Das Notebook nach der Tötung

Murphy ist offensichtlich nicht allein; die Mitglieder seines Ordens wider das Glück sind überall. Und so begab es sich, daß sie … ja, sie … die Eine … wieder ihrer größten Leidenschaft frönte: der Vereinsamung brennender Kerzen Vorschub zu leisten. Wie das geht? Kerze hinstellen, möglichst groß, auf einem möglichst kleinen Unterteller, anzünden und weggehen. Und nach Möglichkeit auch nicht schauen, wo die Kerze da eigentlich steht, was sich so in der Umgebung findet. (Gestern abend erst fand ich ein kleines Kerzlein hinter dem Fernseher inmitten von Pflanzen …)
Wenn du dann deine Strafe wegen der Tötung der Verursacherin abgesessen hast, stellt sich die Frage, wie du das beinahe nagelneue Notebook – und nicht nur einfach ein Notebook, nein, eine »mobile Workstation«, eine von denen, die so richtig billig sind – von dem Kerzenwachs befreist, das nicht nur einfach auf den – zum Glück geschlossenen Deckel – und in die Anschlüsse auf der Rückseite (VGA, LPT, COM, benutzt ja heute eh kein Mensch mehr) tropfte, sondern aufgrund der Höhe – die Kerze stand ca. einen Meter oberhalb des Notebooks – über den gesamten Deckel kleine, feine Spritzerchen verteilte, wonach sich das taktile Erlebnis des Drüberstreichens über dem Notebookdeckel dem des Schmusens mit einem Mohnbrötchen annäherte.

Es geht. In der Tat. Es braucht ca. zwei Stunden freie Zeit, einen Fön mit max. 2000 W (von Heißluftpistolen aus industriellen Anwendungsbereichen, z. B. zum Schrumpfen von Kabelummantelungen u. ä., rate ich ab – die Temperaturen sind mit 500-600 Grad und mehr eindeutig zu hoch, das Handling des erwärmten Geräts nicht ungefährlich, wenn man den Reinigungsvorgang allein – die Freundin ist ja tot – zu bewerkstelligen hat), den kleinstmöglichen Schraubenzieher (gibt es für PC-Bastler recht günstig) oder eine Nähnadel, ein Lineal oder eine stabile Spielkarte, eine Zahnbürste, Stromanschluß (für den Fön) und Platz zum Rumsauen (denn der Fön bläst die Wachsreste durch die Gegend, und zusätzlich zu Werkzeug und Fön noch einen Staubsauger zu halten, ist ein wenig mehr, als man verdient hätte).

Den Deckel zieht man unter Erwärmen durch den Fön vorsichtig mit dem Lineal ab. Es sollte vorher auf scharfe Ecken geprüft werden, denn Notebookdeckel – v. a. solche aus Magnesium – haben ein langes Gedächtnis. Wichtig ist, darauf zu achten, daß man v. a. die vielen kleinen Wachspünktchen auch richtig erwischt, also mehrmals abziehen. Bei der Erwärmung (ich habe mit 1000 W und einem Abstand von ca. zehn Zentimeter gearbeitet) sollte man darauf achten, daß man den Luftstrahl immer schön bewegt; das Display darunter wird es danken.
An die feinen Ecken geht man zunächst mit der Nähnadel ran. Für gröbere Wachsreste hilft auch eine Büroklammer oder ähnliches. Damit beseitigt man die Hauptreste des Wachses.
Die vollgewachsten (mit »a«, ihr Ferkel … obwohl, das Aussehen …) Anschlüsse reinigt man mit der Nähnadel oder dem kleinen Schraubenzieher. Auch wenn es zunächst nicht so aussieht, die kleinen Öffnungen für die Steckerpins werden tatsächlich sauber.

Der letzte und wichtigste Arbeitsschritt läßt die Zahnbürste zum Einsatz kommen: Wiederum unter Erwärmung bürstet man den Bereich der Anschlüsse ebenso wie später den Deckel so lange ab, bis die letzten Spuren des Wachses beseitigt sind. Auf dem Deckel kann man das schön erkennen, wenn auch die letzten Pünktchen des Wachses nicht mehr zu sehen sind.
Danach gönnt man dem Deckel (und dem Display, auf dem der eine oder andere Wachsrest bei den Arbeiten zu landen gekommen sein dürfte) eine Reinigung mit diesen im Handel erhältlichen Mitteln, mit denen man Displays und Monitore zu reinigen pflegt.

Zu guter Letzt: Notebook an seinen Platz räumen, Werkzeuge aufräumen, Zahnbürste wegwerfen und dann auf den Friedhof, das Grab der Freundin besuchen.

One Reply to “Das Notebook nach der Tötung”

  1. Ich hasse Kerzen. Mein erster Freund fand Kerzen sooo romantisch, daß er beim Schmusen kein anderes Licht im Raum duldete. Und so begab es sich denn eines Nachts, daß er das Tonband mit der Musik, der romantischen, wechseln wollte (war ein 4-Spur-Gerät, eines von Telefunken, hat mich damals (1968) fast ein Monatsgehalt gekostet). Da Kerzen nicht nach unten leuchten, hielt er sie schräg und schräger, und das Wachs tropfte munter bis runter in die Mechanik. – Nein, gekillt habe ich ihn nicht, obwohl ich große Lust dazu verspürte, aber unsere Beziehung war danach keine mehr. Fazit: Kerzenschein gibt´s bei mir nur bei Stromausfall, streng überwacht, auf dem schönen breiten, nicht brennbaren Fensterbrett, auf einem großen Teller, auf den die Kerze auch in umgefallenem Zustand draufpaßt und von dem sie nicht runterkullern kann. Unromantisch? Na und?