Himmel und Hölle

Phil Rickman
DER HIMMEL ÜBER DEM BÖSEN
(The Lamp of the Wicked, 2003)
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2011, Übers. a. d. Engl.: Karolina Fell, Nicole Seifert, Taschenbuch, 687 Seiten, ISBN 978 3 499 25334 8

VORBEMERKUNG
Ich habe lange keinen Rickman gelesen, und als ich letztens die Wahl zwischen einem der genialen Werke aus dem Ancient Mail Verlag, Groß-Gerau, und einer schon ein wenig angejahrten Rickman-Schwarte, fiel die Entscheidung dann doch nicht schwer.

WORUM GEHT ES?
Zur kurzen Erinnerung: Merrily Watkins ist nicht nur protestantische Pfarrerin, sondern auch Sonderbeauftragte für Fragen zu spirituellen Angelegenheiten, auf gut deutsch: Exorzistin. Irgendwo in der britischen Pampa nahe Wales geht sie ihren Aufgaben nach.
Der fünfte Band der Watkins-Reihe Phil Rickmans dreht sich um ein Problem, das interessanterweise dieser Tage in Deutschland sehr präsent ist. Aber langsam …
Gomer Parry, der schon bekannte alte Baggerbesitzer und -führer, geht durch einen Brand auch sein Neffe Nev verloren. Gomer hat einen Verdacht, und bei der Suche nach Beweisen wird eine Frauenleiche gefunden. Ein Mann namens Roddy Lodge gerät in Verdacht, es gibt eine Konfrontation mit der Polizei und »besorgten Bürgern«, und am Ende ist Lodge tot – und der Verdacht, er sei ein Serienmörder gewesen, keimt auf. Parallelen zu historischen Fällen entwickeln sich. Und in Underhowle, dem Ort, wo er lebte und starb, ist man über die potenzielle Publicity nicht begeistert, weil sie die Entwicklung des Ortes zu einem Hotspot zu bedrohen scheint. Bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum das alles geschehen musste, spielen Überlandstromleitungen eine nicht unerhebliche Rolle. Denn alle Beteiligten scheinen spirituelle Erfahrungen gemacht zu haben, und alle Beteiligten lebten und leben unter diesen Überlandstromleitungen.
Und dann gibt es da noch diese Prominente, die glaubt, einen Engel gesehen zu haben. Und da ist dann noch Lol Robinson, der Musiker, der quasi gezwungen wird, wieder aufzutreten – und Jane, Merrilys Tochter, die sich so ganz anders als erwartet entwickelt …

Eine Inhaltsangabe ist immens schwer, wenn man es genau nimmt. Die Handlung ist sehr verschachtelt – wie gehabt –, und Rickman nimmt wenig Rücksicht auf diejenigen Leser, die die vorhergehenden Bände vielleicht nicht kennen. Das artet nicht so weit aus, dass man sich als Ahnungsloser völlig verarscht vorkommt, im Stich gelassen – aber stellenweise hat man ein wenig den Eindruck, als fehle einem doch ein wenig Vorwissen. Nur stellenweise. Aber immerhin.

WAS GEFIEL?
Rickmans Stil ist nach wie vor mein Ding. Er verliert genau die richtige Menge Worte, um Ereignisse ebenso wie das Drumherum zu beschreiben. Hat man sich an seine Schreibe gewöhnt, fängt sie an zu fließen, fast wie von selbst.
Auch der filmische Charakter ist nach wie vor vorhanden, soll heißen: Das Buch ist durchsetzt von Cliffhangern, Szenenwechseln, wie man sie von Filmen kennt, die auch mit diesem Hilfsmittel eine Spannungskurve aufzubauen versuchen. Es kam mir nach der langen Zeit, in der ich rickman-abstinent war, ein wenig so vor, als hätte dieser Effekt in Band 5 der Watkins-Reihe nachgelassen, aber das kann auch einfach täuschen. Letztlich eignet sich auch dieses Buch dazu, ohne großartige Überarbeitungen oder Anpassungen verfilmt zu werden. Wie gehabt.

WAS GEFIEL NICHT?
Das ist sehr subjektiv: Mir gefällt die Entwicklung der Figur von Jane Watkins nicht. Natürlich ist klar, dass sie in der Pubertät steckt, dass das alles nicht so einfach ist, wenn man in dem Alter ist, dass es immer wieder durchaus gravierende Veränderungen nicht nur im Leben von außen, sondern auch im eigenen Denken und Fühlen gibt, aber … Wie gesagt, es ist rein subjektiv, dass mir die Entwicklung dieser Figur in diesem fünften Watkins-Band nicht gefallen hat. Aber wir werden sehen, wie es weiter geht :)

ZITAT GEFÄLLIG?
Das sparen wir uns. Stilistisch hat sich nicht viel geändert; auch die neue Übersetzerin, die die Fell unterstützt hat, hat sich meines Erachtens nicht wesentlich – und vor allem nicht negativ – auf den Stil ausgewirkt. Ein Zitat herauszugreifen, das bringt m. E. wenig, denn der Roman ist zwar abwechslungsreich, das aber sehr homogen. (Oder anders ausgedrückt: Für ein Zitat wüsste ich nicht, wo ich anfangen sollte.)

ZU EMPFEHLEN?
Ja. Wie alle Rickmans, die ich bislang las: unbedingt.

Kommentare sind geschlossen.