Durchgefallen, Rendsburg, 04.06.

Hinterher – vorher erzählt mir ja niemand etwas – hat sich herausgestellt, dass Rendsburgs einzige Attraktion der Nordsee-Ostsee-Kanal (siehe hierzu auch vorher), die Eisenbahnhochbrücke und die darunter verkehrende Schwebefähre, die Schiffsbegrüßungsanlage und eine »ConventGarten« genannte Lokalität sein sollen (die Schreibweise ist mir angesichts des im Dumont Kunst-Reiseführer »Schleswig-Holstein« [Andreas Rumler, Ostfildern, 2011, 4. Aufl.] genannten Alters derselben eher suspekt). Letztere Lokalität haben wir nicht gefunden. Und auch die Schwebefähre hätten wir beinahe nicht gefunden.

Denn Rendsburgs Spezialität ist die Beschilderung: wenn überhaupt vorhanden, ist sie inkonsistent und konzentriert sich gerne – nach Brüsseler Vorbild – wie mir scheint, auf Unwichtigkeiten oder Dinge, die noch lange nicht wichtig sind (z. B. die Entfernungen nach Flensburg, Eckernförde und Hamburg). Am Ende erreicht man die Schwebefähre nur als Mutiger, indem man durch den Kreishafen fährt, eine Anlage, die einem bei nicht so sonnigem Wetter auch die Vermutung nahelegen könnte, gleich würde ein kräftiger Kran zugreifen und einen mitsamt dem Wagen und der Familie nach Sansibar verladen. Ungefragt, versteht sich. Und aussichtslos.

Auch der Versuch, die Innenstadt zu finden und gemäß den zahlreich vorhandenen Hinweisschildern »Parken Innenstadt« eine Parkmöglichkeit zu finden, erweist sich als nur dem Trickreichen erfolgreich zu bewältigen: Man muss einfach aufhören, den Hinweisschildern zu folgen und in irgendein Parkhaus fahren. Nun, richtig, das hört sich einfach an – aber ich möchte denjenigen in dieser Lage sehen, der nicht denkt, aha, es geht noch ein Stück bis zur Innenstadt, vielleicht kann ich faule Sau mit quengelndem Weib, ebensolchen Kindern oder gar zwei asynchron laufenden Hunden noch ein Stück des Fußwegs sparen. Und bis man dann wirklich zu den Trickreichen gehören kann, hat man die Rendsburger Innenstadt leicht dreimal umrundet.

Selbige ist so eindrucksvoll nicht. Ich hatte eigentlich überlegt, den Paradeplatz zu suchen, der laut dem schon erwähnten Dumont Kunst-Reiseführer »Schleswig-Holstein« von ansehnlichen Objekten für den kunstinteressierten Menschen umgeben wäre – von denen wir die meisten dank unserer Hunde freilich eh nicht von innen hätten besichtigen können -, aber zum einen ergab sich das nach der »Linksspur-Geschichte« (der Beitrag dazu folgt in vier Tagen) nicht mehr, und zum anderen halte ich es im Nachhinein für zweifelhaft, dass ich ihn mit der vorhandenen Beschilderung … oh, ja, richtig, an den Navi habe ich in der Gefühlslage schon gar nicht mehr gedacht.

Wir gönnten uns einen Parkplatz in einem Haus an der Wallstraße, dessen Kassenautomat später neue Fünfeuroscheine nicht erkennen und deshalb nicht akzeptieren sollte, und versuchten das zu finden, was in Rendsburg die Innenstadt war. Erster Anblick: Altstädter Markt. Okay. Ich erahnte eine leichte Entschädigung für meine bisherigen Rendsburger Unbillen nahen.
Der erste Eindruck ging aber sogleich wieder flöten, denn zumindest das Hinterland des Altstädter Marktes war eher uninteressant. Langweilig, nichtssagend. Wert allenfalls, es zu vergessen.

Entschädigen konnte mich in der Tat zweierlei.
Zum einen die Kirche Sankt Marien, leider zwischen Häusern eingezwängt, wie so oft heutzutage in größeren und großen Städten, ergo schlecht zu fotografieren, im Inneren aber recht hübsch, nicht so unauffällig sparsam wie die Remonstrantenkirche in Friedrichstadt, aber doch unauffällig elegant und ansehnlich ausgestattet, ohne so protzig zu sein wie manche katholischen Kirchen. Eine Kirche jedenfalls, die mir gut gefallen hat.
Zum anderen die »Markthallen«, eine Lokalität in der »Alten Markthalle«, mit einer schön designten, wenn auch nicht fehlerfreien Speisekarte, einem schönen, durchaus fehlerfreien Speisenangebot, Schneider Weisse, einem netten Ausblick auf einen kleinen, lauschigen Marktplatz, den Altstädter Markt eben, und insgesamt einem Flair, der mir sehr gut gefiel. Ich gönnte mir nebst zwei Weißbieren einen Hackbraten mit Spiegelei und Bratkartoffeln, und meine Gattin nahm eine Wok-Gemüsepfanne mit schwarzem Sesam und eine Rhabarberschorle. Dank der Speisen und der liebenswürdigen Bedienung kann ich den Laden nur wärmstens empfehlen.

Was für den Rest von Rendsburg so erst mal nicht gilt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns dort noch mehr anschauen werden, ist dank Naomi ja nun gesunken. Fragt sich, wen das glücklicher macht (naja, Naomi auf jeden Fall).

P.S.: Ein Wort noch zu der Schiffsbegrüßungsanlage, an der Hochbrücke mit Schwebefähre. Es handelt sich dabei um ein Café, durchaus gut besucht, in dem jedes vorbeifahrende Schiff vorgestellt wird – wie es heißt, was für ein Schiff es ist, woher, wohin usw. usf. Gleichzeitig wird beim Vorbeifahren die Nationalhymne des Landes gespielt, unter dessen Flagge das Schiff fährt (was dazu führt, dass dieser Ort wohl derjenige in Deutschland ist, wo am häufigsten karibische und asiatische Nationalhymnen zum Besten gegeben werden). Die Schiffe, die vorbeifahren, grüßen mit Signalen zurück, und zwar, wie mir schien, immer mit dem gleichen: lang, kurz, kurz, kurz, lang. – Nette Idee. Aber wir haben uns nicht dort niedergelassen, denn für unsere Hunde gab’s kein Wasser.

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