Bubu, der Morbs des Schnick

Peter Freund
AYANI. DIE TOCHTER DES FALKEN
cbj Verlag, München, (Oktober) 2009, 543 (560) Seiten, ISBN 978 3 570 13724 6

Ich beschäftige mich aus verschiedenen Gründen häufig mit den Rezensionen von Erik Schreiber (Der phantastische Bücherbrief) und ab und zu ist er mir mit seiner ständig wiederkehrenden Kritik an bestimmten Aspekten von Veröffentlichungen v. a. im Fantasy-Bereich, in dem Trilogien und Serien üblicher sind als im SF-Bereich, ein wenig auf den Geist gegangen. Umso erschreckender ist es, wenn ich aus eigener Erfahrung feststellen muss, dass ein nicht unerheblicher Teil seiner Mantras offensichtlich seine volle Berechtigung genießt.

»Ayani. Die Tochter des Falken« (oder »Ayani, die Tochter des Falken«?) lag mir als mein »persönliches Leseexemplar« in einer »unkorrigierten Fassung« vor, d. h., ein weißer Umschlag mit blauem Aufdruck, incl. aller Tipp- und Satzfehler und mit nicht ganz dem endgültigen Inhalt (wie die o. g. unterschiedlichen Seitenzahlen [die Zahl in Klammern ist das Endprodukt] zu zeigen scheinen). Peter Freund, der Autor, hatte im Vorfeld der Veröffentlichung gemeinsam mit dem cbj Verlag ziemlichen Marketingaufwand betrieben, mit einem – anfangs schön offen genutzten – Mailverteiler, mit Belohnungen für die besonders fleißigen Rezensenten und Werbetreibenden usw. usf. Dazu gehörte auch dieses »persönliche Leseexemplar«, was ich okay fand; ich hätte mir das Buch von Haus aus nicht selbst zugelegt, weil Fantasy nicht so meine Sache ist. Und da ich auch ein viel zu langsamer Leser bin, kam ich auch nicht andeutungsweise in die Nähe einer Belohnungsgenussmöglichkeit.
Egal.
Fazit vorneweg? Das Buch hat mich genervt. Was Erik Schreiber immer wieder kritisiert, ist, dass solchen Trilogieanteilsschinken jeglicher Hinweis auf die vorherigen Bände fehlt, von einer Zusammenfassung à la »Was bisher geschah …« ganz zu schweigen. Wenn schon der Autor zur faul dazu ist, wird das doch wohl irgendein Praktikant im Verlag bewerkstelligen können, will ich meinen. Jedenfalls dauerte es zwar nicht lange, bis mir klar wurde, dass ich nicht die Spur einer Ahnung hatte, worum es hier ging, aber ich musste mich dann selbst aufmachen, um herauszufinden, dass der Vorläuferband dieses »Werkes« der Titel »Mysteria. Das Tor des Feuers« (oder »Mysteria, das Tor des Feuers«?) war und ist.
Was genau in diesem Vorläufer stattgefunden hat, ist insgesamt in »Ayani« im Dunklen geblieben. Niko, der »Held« der Geschichte, ist irgendwie nach Mysteria, dieser »Welt hinter den Nebeln«, geraten, verfolgt von der ebenfalls aus der Realwelt stammenden und unter Diabetes leidenden Jessie. Das Buch beginnt mit einer Szene, in der Jessie Probleme mit den Atemschlürfern hat, und von Niko und Ayani gerettet wird, die – anfangs ist das herrlich unklar (naja, »hinter den Nebeln« eben) – irgendwas mit Niko zu tun hat. Die Abenteuer, die sich dem anschließen, sind fantasylike, ohne Zweifel, das übliche Hin und Her, mal obsiegen die Guten, mal die Bösen, und alles orientiert sich zum Buchende hin, an dem der Held irgendetwas Großes und die Welt Rettendes bewerkstelligen wird. Feine Sache. Das Buch funktioniert genau nach dem Prinzip, nicht ohne auf der ganzen Strecke klar sein zu lassen, dass es mindestens noch einen dritten Band geben wird.
Die genaue Handlung mag derjenige, der sich für das Buch näher interessiert, irgendwo im Internet einpfeifen. Vielleicht auf der cbj-Verlagsinternetseite. Da kann man nämlich auch ins Buch reinlesen.
Abgesehen von dem schon genannten Kritikpunkt des fehlenden Einstiegs fand ich das Buch auch vom literarischen Standpunkt aus nervig. Mir ist klar, dass es sich um ein Jugendbuch handelt; wem das nach den ersten zehn Seiten nicht klar ist, hat vermutlich ganz andere Probleme (Leseschwäche, Analphabetismus o. ä.). Dass es aber heute wirklich notwendig ist, Jugendlichen – die genaue Zielgruppe habe ich nicht recherchiert – eine solche Handlung auch in einer »zeitgemäßen« Sprache zu präsentieren, entzieht sich irgendwie meinem Verständnis. Es kann nicht wirklich angehen, dass der junge Mensch von heute wirklich nicht mehr in der Lage ist, ein einigermaßen »gescheites« Deutsch zu lesen und zu verstehen.
Aber das sei einfach mal dahingestellt. Noch nerviger sind die auf »jung« getrimmten Dinge im Verhältnis zwischen Niko und Jessie, Niko und Ayani, Ayani und Jessie, zwischen den dreien und allen anderen. Da werden zum Beispiel zwischen Niko und Jessie Gefühle, nein, Gefühlchen immer wieder angedeutet, und die bleiben leere, dahingeblahblahte Hülle, grauenhaft. Das findet heutzutage nicht wirklich so statt, oder? Selbst ich, der ich in meiner Jugend absoluter Spätzünder war, habe sowas damals anders erlebt.
Ich empfand auch die ständige Wechselei zwischen den Schilderungen aus der Realwelt und aus Mysteria nicht wirklich gelungen. Zum einen, weil dies ein uralter Gähntrick ist (den v. a. C. S. Lewis z. B. in seinen Narnia-Dingern bei weitem schöner umgesetzt hat). Zum anderen, weil die Realweltschilderungen wenigstens noch einen winzigen Spannungskick drin hatten – wenn auch mit einem häufig sehr naheliegend erscheinenden Ablauf verbunden –, während die Mysteria-Abläufe einfach nur 0815-Standardfantasygebrubbel sind.
Und dennoch: Auch realweltlich war einiges im Argen. Thomas, dieser Autor, erschien mir streckenweise einfach nur noch als völlig vernagelt. Dass der bei den ganzen Ereignissen, bei den ganzen ihm vermittelten Erkenntnissen seiner Frau und Nikos Mutter an überhaupt keiner verdammten Stelle gerafft hat, dass allein er der Vollidiot ist, der die Geschichte Mysterias schreibt – das kann doch wohl nicht wahr sein? Der hätte Niko, nach dem in dem ganzen Buch keiner wirklich sucht, einfach heimschreiben können. Der hätte auch Jessie mit ihrem Diabetesproblem – das Insulin reicht halt nicht ewig – heimschreiben können; aber nach der sucht ja auch niemand wirklich (es liest sich stellenweise so, als wäre die Erkenntnis »Jessie ist weg« Grund und Erklärung dafür, dass man nicht nach ihr suchen müsse).
Und letzten Endes hätte ich dann für Erik Schreibers Sammlung auch noch ein Mantra zu bieten. Warum müssen alle Fantasyromane diese dämlichen Titelkonstruktionen vorne drauf haben? Dieses »Mysteria, das Tor des Feuers«, dieses »Ayani, die Tochter des Falken«, dieses »Bubu, der Morbs des Schnick«? Warum nicht einfach »Mysteria«, »Ayani«, »Bubu«? Zumal die Behauptung, Ayani sei »die Tochter des Falken«, im Roman überhaupt keine Bedeutung hat; sie könnte gleichermaßen auch »der Verschluss des Sandsacks« sein.

Genug. Wer auf solche Literatur steht: kaufen, lesen, mögen. Und schon mal im Internet nach Möglichkeiten suchen, sich danach irgendwann therapieren zu lassen. Für mich war dieses Buch ein Meilenstein bei der Entscheidung, zukünftig die Finger von solcher Art Fantasy zu lassen – und noch mehr, wenn sie als Buch für jugendliche Leserkreise daherkommt. Lieber werde ich mal schauen, ob ich nicht irgendwo einen alten Tanith-Lee-Schinken herbekomme.

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