählung aus Matthias Falkes sensationellem ENTHYMESIS-Universum.«
Na, toll. Wie so viele Klappentexte kann man auch diesen nehmen und wenigstens zur Hälfte in der Pfeife rauchen. Die Ouahir weiß ganz genau, wer Qose ist, und von Drohungen und Warnungen vor terroristischen Anschlägen – ich kann diese Wortkombination irgendwann nicht mehr lesen, glaube ich – kann keine Rede sein, eigentlich nur von Ahnungen und Schlussfolgerungen des Lonard Qose.
Literarisch ist die Geschichte gut, kein Zweifel. Dass Falke schreiben kann, wissen wir (und wenn nicht, werden wir es ganz sicher noch erfahren). Ich kenne das Enthymesis-Universum mangels vorheriger Lektüre nicht, aber das ist in diesem Falle auch nicht wirklich nötig; die Story funktioniert wunderbar alleine, die Informationen, die man zum Verständnis benötigt, sind knapp und alle vorhanden. Was mir persönlich negativ auffällt, sind einerseits Passagen vor allem am Anfang der Geschichte, an dem sie wirklich nur schleppend in Gang kommt, die vor Fremdwörtern strotzen, deren Sinn hinsichtlich ihrer Existenz und Platzierung an dieser jeweiligen Stelle oftmals völlig schleierhaft bleibt. Falke versucht auch immer wieder – den Grund konnte ich nicht nachvollziehen – die gleiche Szenerie aufeinanderfolgend in unterschiedlichen Bildern zu beschreiben, als würde ein Bild nicht ausreichen, darzustellen, was man sich vorzustellen hat. In diesem speziellen Falle dieser speziellen Geschichte hätte ich ganz ordentlich den Lektoratsrotstift angesetzt.
Ich kann noch nicht beurteilen, ob das grundsätzlich bei Falkes Werken so ist – doch, eigentlich kann ich sagen, dass es nicht so ist, schon … –, aber jedenfalls in dieser Erzählung zeigt sich eine ganz eindeutige Schwäche in seinem Stil, wenn er kosmologische und astrophysikalische Sachverhalte, wenn er eine typische, interstellare Szenerie beschreibt. Seine Handlungsstränge, in denen sich Figuren in Umgebungen bewegen, sind einwandfrei; seine Personencharakterisierungen sind angemessen, eigentlich sogar gut, manchmal wirken sie vermeintlich steif und simplifiziert, aber im Endeffekt zeigt sich, dass er mit der Dosis der Figurencharakterisierung gut umzugehen weiß. Wenn er allerdings beginnt, über physikalische Zusammenhänge in der Umgebung eines Schwarzen Lochs zu schreiben, denn habe ich mich zumindest schon gefragt … »Hey, Alter, muss das jetzt sein?« Es als »naseweise Klugscheißerei« am falschen Ort und zur falschen Zeit zu bezeichnen, würde dem eine schlimmere Wirkung zuschreiben, als es tatsächlich hat. Aber störend wirkt es dann doch.

Literarisch, wie gesagt, ist die Geschichte gut. Sie funktioniert. Wenn man die Länge am Beginn überwunden hat, läuft sie gut und spannend. Sie hat den Moment des Unvorhergesehenen, ohne dass dieser zu einem platten Gag verkommt, nein, das Ding funktioniert wirklich.
Technisch muss man Falke sinnvollerweise einen körperlichen Verweis in Form einer Beule androhen. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob über diese Geschichte ein Lektor seinen Blick warf – geschweige denn, ob einer daran arbeitete. Ich glaube, mich dumpf zu erinnern, dass seine Frau solches tun würde, und wenn dem so ist, kann ich der Holden nur raten, dringend ein paar gut geschliffene Messer auszupacken und aufzuhören, jedes geschriebene Wort des Autors anzubeten, als wäre es das letzte Mal gesprochen oder geschrieben worden. Abgesehen von den schon erwähnten Problemstellungen im literarischen Bereich kann es einem Manuskript einfach nicht schaden, wenn man Fehler korrigiert. Es kann nicht schaden, dass man, wenn man schon mit Word arbeitet, eine Duden-Software, die inzwischen anerkanntermaßen einwandfrei, fehlerfrei, sensationell und superhilfreich ist, benutzt. Es kann nicht schaden, dass man sich über zweifelhafte Wortneuschöpfungen zwei Mal Gedanken macht, bevor man sie zu Weisheiten erhebt oder erheben lässt: »denkunmöglich« ist kein Wort, das ist eine Vergewaltigung deutschen Sprachgutes, sorry. Und man sollte sich auch – gerne mit Lektorenhilfe – bei Fachbegriffen über die Schreibweise klar zu werden suchen. Die Borq in seinen Enthymesis-Werken sind eine Schwarmintelligenz, schön; aber ein Cyborg schreibt sich Cyborg – mit g – und nicht Cyborq, denn Cyborg steht für »cybernetic organism« und nicht für irgendwas, das mit einer Schwarmintelligenz in Zusammenhang zu setzen wäre.
Ansonsten zeigt das Buch als solches von der technischen Seite Vorurteile bestätigt, die mit BoD-Produktionen – also vom Prinzip BoD her, nicht nur von der gleichnamigen Firma in Norderstedt – gerne in Zusammenhang gebracht werden. Neben dem fehlenden finalen Korrektorat – oder wenigstens einem erkennbaren Versuch dazu – fehlt auch der Umgang mit den Möglichkeiten der Textverarbeitung Word, mit der das Buch erkennbar produziert wurde: Nicht nur, dass die seelen-, charakter- und wirkungslose Standardschrift Times New Roman verwendet wurde, auch die automatische Silbentrennung ist wohl unbekannt – geschweige denn die Möglichkeit, Trennungen auch von Hand zu setzen –, auch die Tatsache, dass man die Absatzkontrolle bei einem Buchlayout abschalten sollte, wurde nicht berücksichtigt. Und so weiter –

Der Eindruck, der jetzt entstanden ist, ist falsch. Die Geschichte als solche gehört möglicherweise nicht zu Falkes besten Werken, aber sie ist nicht wirklich schlecht. Was hier dem Leser der Rezension vorzuliegen scheint, ist eine Überlagerung einer an sich recht lesbaren Geschichte mit lauter Ärgerlichkeiten, und genau das ist der Fall. Für mich ist die lieblos-schlampige Produktion dieses Werkes so ärgerlich, dass ich Mühe habe, den eigentlichen Eindruck der Geschichte auf mich herauszuarbeiten, mich überhaupt daran zu erinnern. Und das ist das Problem, das ein Autor in der Selbstverlegerrolle eines Matthias Falke überlegen und unbedingt berücksichtigen sollte: Dein literarisches Werk kann so genial sein, wie du willst und kannst und wie es noch niemand gesehen hat; wenn die Präsentation schlecht ist, wird es niemand wirklich wahrnehmen.
(Und das ist – nebenbei und im Vorgriff – ein Eindruck, der sich bei »Harey«, der Kurzgeschichtensammlung Falkes, die ich gerade lese, noch verstärken wird; denn hier trifft die Lieblosigkeit der Buchproduktion durch den Autor auf geniale Geschichten, da reißt die papierne Diskrepanz, zwischen dem, was man liest und dem, wie man liest, lauter auf, als man es sich vorzustellen wagt. Doch dazu später.)

Zwei Dinge wären noch zu erwähnen, für die der Autor nur mittelbar etwas kann:
Die matten Umschläge von BoD, Norderstedt, sind nicht wirklich empfehlenswert. Ich habe bei meinen eigenen Produktionen schon die Erfahrung gemacht, dass sie deutlich stärker und dauerhafter dazu neigen, Fingerabdrücke aufzunehmen und wiederzugeben, von leichten Kratzern und ähnlichen unansehnlichen Spuren ganz zu schweigen.
Und das Ttelbildlayout lässt jede Unverwechselbarkeit missen. Was daran liegt, dass der Autor die Möglichkeiten von BoD nutzte, ein Titelbildlayout automatisch zu generieren. Das von ihm gerne – auch bei anderen Büchern, wie z. B. »Harey« genutzte Layout – ist gefällig, angenehm, es gefällt mir auch, hat mich immer wieder gereizt, und es spielt auch keine Rolle, dass es eigentlich dem Genre Krimi zugedacht sein soll, glaubt man BoD. Aber das Problem ist, dass es theoretisch jedem Autoren zur Verfügung steht, und dass sein Reiz allgemein so groß ist, dass es diesen eigentlich auch schon wieder verloren hat. Man erkennt bei diesem Layout BoD nicht nur an der ISBN, sondern auch an dieser Optik. Schade.
Aber für diese beiden Dinge kann der Autor, wie gesagt, nicht wirklich etwas.

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